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  • V-Mann fuhr Amri mindestens einmal nach Berlin

    Lkw-Attentäter Anis Amri war den Behörden als Islamist bekannt, mindestens einmal soll ihn ein V-Mann des Landeskriminalamtes nach Berlin gefahren haben. Dass Amri selbst V-Mann war, verneinen die Ermittler.

    Als gefährlicher Islamist war Anis Amri, der in Berlin zwölf Menschen tötete, den deutschen Sicherheitsbehörden wohl bekannt: Warum sie den für eine Abschiebung vorgemerkten Radikalen nicht aus dem Verkehr zogen, diese Frage stellt sich für Innen- und Justizminister in Bund und Ländern dringlicher denn je.

    Offenbar gab es engere Kontakte zwischen Amri und einem islamistischen V-Mann des Landeskriminalamtes (LKA) in Nordrhein-Westfalen. Wie der SPIEGEL berichtet, soll der V-Mann den späteren Attentäter mindestens einmal nach Berlin gefahren haben.

    Am Donnerstag berichteten Vertreter von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) nach SPIEGEL-Informationen in einer Telefonkonferenz Mitgliedern des Innenausschusses von diesem neuen Detail im Fall Amri. Bekannt war bereits, dass Amri bei dem LKA-Informanten mit Anschlagsplänen geprahlt und sich nach Schnellfeuergewehren erkundigt hatte.

    Die nordrhein-westfälische Landesregierung sah sich nun Aufgrund einer Anfrage der CDU-Landtagsfraktion genötigt zu erklären, dass Amri selbst kein Zuträger war. “Er war kein V-Mann”, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Düsseldorf am Samstag. Ein CDU-Fraktionssprecher bestätigte, dass die Frage danach “ein Punkt unseres Fragenkatalogs an das Innenministerium” sei.

    Kauder bringt Amri-Untersuchungsausschuss ins Gespräch

    Zuvor hatte unter anderem die “Bild”-Zeitung die Frage aufgeworfen, ob eine Zusammenarbeit mit dem LKA vielleicht die Erklärung dafür sein könnte, dass Amri von den Sicherheitsbehörden nicht rechtzeitig gestoppt wurde. Der 24 Jahre alte Tunesier war von mehreren Behörden als islamistischer Gefährder eingestuft worden.

    Die Union kann sich offenbar vorstellen, die Pannen der Sicherheits- und Justizbehörden im Fall Amri in einem Untersuchungsausschuss des Bundestages aufzuklären. Einen entsprechenden Vorschlag werde Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) seinem SPD-Kollegen Thomas Oppermann machen, hieß es am Rande der Klausur der CDU-Spitze im saarländischen Perl aus Unionskreisen.

    Für die nächsten Tage hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) einen Fehlerbericht im Umgang mit dem Fall Amri angekündigt. Er und de Maizière waren kurz nach dem Terrorangriff von Kanzlerin Angela Merkel aufgefordert worden, den Fall aufzuarbeiten und neue Schritte vorzuschlagen, wie man künftig besser mit Gefährdern umgehen kann.

    Dennoch war es ihm möglich, fünf Tage vor Weihnachten einen Lastwagen in einen Berliner Weihnachtsmarkt zu steuern und zwölf Menschen zu töten. Nach einer mehrtägigen Flucht wurde Amri dann von Polizeikräften im norditalienischen Mailand erschossen.

    Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes war davon die Rede, Anis Amri sei von einem V-Mann des Verfassungsschutzes mindestens einmal nach Berlin gefahren worden. Es war jedoch ein V-Mann des Landeskriminalamtes. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

    Samstag, 14.01.2017 13:25 Uhr

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    © SPIEGEL ONLINE 2017

    Italiens Behörden verschwiegen schwere Panne im Fall Amri

    Laut Informationen der Welt am Sonntag hätte Italien Anis Amri schon 2011 abschieben können. Die Behörden sollen damals eine beglaubigte Abschrift der Geburtsurkunde erhalten haben.

    Anis Amri, der Weihnachtsmarkt-Attentäter, hätte bereits im Sommer 2011 nach Tunesien abgeschoben werden können.

    Seit diesem Zeitpunkt waren italienische Behörden zweifelsfrei über seine wahre Identität informiert.

    Tunesische Stellen hatten die beglaubigte Abschrift der Geburtsurkunde Amris auf dem Dienstweg übermittelt.

    Warum das wichtig ist:
    Die zwölf Menschen, die beim Weihnachtsmarkt-Anschlag von Berlin getötet worden waren, könnten vermutlich noch leben, wenn die italienische Regierung konsequent gehandelt hätte.

    Die zwölf Menschen, die beim Weihnachtsmarkt-Anschlag von Berlin getötet worden waren, könnten vermutlich noch leben, wenn die italienische Regierung konsequent gehandelt hätte. Nach Informationen der „Welt am Sonntag“ hätte Anis Amri, der spätere Attentäter, bereits im Sommer 2011 nach Tunesien abgeschoben werden können.

    Seit diesem Zeitpunkt waren italienische Behörden zweifelsfrei über seine wahre Identität informiert. Tunesische Stellen hatten die beglaubigte Abschrift der Geburtsurkunde Amris auf dem Dienstweg übermittelt. Ausgestellt worden war das Dokument am 24. Juni 2011 und somit vier Jahre, bevor Anis Amri aus italienischer Abschiebehaft in die Freiheit und damit nach Deutschland entlassen wurde. Angeblich geschah dies – wie aus Rom wiederholt versichert wurde –, weil Tunesien Amris Staatsbürgerschaft bestritten habe.

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    Das tunesische Konsulat im sizilianischen Palermo hatte die Urkunde überstellt, als sich Amri als angeblich unbegleiteter minderjähriger Flüchtling auf der Insel aufhielt. Die italienische Regierung hatte deren Erhalt bisher verschwiegen. Informationen aus der Urkunde flossen jedoch ab Oktober 2011 nachweislich in offizielle italienische Dokumente wie Polizeiprotokolle und Gerichtsakten ein.

    Im Gefängnis von Sizilien wurde er zum religiösen Hardliner

    Der tunesische Konsul in Palermo, dessen Büro die Geburtsurkunde Amris übermittelt hatte, lehnte eine Stellungnahme ab. Wörtlich sagte Abderrahman Ben Mansour: „In diese Sache sind eine tunesische Behörde verwickelt und eine italienische, und ich fordere Sie auf, sich als Journalist aus diesem Fall absolut herauszuhalten.“

    Geheimdienst-Kontrolleure befassen sich mit Fall Amri
    Der Fall Anis Amri wirft immer mehr unglaubliche Fragen auf. Das Parlamentsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste soll diese aufklären, ein erstes Treffen fand in Berlin statt.

    Quelle: Die Welt/Erdmann Hummel
    Die Freilassung Amris aus italienischer Abschiebehaft im Juni 2015 könnte Teil einer Geheimoperation des italienischen Inlandsnachrichtendienstes AISI gewesen sein. Dies berichteten gleichlautend zwei mit der Untersuchung des Falls Amri unmittelbar befasste Quellen aus dem italienischen Sicherheitsapparat unabhängig voneinander der „Welt am Sonntag“. Die AISI-Aktion habe zum Ziel gehabt, Amri als Köder in der islamistischen Szene Italiens einzusetzen. Wegen einer Panne habe man Amri jedoch aus den Augen verloren.

    Der Inlandsgeheimdienst habe zuvor die islamistische Radikalisierung Amris während dessen Inhaftierung in verschiedenen Gefängnissen Siziliens aufmerksam verfolgt, er war unter anderem wegen Brandstiftung und Körperverletzung verurteilt worden. Im Gefängnis von Agrigento habe sich Amri ab Anfang 2014 unter dem Einfluss eines ebenfalls tunesischstämmigen Mitgefangenen in kürzester Zeit vom gewaltbereiten Kleinkriminellen zum religiösen Eiferer entwickelt.

    Die italienische Regierung ist nun in Erklärungsnot

    Nach Kenntnis der italienischen Quellen handelte es sich bei der fehlgeschlagenen Observation Amris nach dessen Haftentlassung um eine rein italienische Operation. Deutsche Dienste seien weder beteiligt noch informiert gewesen. Eine Anfrage im Büro des italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni, dem AISI unterstellt ist, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

    Sollten sich diese Hinweise bestätigen, geriete die italienische Regierung nicht nur gegenüber der deutschen Öffentlichkeit, sondern auch gegenüber der eigenen Bevölkerung in Erklärungsnot. Unter den zwölf Todesopfern des Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt war auch eine 31-jährige Italienerin. Sie wurde am vergangenen Montag in ihrer Heimat in Anwesenheit von Staatspräsident Sergio Mattarella und Innenminister Marco Minniti beigesetzt.

    Von Helmar Büchel | Stand: 22.01.2017 | Lesedauer: 3 Minuten

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    © WeltN24 GmbH

    Bericht der Behörden hat Lücken – Anis Amri: neue Fragen trotz Transparenz-Versprechen

    Offenheit und lückenlose Aufklärung, das versprechen die zuständigen Sicherheitsbehörden, um den Fall Amri aufzuarbeiten. Nun haben sie einen ersten Bericht vorgelegt – aber der beantwortet die Fragen nur auf den ersten Blick.

    Das Versprechen ist groß und bislang einmalig: Öffentlich und lückenlos soll die Arbeit der Sicherheitsbehörden im Fall Amri aufgearbeitet, sollen Unterlagen transparent gemacht werden. Das Bundesjustizministerium (BMJV) und das Bundesinnenministerium (BMI) haben in der vergangenen Woche dazu eine Chronologie vorgelegt.

    Auf den ersten Blick scheint sie alle Fragen zum Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz zu beantworten. Um den Willen zur Transparenz zu bekräftigen, fügten die Ministerien im Laufe der Woche noch mehrere Updates hinzu.

    Doch wer sich den Details zuwendet, entdeckt viele offene Fragen, auf die es noch immer keine Antworten gibt. Nach rbb-Recherchen betrifft dies vor allem die Arbeit der Bundesbehörden.

    “Wir müssen Konsequenzen ziehen”

    Norbert Lammert hat bei der Gedenkminute des Bundestags die besonnene Reaktion der Bürger nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt gelobt – und zugleich Konsequenzen gefordert.
    Von keiner Gefahr zum “Foreign Fighter”

    Zur Erinnerung: Für die Berliner Behörden stellte Anis Amri im September 2016 keine Gefahr mehr dar. Alle Überwachungsmaßnahmen endeten am 21.09.2016. Doch nur wenige Tage später wird Amri plötzlich von den Sicherheitsbehörden als “Foreign Fighter” eingestuft.

    Wörtlich heißt es in der von BMI und BMJV erstellten neuen Chronologie für den 13.10. 2016: “Erfassung des Amri als ‘Foreign Fighter’ im Inpol-System bis zum 06.10.2017 und Mitteilung an das BKA hinsichtlich der Übermittlung an alle Schengenstaaten und Übermittlung der Zusatzinformation ‘Foreign Fighter’.”

    Hier beginnen die Fragen: Wer hat diese Einstufung veranlasst? Das beantwortet die Chronologie nicht. Nach Informationen des rbb kann dies nur durch eine Bundesbehörde veranlasst werden. Um welche Behörde es sich dabei handelt, ist bislang unklar.

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    Stationen der Flucht des Attentäters Anis Amri nach dem Anschlag auf dem Breitscheidtplatz in Berlin (Quelle: dpa)
    Staatsanwaltschaft unzureichend informiert

    Berliner Behörden hätten Terroranschlag verhindern können

    Die Berliner Staatsanwaltschaft hätte Anis Amri in Haft nehmen und damit den Terroranschlag am Breitscheidplatz verhindern können – wenn sie besser informiert worden wäre. Das wurde am Mittwoch auf einer Sitzung des Innenauschusses des Bundestages deutlich.

    Verfassungsschutz weist Beteiligung zurück

    Ebenso offen ist ein Vermerk in einem sogenannten “Personagramm” zu Anis Amri, das dem rbb exklusiv vorliegt. Ein Personagramm wird von den Sicherheitsbehörden über so genannte Gefährder erstellt und bündelt alle Erkenntnisse und Maßnahmen zur jeweiligen Person.

    Das Personagramm zu Anis Amri wurde von den Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen erarbeitet, es spiegelt den Erkenntnisstand vom 14. Dezember 2016 wider. Die Behörden vermerken darin nicht nur, dass sich Amri wieder in Berlin befinden soll, sondern auch, dass schon am 13. Oktober folgende Maßnahmen gegen ihn eingeleitet wurden: “PB07 / Nachrichtendienstliche Beobachtung durch BfV”. Ein Vermerk, der weitere Fragen aufwirft.

    Was sich hinter “PB07” verbirgt ist noch einfach zu beantworten: “Polizeiliche Beobachtung” im Zusammenhang mit Terrorismus / Exterrorismus. Schwieriger zu beantworten ist jedoch die Frage, was “Nachrichtendienstliche Beobachtung durch BfV” bedeutet. Nach Informationen des rbb kann diese Maßnahme nur durch eine Bundesbehörde veranlasst werden. Naheliegend ist da das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Doch das BfV weist auf Anfrage des rbb jede Beteiligung zurück.

    Schriftlich heißt es: “Ihre Fragen nach dem Eintrag in den von Ihnen zitierten Unterlagen sind für uns nicht nachvollziehbar. Das genannte Datum 13.10.2016 kann hier nicht in Zusammenhang mit einem Tätigwerden des BfV gesetzt werden.”

    Nachfragen bei den Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen blieben ebenso erfolglos, es gibt keine Erklärung für den Eintrag in einem der zentralen Dokumente für Gefährder. Die versprochene Transparenz, sie lässt zu wünschen übrig – solange zentrale Dokumente wie Amris Personagramm nicht lückenlos erklärt werden.

    Beitrag von Susanne Opalka, Jo Goll, René Althammer
    21.01.17 | 15:47 Uhr

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    © rbb

    Anschlag in Berlin Sollte Anis Amri als V-Mann angeworben werden?

    War Anis Amri ein V-Mann der Sicherheitsbehörden? Eine Aussage der nordrheinwest-fälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft machte stutzig. Sie hatte gesagt, beim Umgang mit Amri gehe es auch darum, „mehr Erkenntnisse über mutmaßliche (Terror)-Zellen zu erlangen“. Da müssten die Behörden abwägen.

    Entsprechende Berichte dementierten sowohl das Bundesinnenministerium als auch das NRW-Innenministerium. Amri sei kein V-Mann der Sicherheitsbehörden.

    Doch viele Episoden in dem mehrstufigen Behördenversagen im Fall Amri werfen Fragen auf:

    Nach einer Festnahme Amris in Ravensburg im Juli 2016 wegen falscher Pässe und Betäubungsmitteln wird er kurz darauf wieder freigelassen auf Verfügung des NRW-Innenministeriums, weil eine Abschiebung nicht möglich sei.

    Amri nahm laut „Welt am Sonntag“ selbst regelmäßig Ecstasy und Kokain und finanzierte sein Leben weitgehend als Dealer. Schon in seiner Heimat war der 24-Jährige demnach wegen Drogendelikten aufgefallen. Ermittler fragten sich, ob er bei dem Anschlag unter Drogeneinfluss gestanden habe.

    Offenbar führte der Drogenkonsum das LKA in Berlin zu einer fatalen Fehleinschätzung: Wie die „Bild“ berichtet, sei er für die Polizei nicht mehr als Islamist infrage gekommen, weil er Drogen nahm.

    Im November nahm die Polizei mehrere Islamisten aus seinem Umfeld fest – ihn selbst aber nicht.

    Außerdem hat nach Medieninformationen ein V-Mann Amri im März nach Berlin gefahren.

    Dazu kommt: Amri reiste mit mindestens 14 verschiedenen Identitäten durch Deutschland und kassierte mehrfach Unterstützungsleistungen vom Staat. Nach Informationen der „Rheinischen Post“ wurde das Verfahren gegen Amri wegen Sozialbetrugs aber nicht in der normal zuständigen Abteilung, sondern in der „politischen Abteilung“ durchgeführt.

    Wenn Amri also kein V-Mann war – sollte er dann angeworben werden?
    Frank Tempel, der Vizefraktionschef der Linken, sagte der „Bild am Sonntag“: „Es gibt eine Menge Indizien, dass da etwas faul ist.“
    Die Grünen-Fraktionschefin Kathrin Göring-Eckardt sagte der „Bild“: „Ich will keine Verdächtigungen äußern, bevor ich alle Fakten auf dem Tisch habe. Ich kann aber nicht verstehen, warum Herr Amri trotz der Faktenlage frei rumlaufen durfte.“

    In der kommenden Woche könnten weitere Details ans Licht kommen. Der Innenausschuss und das parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags versuchen, einen ersten Überblick zu erlangen. Die Union will einen Untersuchungsausschuss gründen, die SPD fordert sogar einen Sonderermittler. Ziel ist herauszufinden, was genau in der Absprache und Zusammenarbeit der Landes- und Bundesbehörden schief lief.
    In einem sind sich die führenden Politiker einig: Etwaige Sicherheitslücken bei den Behörden müssen so schnell wie möglich geschlossen werden.

    15.01.2017, 12:24

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    Copyright http://www.focus.de/

    Acht wertvolle Stunden vergingen, bis nach Amri gefahndet wurde

    Laut Informationen der Welt am Sonntag hätte Italien Anis Amri schon 2011 abschieben können. Die Behörden sollen damals eine beglaubigte Abschrift der Geburtsurkunde erhalten haben.

    Bei der Jagd nach dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz kam es nach Recherchen der „Welt“ zu einer Verzögerung.

    Obwohl die Identität am Tag nach dem Attentat ermittelt war, dauerte es, bis bundes- und europaweit gefahndet wurde.
    Anis Amri reiste drei Tage lang ungehindert von Deutschland in die Niederlande, anschließend weiter nach Italien.
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    Die Geldbörse lag unter dem Fahrersitz des Lastwagens. Darüber befand sich eine Decke. Bei einer ersten groben Sichtung war sie den Ermittlern wohl deshalb nicht aufgefallen. Erst bei einer genaueren Untersuchung des Führerhauses wurde das Portemonnaie schließlich gefunden – und damit ein entscheidender Hinweis auf den Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz. Darin befand sich Bargeld und ein Stück Papier. Es war eine Duldung, ausgestellt vom Landratsamt im nordrhein-westfälischen Kleve auf einen „Ahmed Elmasri, geboren am 01.01.1995 in Skendiria/Tunesien“.

    Der Name war falsch. Bei der Person, so stellten die Ermittler schnell fest, handelte es sich um den 24-jährigen Tunesier Anis Amri. Der im Duldungsbescheid angegebene Name war eine seiner 14 Identitäten, die den Behörden bekannt waren. Amri galt schon länger als radikaler Islamist, war sogar als „Gefährder“ eingestuft. Monatelang hatten gleich mehrere Sicherheitsbehörden gegen ihn ermittelt, ohne handfeste Beweise zu finden.

    Amri erschoss Lkw-Fahrer offenbar Stunden vor Anschlag
    Der polnische Lkw-Fahrer, der nach dem Lastwagenanschlag in Berlin tot auf dem Beifahrersitz gefunden wurde, hatte laut Informationen der „Bild“ schon Stunden vor der Tat einen Kopfschuss erlitten.

    Quelle: Die Welt
    Mit den gefundenen Papieren rückte er plötzlich wieder ins Visier der Fahnder. Die Geldbörse im Lkw machte Anis Amri schlagartig zum neuen Hauptverdächtigen des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in Berlin mit zwölf Toten und Dutzenden Verletzten. Doch obwohl die Identität des Terrorverdächtigen nun bekannt war, vergingen wichtige Stunden, bis eine bundesweite und auch europaweite Fahndung nach ihm ausgelöst wurde. Das zeigen Recherchen der „Welt“, und das bestätigten Sicherheitsbehörden auf Nachfrage.

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    Das Bundesinnen- und das Bundesjustizministerium haben in der vergangenen Woche eine 19 Seiten lange Chronologie veröffentlicht. Sie trägt den Titel „Behördenhandeln um die Person des Attentäters vom Breitscheidplatz Anis Amri“. Aufgelistet sind darin die Erkenntnisse der Behörden zur Gefährlichkeit des Islamisten und auch die erfolglosen Versuche, ihn abzuschieben. Was auffällt: Es fehlen die Aktionen der Ermittler in den Stunden und Tagen unmittelbar nach dem Anschlag. Genau in diesem Zeitraum kam es jedoch womöglich zu einer folgenschweren Fahndungspanne – oder zumindest zu einer fragwürdigen Entscheidung der Terrorfahnder.

    Was geschah in den Stunden nach dem Anschlag?

    Am Montag, 19. Dezember 2016, um kurz nach 20 Uhr, war Anis Amri mit dem zuvor gestohlenen polnischen Lastwagen in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast. Der Attentäter überlebte und konnte in dem Wirrwarr unerkannt fliehen. Kurze Zeit später nahm die Polizei nach einem Zeugenhinweis unweit des Berliner Tiergartens einen Verdächtigen fest: den pakistanischen Asylbewerber Naved B.

    Doch es ließen sich keinerlei Belege dafür finden, dass der Mann tatsächlich der Attentäter ist – weder Fingerabdrücke im Lkw noch DNA. Und so wuchsen innerhalb der Berliner Polizei in den folgenden Stunden die Zweifel daran, ob man wirklich den richtigen Täter gefasst hatte.

    Anis Amri soll regelmäßig Drogen genommen haben
    Der Attentäter von Berlin, Anis Amri, war Drogendealer und hat auch selbst regelmäßig Drogen konsumiert. Das geht aus einem Sachstandsbericht hervor. Auch in Berlin verkaufte der Tunesier demnach Drogen.

    Quelle: Die Welt
    Am Tag nach dem Attentat, am Morgen des 20. Dezember, begann die Berliner Polizei damit, den Lastwagen vom Breitscheidplatz abzuschleppen. Die Bremsen saßen fest, die Zugmaschine des Lasters war schwer beschädigt. Der Abtransport verzögerte sich daher. Es ging nur um Schrittempo voran. Erst am frühen Vormittag erreichte tonnenschwere Gefährt schließlich die Julius-Leber-Kaserne in Berlin-Reinickendorf. Dort, in einer Halle, fand die eigentliche Untersuchung durch die Tatortgruppe des LKA Berlin statt.

    Spürhunde, sogenannte Mantrailer, wurden in die Fahrerkabine geschickt. Sie sollten den Geruch des Attentäters aufnehmen. Dann durchsuchten die Ermittler das Fahrerhaus. Überall lagen Glassplitter, Kleidungsstücke und Holzteile herum. Beim Aufprall und bei der Vollbremsung des Lastwagens waren Dutzende Einzelteile durch das Führerhaus geflogen. Zwischen 15 und 16 Uhr entdeckten die LKA-Ermittler im Fußraum unter dem Fahrersitz die Geldbörse mit dem Duldungsschreiben von „Ahmed Elmasri“ aus Kleve.

    Es wurden Datenbanken abgefragt und Behördenanfragen verschickt. Schnell war „Ahmed Elmasri“ als Anis Amri identifiziert. Es war ein weiterer Hinweis darauf, dass der tags zuvor festgenommene Pakistaner Naved B. wohl unschuldig ist. Der neue Hauptverdächtige hieß jetzt Anis Amri. Und der war noch nicht gefasst.

    Warum wurde mit der Fahndung so lange gewartet?

    Was dann geschah, wirft einige Fragen auf: Denn obwohl die Identität des Attentäters den Ermittlern wohl spätestens am Dienstagnachmittag bekannt war, gab es nach Informationen der „Welt“ zunächst keine bundesweite Fahndung nach Anis Amri. In Berlin hatte man einen islamistischen „Gefährder“ als den mutmaßlichen Todesfahrer vom Breitscheidplatz ermittelt, jedoch die Polizeibehörden in 14 Bundesländern nicht über den neuen Verdächtigen in Kenntnis gesetzt.

    Dabei hatte es am frühen Abend des 20. Dezember 2016, gegen 18.30 Uhr, bereits eine wichtige Telefonschaltkonferenz gegeben. Teilgenommen hatten die LKA-Präsidenten und ein Vertreter des Bundeskriminalamtes (BKA). Man habe, so informierte ein Ermittler aus Berlin, einen „sehr wertigen Hinweis“ auf einen neuen Verdächtigen. Ein LKA-Vertreter hakte nach, wollte wissen, um wen es sich handelt. Doch in Berlin, wo man seit Stunden bereits die Duldungspapiere von Anis Amri aus Kleve vorliegen hatte, herrschte Zurückhaltung. Man wollte keine weiteren Details nennen und lediglich ein betroffenes Bundesland informieren – in diesem Fall Nordrhein-Westfalen.

    So vergingen Stunden, bis schließlich eine bundesweite und sogar europaweiten Fahndung nach dem Terrorverdächtigen ausgelöst wurde. Das LKA Berlin, das zu diesem Zeitpunkt mit der Besonderen Aufbauorganisatio (BAO) „Weihnachtsmarkt“ noch die Federführung bei den Ermittlungen innehatte, verschickte erst am 21. Dezember, um 0.06 Uhr, ein elektronisches Schreiben („VS-Nur für den Dienstgebrauch – Vorrangstufe: SOFORT“) an die Polizeibehörden der Länder, an die Bundespolizei, den Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst (BND) und das Zollkriminalamt.

    Das Dokument liegt der „Welt“ vor. Es enthält neben Fotos von Anis Amri auch diverse Alias-Namen des Islamisten und den Hinweis: „Es besteht der dringende Verdacht, dass er mit dem Anschlagsgeschehen in direkter Verbindung steht.“ Und bei „Antreffen ist nicht eigenständig heranzutreten“. Stattdessen solle das LKA informiert werden, um „Spezialkräfte“ einzusetzen.

    Anis Amri ist tot – Ein Italiener ist Held des Terrordramas
    Anis Amri ist tot. In Italien endet das Drama vom Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, bei dem Amri einen Lastwagen in eine Menschenmenge gelenkt haben soll.

    Quelle: Die Welt
    Die eindringliche Warnung war durchaus berechtigt. Immerhin ging es um einen gefährlichen Terroristen, der bereits zwölf Menschen kaltblütig ermordet hatte. Elf wurden überrollt und zerquetscht, ein polnischer Lkw-Fahrer zuvor mit einer Pistole erschossen. Warum aber wurde die Warnung vor Amri den Polizeidienststellen bundesweit erst so spät mitgeteilt?

    Und noch etwas fällt auf: Im Schreiben des Berliner LKA gibt es eine Zeitangabe, die im Widerspruch steht zu den offiziellen Angaben. Es heißt, die Geldbörse von Amri sei im Fußraum des Lkw am „20.12., 20:39 (…) festgestellt“ worden. Auf Nachfrage teilte die Berliner Polizei allerdings mit, die Geldbörse sei schon zwischen „15.00 und 16.00 Uhr“ aufgefunden worden.

    Acht Stunden, vielleicht neun, vergingen

    Vom Fund der Geldbörse bis zum Auslösen der bundes- und europaweiten Personenfahndung vergingen demnach mindestens acht, vielleicht sogar neun Stunden. In diesem Zeitraum waren lediglich die Polizeibehörden in Berlin, Nordrhein-Westfalen und das BKA über den Verdacht gegen Anis Amri informiert. Es seien verdeckte Maßnahmen gelaufen, heißt es aus Sicherheitskreisen. Man habe das bekannte Umfeld des „Gefährders“ im Blick gehabt.

    Außerdem habe man nicht das Risiko eingehen wollen, dass Amri von der Suche nach ihm Wind bekommt. Etwa durch Presseveröffentlichungen. So zumindest ein Erklärungsversuch. Fraglich aber ist, ob neben den verdeckten Maßnahmen nicht auch eine umfassendere Fahndung angebracht gewesen wäre. Immerhin handelte es sich um einen Verdächtigen, der bereits auf brutale Weise gemordet hat – und der vermutlich bewaffnet war. Kann man da das Risiko eingehen nur den Freundeskreis, bekannte Wohnanschriften oder die frequentierten Moscheen zu observieren?

    Das BKA bestätigte auf Nachfrage der „Welt“, dass auch erst am 21. Dezember 2016 ein Fahndungseintrag nach Anis Amri ins Schengener Informationssystem (SIS) erfolgte. Sprich, eine europaweite Jagd nach dem Islamisten gestartet wurde.

    In dieser Zeit reiste Anis Amri, ein bewaffneter Zwölffach-Mörder, nicht nur durch die Bundesrepublik, sondern durch vier weitere EU-Staaten. Sein Weg führte über das niederländische Nijmegen und Amsterdam, weiter nach Brüssel, dann über Lyon, Chambery nach Turin und schließlich in einen Vorort von Mailand, wo er am frühen Morgen des 23. Dezember 2016 von italienischen Polizisten bei einem Schusswechsel getötet wurde.

    Es ist reine Spekulation, ob Anis Amri in Deutschland weiter gemordet hätte, falls er auf seiner Flucht auf Polizisten gestoßen wäre. Klar ist aber: Bundesweit hätten Polizeibeamte stundenlang nicht gewusst, dass sie den Attentäter vom Breitscheidplatz vor sich haben.

    Von Florian Flade | Stand: 25.01.2017 | Lesedauer: 7 Minuten
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    © WeltN24 GmbH

    Berlin Anschlag – Anis Amri: Viele Widersprüche

    Bei der Jagd nach dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, kam es offenbar zu einer Verzögerung von mehreren Stunden. Obwohl die Identität des Islamisten bereits am Tag nach dem Attentat ermittelt war, wurde lange Zeit nicht bundesweit oder europaweit nach Amri gefahndet, schreibt die “Welt”.
    Demnach stießen die Ermittler des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) am 20. Dezember 2016 bereits zwischen 15:00 und 16:00 Uhr bei der Untersuchung des Lastwagens auf eine Geldbörse mit einem Duldungsschreiben des Landratsamtes Kleve (NRW).

    Ausgestellt war das Papier dem Bericht zufolge auf “Ahmed Elmasri”. Dabei handele es sich um einen Alias-Namen, der von Anis Amri bei einem Asylverfahren verwendet worden war. Obwohl das Duldungsschreiben schon kurze Zeit später dem als “Gefährder” eingestuften Anis Amri zugeordnet werden konnte, habe es stundenlang keine bundesweite Fahndung nach dem flüchtigen Islamisten gegeben.
    Erst am 21. Dezember 2016, um 00:06 Uhr, verschickte das LKA Berlin laut “Welt” eine interne Personenfahndung nach Anis Amri an Polizeidienststellen bundesweit, das Bundeskriminalamt (BKA), den Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst (BKA) und das Zollkriminalamt. Außerdem sei dann auch eine europaweite Fahndung durch einen Eintrag im Schengener Informationssystem (SIS) ausgelöst worden.
    Das Fahndungsschreiben aus Berlin enthalte zudem eine widersprüchliche Angabe zum Auffinden der Geldbörse und des Duldungsschreibens aus Kleve, schreibt die Zeitung weiter. Das Beweisstück sei am “20.12., 20:39 Uhr” festgestellt worden, heißt es demnach. Schon am 20. Dezember 2016 gegen 18:30 Uhr habe es eine Telefonkonferenz gegeben, an der LKA-Präsidenten und ein Vertreter des BKA teilgenommen hätten.
    Laut “Welt” teilte dabei ein Ermittler aus Berlin mit, dass man einen “sehr wertigen Hinweis” auf einen Tatverdächtigen vorliegen habe. Weitere Details seien den Bundesländern jedoch mit Verweis auf laufende “verdeckte Maßnahmen” nicht mitgeteilt worden.
    Anis Amri gelang nach dem Terroranschlag am Breitscheidplatz mit zwölf Toten die Flucht. Er reiste drei Tage lang ungehindert von Deutschland in die Niederlande, anschließend weiter über Belgien und Frankreich bis nach Italien. In Mailand wurde der Islamist schließlich am 23. Dezember 2016 bei einem Schusswechsel mit Polizisten getötet.

    25.01.2017

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    © MMnews 2012

    Attentäter von Berlin Wie die Behörden Amri beobachteten – und doch die falschen Schlüsse zogen

    Spätestens Ende 2015 geriet der Attentäter von Berlin ins Visier der Ermittler. Seitdem gab es viele Warnungen vor dem radikalisierten Tunesier – und viele Runden, in denen Polizei und Geheimdienste über den Gefährder diskutierten. Eine Rekonstruktion.

    Mehr als ein Jahr beschäftigten sich die Sicherheitsbehörden mit dem Attentäter von Berlin. Sie wussten, dass Anis Amri in Kontakt mit dem IS stand und Bomben bauen wollte. Dennoch hielt man einen Anschlag für eher unwahrscheinlich. Eine Rekonstruktion der schwierigen Arbeit der Terrorfahnder.

    Mai 2015: Amri kommt in Italien nach einer knapp vierjährigen Haftstrafe auf freien Fuß und reist weiter Richtung Norden – nach Deutschland. Angeblich im Juli trifft er in Deutschland ein.

    November 2015: Spätestens im November fällt Amri den Behörden zum ersten Mal auf: Der Tunesier bietet sich einem V-Mann des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an, der in der islamistischen Szene tätig ist. Amri sagt ihm, er wolle “etwas in Deutschland unternehmen” und könne sich eine Kalaschnikow für einen Anschlag besorgen.

    Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt Die Fehler der Terror-Fahnder im Fall Amri
    Die Fehler der Terror-Fahnder im Fall Amri
    Mehr als ein Jahr lang beschäftigte sich die Polizei mit dem Attentäter von Berlin. Sie wusste, dass er in Kontakt mit dem IS stand und Bomben bauen wollte. Dennoch hielt man einen Anschlag für eher unwahrscheinlich. Von Hans Leyendecker und Georg Mascolo mehr …
    Januar 2016: Das Bundesamt für Verfassungsschutz notiert: Amri reist unter verschiedenen Identitäten im ganzen Land herum. In Berlin, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-Württemberg werbe er “offensiv” darum, mit ihm Anschläge zu begehen.

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    17. Februar 2016: Amri wird offiziell als “Gefährder” eingestuft (“Funktionstyp: Akteur”): “Aktuell sind bei Amri Verhaltensmuster feststellbar, die auf eine Intensivierung von Anschlags-Planungen hindeuten könnten und die Tiefe seiner radikal-islamistischen Gesinnung untermauern.”

    18. Februar 2016: Amri reist mit dem Bus nach Berlin, wird dort von der Polizei abgepasst. Das Bundeskriminalamt übernimmt die Auswertung seines Handys. Berlin, NRW und das Bundesamt für Verfassungsschutz erhalten eine Kopie der Daten: Diese zeigen, wie radikalisiert er bereits ist. Am 2. Februar, so wird ersichtlich, hat Amri über das Chat-Programm “Telegram” Kontakt zu mutmaßlichen IS-Kämpfern aufgenommen.

    Ende Februar 2016: Amri ist Thema bei einer Runde von Polizei und Nachrichtendienstlern aus Bund und Ländern: Die Kommission Staatsschutz hat ein achtstufiges Prognose-Modell erarbeitet. Die Gefahr durch Amri wird mit einer 5 bewertet, “eher unwahrscheinlich”: keine konkreten Hinweise auf einen Anschlag, aber das BKA notiert auch, dass Amri “für radikale Ansichten und Ansinnen empfänglich sein dürfte”. Die Karlsruher Staatsschützer lassen vom LKA NRW alles zusammenschreiben, was über Amri bekannt ist – und leiten den Fall an den Berliner Generalstaatsanwalt weiter.

    14. März 2016: Berlin leitet Ermittlungen ein: Amri wird observiert, seine Kommunikation überwacht – doch bis auf kleinere Delikte passiert nichts. Im Juni zweifelt die Justiz daran, ob man überhaupt weiter überwachen soll. Im September enden die Ermittlungen.

    30. Mai 2016: Amris Asylantrag wird nach kurzer Prüfung abgelehnt. Amri soll so schnell wie möglich abgeschoben werden, allerdings hat die tunesische Regierung die notwendigen Papiere noch nicht zur Verfügung gestellt. Diese treffen erst zwei Tage nach dem Anschlag im Dezember ein.

    19. und 20. Juli 2016: Im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) tritt die “Arbeitsgruppe Statusrechtliche Begleitmaßnahmen”, kurz AG Status zusammen. Vertreter des Innenministeriums, des BKA und des Verfassungsschutzes sitzen am Tisch, aber auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Der Fall Anis Amri steht auf der Tagesordnung, doch nach Prüfung aller Erkenntnisse notiert die AG Status als Fazit: “Eine akute Gefährdungslage liegt derzeit nicht vor.”

    19. September 2016: Auch andere halten Amri für gefährlich. Der marokkanische Geheimdienst etwa übermittelt dem BND-Büro in Rabat eine Warnung, auch der dortige BKA-Verbindungsbeamte wird informiert. Die Marokkaner wiederholen wenig später ihre Warnung sogar.

    2. November 2016: Der Fall Amri wird ein letztes Mal besprochen. Die Arbeitsgruppe “Operativer Informationsaustausch” im GTAZ urteilt wieder, es sei “kein konkreter Gefährdungssachverhalt erkennbar”.

    8. November 2016: Der Generalbundesanwalt lässt Abu Walaa und drei seiner engsten Gefolgsleute verhaften – der “Prediger ohne Gesicht”, den ein Zeuge später als den wichtigsten Mann des IS in Deutschland bezeichnet. Anis Amri war öfter im Rahmen der Ermittlungen gegen den Iraker aufgetaucht. Er übernachtete immer wieder bei Mitgliedern des salafistisch-dschihadistischen Netzwerks. Nach der Festnahme Abu Walaas muss Amri geahnt haben, dass es nun auch für ihn eng werden könnte.

    14. Dezember 2016: In einem amtlichen Papier des nordrhein-westfälischen Staatsschutzes wird behauptet, dass sich Amri in verschiedenen Moscheen und Unterkünften in Berlin aufhalte. Er wechsle dabei die Schlaforte.

    19. Dezember 2016: Anis Amri verübt am Berliner Breitscheidplatz den schwersten islamistischen Anschlag auf deutschem Boden. Zwölf Menschen sterben.

    4. Januar 2017, 06:07 Uhr
    Von Georg Mascolo

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    Was the Berlin Christmas market attacker an undercover agent?

    A report published just over a week ago by the Federal Criminal Office (BKA) raises the question of whether Anis Amri was an intelligence agent.
    Amri allegedly drove into a Christmas market with a lorry on December 19 and killed 12 people. He is also accused of shooting and killing the lorry’s Polish driver.
    Just days after the attack, it was already clear that Amri had prepared the attack under the noses of the police and intelligence agencies. He had been under constant surveillance over the previous two years and was in contact with an agent with the North Rhine-Westphalia (NRW) state intelligence agency.
    On the basis of the BKA’s confidential report, it is possible to reconstruct Amri’s activities in Germany quite precisely. The police and intelligence agencies concentrated on Amri almost weekly and followed all of his actions.
    Amri came from Italy to Germany in the summer of 2015. He had already received a four-year custodial sentence. He was initially sent to a refugee accommodation centre in Emmerich (Kreis Kleve), NRW.
    Already at that time, the 22-year-old was noticed because he had pictures of ISIS fighters on his mobile phone. In December 2015, other refugees reported to the immigration authorities in Kreis Kleve that he “supposedly maintained contact with Islamic State.” Eventually, the authorities were aware of 14 identities used by Amri.
    Amri became involved with the Salafist movement, into which the NRW state intelligence agency had embedded at least one agent. He reported repeatedly to the police about Amri. “The source spilled over,” wrote the Süddeutsche Zeitung, which saw the BKA report. These reports filled entire files.
    On the basis of these reports, the state prosecutor ordered Amri’s phone to be tapped in November 2015. Somewhat later, Italian intelligence agencies sent photos and detailed personal information to Germany.
    In February 2016, the intelligence agent reported that Amri was becoming more withdrawn and reading the Koran, as if he wanted to be purified as some suicide attackers do prior to an attack. He was designated as a “threat” by the NRW state intelligence agency.
    At the same time, the state BKA in NRW sent their intelligence about the Islamist network in which Amri was involved to the state prosecutor in Karlsruhe. The top German prosecutor took up an investigation against the group for supporting terrorism and recruitment for a terrorist organisation and in November ordered the arrest of its leader, Abu Walaa, as well as the hardcore members of the group. However, Anis Amri was left at large.
    A variety of intelligence agencies were now watching him as he travelled regularly between Dortmund and Berlin. He was driven at least once by the intelligence agent. Between March and September, the Berlin state prosecutor conducted an investigation into Amri. He was intercepted and observed, but allegedly not for terrorist planning but for petty drug trafficking. According to the Süddeutsche Zeitung, the BKA report alleges that “religious questions” supposedly fell into the background during Ramadan.
    On July 30, police arrested Amri on a bus at the border with Switzerland because drugs and false identities were found on him. After two days, he was released from the justice detention centre in Ravensburg after consultations with the immigration authorities in Kreis Kleve and the NRW Interior Ministry.
    The head of the justice detention centre in Ravensburg told Westdeutsche Rundfunk that if everything had been known at the time that was known by the authorities in NRW, they could have held Amri longer. But the authorities kept the information to themselves.
    Then on September 19, Morocco’s intelligence agency warned the BKA and the foreign intelligence service (BND) that the Tunisian could carry out an attack. Two days later, on September 21, 2016, the Berlin police ended their observations, allegedly because there was no evidence of an impending criminal act.
    A new warning was sent from Morocco to the German intelligence agencies in October. The NRW state intelligence agency was warned on several occasions by the Moroccan and Tunisian intelligence agencies about Amri, the last time on October 26. The NRW state intelligence agents merely checked the location of his phone and found he was residing in the Berlin-Brandenburg area.
    The Joint Terrorism Defence Centre (GTAZ), in which 40 security agencies at the state and federal levels are represented, held a total of seven meetings about Amri. But nobody allegedly saw any risk.
    Nonetheless, the authorities entered Amri’s name into a nationwide police Inpol database as a “foreign fighter”—i.e., as a terrorist—last October. This information was sent to all 26 countries party to the Schengen agreement.
    Amri was not arrested due to a lack of legal means, even though this is how it is portrayed. The authorities could have filed an application for deportation or security detention with a court and held Amri for up to 18 months as a “threat.” They could have then arrested him under a charge of terrorism. But none of this occurred. Amri remained concealed and on December 19 was able to carry out his attack.
    The BKA in particular played down the threat posed by the young Tunisian. In December 2015, the BKA deemed it “very unlikely” that Amri would carry out an attack. At one of the GTAZ meetings, an official of the BKA stated that the agent reporting about Amri had been part of a previous case in which he had provided “exclusive intelligence.” (“Exclusive means in general: there was nothing to it,” the Süddeutsche Zeitung explained.)
    The BKA designated Amri as a standard petty criminal to whom religious rituals meant nothing. “In the course of the measures, indications of planning for religiously motivated acts of violence did not arise.” The BKA report stated further, “The impression emerged of a young man on the move, erratic and appearing quite unstable.”
    As is now known, Amri prayed at a mosque in Berlin-Moabit shortly before the attack.
    Who was responsible for playing down the threat of Amri is one of the open questions in the case. Was he even perhaps an agent for one of the authorities? This suspicion was even held by some police authorities, because all pending investigations against Amri were halted, even an investigation for social welfare fraud in Duisburg. Additionally, there was no inquiry against him for grievous bodily harm and drug trafficking. Based on historical experience, this is a clear sign that someone is under the protection of a senior police or intelligence authority.
    Amri cannot comment on these latest details. The 24-year-old was shot and killed by Italian police on December 23 in Milan.
    The insistence by all state intelligence agencies that they were unaware that Amri was preparing an attack is worthless. This is well known from numerous previous attacks—the terrorist attacks of November 13, 2015, in Paris; April 15, 2013, in Boston; and September 11, 2001, in New York City. In every case, the security services had the attackers under surveillance for a long time and did not intervene to stop them from carrying out their plots.
    Each attack provided the justification for a huge build-up of the state apparatus, and the latest attack on the Berlin Christmas market is no different.
    Interior Minister Thomas de Maizière (Christian Democrats—CDU) responded at the beginning of January with the demand for the restructuring and centralisation of the security apparatus. The BKA had to be strengthened and the state intelligence agencies dismantled in favour of a federal administration and the construction of a “genuine federal police.” He published these demands under the headline “Guidelines for a strong state in difficult times” in the Frankfurter Allgemeine Zeitung.
    CDU chair Thomas Strobl, interior minister in Baden-Württemberg, subsequently called for unlimited detention pending deportation for threats and criminals.
    On Tuesday, the federal government decided to appoint a special investigator or initiate a parliamentary investigatory committee into the December 19 attack. Merely an internal investigatory group of the Parliamentary Control Commission (PKGr) will shortly present a report. The question must be asked: Who has an interest in this cover-up?

    By Dietmar Henning
    25 January 2017

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    Amri war laut Bundesregierung kein V-Mann

    Die Bundesregierung hat Spekulationen dementiert, wonach der Berliner Attentäter ein V-Mann gewesen sein soll. Im Bundestag befasst sich ein Kontrollgremium mit dem Fall.

    Wurde der Berliner Attentäter Anis Amri von den Sicherheitsbehörden nicht rechtzeitig gestoppt, weil er mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeitete? Diese Fragen hatten Medien aufgeworfen. Das Innenministerium weist diese Spekulationen nun zurück: “Amri war weder als Vertrauensperson noch als V-Mann der Sicherheitsbehörden des Bundes tätig”, sagte ein Sprecher von Innenminister Thomas de Maizière (CDU). “Es wurde auch nicht versucht, ihn anzuwerben.”

    Der Spiegel hatte berichtet, dass es offenbar engere Kontakte zwischen Amri und einem islamistischen V-Mann des Landesverfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen gegeben hatte. Der V-Mann soll den späteren Attentäter mindestens einmal nach Berlin gefahren haben. Bekannt wurde auch, dass Amri bei dem V-Mann mit Anschlagsideen geprahlt habe – und sich offenbar auch nach Waffen erkundigt hatte. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hatte daraufhin erklärt, der 24 Jahre alte Tunesier Amri sei kein V-Mann des Landesverfassungsschutzes gewesen. Die CDU-Landtagsfraktion hatte eine entsprechende Anfrage an die Landesregierung gestellt.
    Amri war von mehreren Behörden als islamistischer Gefährder eingestuft worden. Dennoch war es ihm möglich, am 19. Dezember einen Lastwagen in einen Berliner Weihnachtsmarkt zu steuern und zwölf Menschen zu töten. Amri war wenige Tage nach dem Anschlag bei einer Polizeikontrolle in Italien erschossen worden, nachdem er das Feuer auf die Beamten eröffnet hatte.
    SPD bevorzugt Sonderermittler

    Die Geheimdienstkontrolleure des Bundestages befassen sich am heutigen Montag mit möglichen Fehlern der Sicherheitsbehörden. In einer geheimen Sondersitzung soll dem Parlamentarischen Kontrollgremium nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa ein vom Bundeskriminalamt erstellter Bericht vorgelegt werden. Darin seien alle Erkenntnisse, die den deutschen Sicherheitsbehörden über den Tunesier in den vergangenen Jahren vorlagen, chronologisch aufgelistet.
    Anschließend soll sich der Bundestag in seiner ersten Sitzungswoche nach der parlamentarischen Weihnachtspause intensiv mit den Hintergründen des Anschlags beschäftigen. Am Dienstag wollen Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt mit SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann über die weiteren Schritte zur notwendigen Aufarbeitung des Falles durch den Bundestag sprechen.

    Der Innenminister unterstützt den Vorstoß. Er sei “sehr offen” für einen Untersuchungsausschuss, sagte Thomas de Maizière. “Unsere chronologische Aufarbeitung der Vorgänge, die wir in Kürze vorlegen werden, wird eine gute Grundlage für die Arbeit des Ausschusses sein.” Oppermann äußerte sich in der Bild am Sonntag offen für einen Untersuchungsausschuss, machte aber klar, dass er einen Sonderermittler für das wirksamere Instrument hält. Kauder hatte zuvor erklärt, es müsse insbesondere um die Frage gehen, ob es bei der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern oder in einzelnen Bereichen Versäumnisse gegeben habe.

    16. Januar 2017, 7:30 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, mp 26 Kommentare
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    Anfrage der CDU-Landtagsfraktion War Anis Amri ein V-Mann des Verfassungsschutzes?

    Der Berliner Attentäter Anis Amri war nach Angaben der nordrhein-westfälischen Landesregierung kein V-Mann des Landesverfassungsschutzes.

    Ein Sprecher des Innenministeriums in Düsseldorf stellte am Samstag klar: „Er war kein V-Mann“.

    Die CDU-Landtagsfraktion hatte zuvor eine entsprechende Anfrage an die Landesregierung gestellt.

    Anfrage der CDU-Landesfraktion

    „Es ist ein Punkt unseres Fragenkatalogs an das Innenministerium“, bestätigte ein CDU-Fraktionssprecher. Medien hatten zuvor die Frage aufgeworfen, ob eine Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz vielleicht die Erklärung dafür sein könnte, dass Anis Amri von den Sicherheitsbehörden nicht rechtzeitig gestoppt wurde.

    Der 24 Jahre alte Tunesier war von mehreren Behörden als islamistischer Gefährder eingestuft worden. Dennoch war es ihm möglich, am 19. Dezember einen Lastwagen in einen Berliner Weihnachtsmarkt zu steuern und zwölf Menschen zu töten.

    Über die CDU-Anfrage an die Landesregierung hatte am Samstag “Bild” berichtet.

    Schwere Vorwürfe gegen rot-grüne Koalition

    Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Armin Laschet erhob im Fall Amri erneut schwere Vorwürfe gegen die rot-grüne Koalition in Düsseldorf, die sich im Mai zur Wiederwahl stellt.

    „Die Landesregierung in NRW hat es sträflich versäumt, hier die ausländerrechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um diesen Attentäter zu stoppen“, sagte Laschet den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“ (Samstag).

    Die Hauptverantwortung dafür trage Innenminister Ralf Jäger (SPD). „Der NRW-Innenminister als oberste Landesbehörde hätte effektive Maßnahmen gegen Amri ergreifen müssen.“

    Indirekt forderte Laschet die Abberufung Jägers durch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: „Wenn Frau Kraft keinen besseren für die Innere Sicherheit findet als Herrn Jäger, ist das ein Armutszeugnis für die SPD und ihr persönliches Problem.“

    (dpa)

    14.01.17, 14:07 Uhr
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    Abschiebeverfahren im Fall Anis Amri war keineswegs Eilsache

    Bislang hieß es, dass der Tunesier Anis Amri via Eilverfahren in seine Heimat abgeschoben werden sollte. Doch nach stern-Informationen wurde er auf Anweisung des NRW-Innenministeriums wie ein normaler abgelehnter Asylbewerber behandelt.

    Die Stadt Köln hat dem stern gegenüber bestätigt, dass die Passersatzpapiere für den Weihnachtsmarktattentäter von Berlin, Anis Amri, entgegen bisherigen Aussagen nicht via Eilverfahren oder priorisiert beantragt wurden. “Die Anfrage war keine Eilsache”, hieß es von der Pressestelle in Köln. Wie der stern am Wochenende von der Stadt Köln und aus dem Innenministerium zudem erfuhr, gibt es bei der Bearbeitung von Passersatzpapieren generell kein Eilverfahren. Warum nicht, konnten die Behörden nicht erklären.

    Anis Amri war im Abschiebeverfahren ein normaler abgelehnter Asylbewerber, für den Passersatzpapiere benötigt werden – wie für hunderte andere auch.
    Antrag ohne Hinweis auf Gefärderstatus

    Es dauerte mehr als zwei Monate, bis die Anfrage der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) den tunesischen Behörden überhaupt übermittelt wurde. Auch auf die Gefährlichkeit des seit Monaten von insgesamt 40 Sicherheitsbehörden beobachteten “Gefährders” hatte die ZAB nicht hingewiesen. Zudem wurden die Papiere unter der Personalie Ahmed Almasri beantragt, von der man wusste, dass sie nicht stimmt. Anis Amri wurde nur als einer von zwölf Alias-Namen genannt.
    Zur Begründung hieß es, dass “seitens des Ministeriums entschieden wurde, dass die Passersatzpapier-Beschaffung auf normalem Wege ohne Hinweis auf den Gefährderstatus beantragt werden soll”.
    In einer Sitzung im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum GTAZ im Juli hatten mehr als einen Monat zuvor alle beteiligten Behörden, unter anderem das LKA Nordrhein-Westfalen, das Bundeskriminalamt und auch das nordrhein-westfälische Innenministerium allerdings noch gemeinsam beschlossen, dass das NRW-Innenministerium “die Passbeschaffungsmaßnahmen zusammen mit der Ausländerbehörde Kleve prioritär durchführt”. Warum es sich an diese Vereinbarung nicht hielt, und warum man die Passersatzpapiere nicht wenigstens unter den lange bekannten richtigen Personalien beantragen ließ, um die Ausstellung der Papiere zu beschleunigen, ist unklar.
    Keine Kenntnis, welche Identität Amris die echte war

    Es habe zu diesem Zeitpunkt zwar festgestanden, dass Amri unter weiteren Identitäten registriert worden war, es sei ihnen jedoch nicht bekannt gewesen, welche davon die echte ist, sagte der Sprecher des Innenministeriums in Nordrhein-Westfalen dem stern.
    Erst durch die Mitteilung von Interpol Tunis im Oktober habe man zweifelsfrei erfahren, dass die wahre Identität Anis Amri lautet. Nachvollziehbar ist das nicht, schließlich saß das Innenministerium bei den “Gefährder-Sitzungen” im Terrorabwehrzentrum mit am Tisch

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    Terrorverdächtiger aus Neuss Ermittler finden keine Spur zu Anis Amri

    Ein Spezialeinsatzkommando nimmt im nordrhein-westfälischen Neuss einen 21-Jährigen fest, der unter Terrorverdacht steht. Doch Waffen oder Sprengstoff finden die Ermittler bei ihm nicht. Auch Beweise für die Anschlagsplanung fehlen bisher.

    FDP will Rücktritt von Innenminister Jäger: Amri hatte offenbar Kontakt zu V-Mann aus NRW

    Das Bundesinnenministerium hat zurzeit keine Hinweise, dass der Terrorverdächtige aus dem nordrhein-westfälischen Neuss in Kontakt mit dem Berliner Attentäter Anis Amri stand. Ein Sprecher von Innenminister Thomas de Maizière sagte, zwar liege ihm kein minütlich aktualisierter Erkenntnisstand vor, zudem gehe es um zwei laufende Ermittlungsverfahren. Basierend auf den damit verbundenen Einschränkungen könne er aber von möglichen Zusammenhängen nicht berichten.

    Amri hatte kurz vor Weihnachten auf einem Berliner Weihnachtsmarkt zwölf Menschen getötet. Gelebt hatte er zuvor hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen und galt vor allem in der dortigen Islamistenszene als gut vernetzt.

    Ein Spezialeinsatzkommando hatte den 21-Jährigen aus Neuss am Samstagabend in seiner Wohnung festgenommen. Beweise für den Terrorverdacht des jungen Mannes haben die Ermittler bisher allerdings nicht gefunden. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Düsseldorf sagte, bei der Polizeiaktion seien am Samstagabend weder Waffen noch Sprengstoff entdeckt worden. Derzeit würden die bei ihm beschlagnahmten Datenträger ausgewertet.

    Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass der 21-Jährige einem 17-Jährigen aus Wien bei der Vorbereitung eines Terroranschlags in Österreich geholfen hat. Der 17-Jährige war am Freitag in Wien festgenommen worden. Nach bisherigem Ermittlungsstand haben sich die beiden in islamistischen Foren sozialer Netzwerke kennengelernt. Im Dezember soll der Wiener Verdächtige zwei Wochen bei einem Bekannten in Neuss verbracht haben.

    Bei seiner Vernehmung habe der 21-Jährige nicht bestritten, eine islamistische Auffassung zu vertreten, sagte der Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft. “Er bestreitet aber, sich mit dem IS beschäftigt zu haben.” Im Rahmen der Ermittlungen soll sein Hintergrund ausgeleuchtet werden.

    Quelle: n-tv.de , chr/dpa/AFP

    Montag, 23. Januar 2017
    16.01.17 – 01:36 min

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    © n-tv.de

    Islamexperte kritisiert “Dramatisierung” durch Verfassungsschutz

    Die Verfassungsschützer warnen in ihrem Jahresbericht vor Anschlägen internationaler Terroristen in Deutschland. Die Gefahr wird in dem Papier jedoch übertrieben – moniert ein Islamwissenschaftler. Die Behörden bewerteten oft vorschnell.

    Berlin – Die deutschen Sicherheitsbehörden stellen nach Ansicht eines Experten die Bedrohung durch Islamisten zu drastisch dar. “Ich sehe die Gefahr, aber die Lage ist aus meiner Sicht dramatisiert”, sagte der Kulturwissenschaftler und Islam-Experte Werner Schiffauer. “Auch wenn man vereitelte Anschläge mit einbezieht, kann keine Rede davon sein, dass davon die größte Gefahr ausgeht.”

    Der aktuelle Verfassungsschutzbericht der Bundesregierung nennt den internationalen Terrorismus als eine der größten Bedrohungen für die innere Sicherheit in Deutschland.

    Das Phänomen des Salafismus werde zu undifferenziert betrachtet, sagte Schiffauer. “Der Verfassungsschutz kennt nur die Unterscheidung zwischen gewaltbereiten und politischen Salafisten”, sagte der Wissenschaftler der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). “Völlig vernachlässigt wird ein großer Teil, der zwar religiös sehr streng lebt, aber sich von jeglicher Politik fernhält und Gewalt ablehnt.”

    Auch im Bezug auf die sogenannten Syrien-Rückkehrer müsse klarer unterschieden werden. Zwar gebe es radikale Islamisten aus Deutschland, die im syrischen Bürgerkrieg im Namen der Terrororganisation Isis ihre Gewaltfantasien auslebten. “Viele, die dort hinreisen, sind aber nicht an Gewalt beteiligt, sondern versorgen vom Libanon oder der Türkei aus die Not leidende Bevölkerung.”

    Schiffauer stellt die Zahlen im Verfassungsschutzbericht infrage. Darin wird das “islamistische Personenpotenzial” in Deutschland aktuell mit gut 43.000 angegeben. “31.000 entfallen dabei auf die islamische Gemeinschaft Milli Görüs, der auch vom Verfassungsschutz bescheinigt wird, nie gewalttätig gewesen zu sein”, sagte Schiffauer.

    20. Juni 2014, 10:01 Uhr

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    © SPIEGEL ONLINE 2014

    Obskure Verbindung zwischen Spionagefällen

    Während das Weiße Haus erstmals seine Verstimmung über den deutschen Umgang mit der BND-Spitzelaffäre zum Ausdruck bringt, offenbart sich eine merkwürdige Verbindung der beiden Spionage-Fälle.

    Zwischen den Spionageverdachtsfällen im Bundesverteidigungsministerium und beim Bundesnachrichtendienst (BND) gibt es neuen Medienberichten zufolge einen Zusammenhang. (Link: http://www.sueddeutsche.de/politik/geheimdienst-affaere-in-deutschland-kuriose-verbindung-zwischen-spionagefaellen-1.2041674) Eine Anfrage des Verfassungsschutzes zum betroffenen Mitarbeiter des Ministeriums in Berlin sei ausgerechnet beim BND-Mann im bayerischen Pullach gelandet, der später wegen Spionage festgenommen wurde, berichteten die “Süddeutsche Zeitung” sowie der Norddeutsche und der Westdeutsche Rundfunk am Freitag. Weitere Einzelheiten zu den Umständen wurden nicht genannt.

    Der Verfassungsschutz hatte dem Bericht zufolge den Verdacht, dass der Ministeriumsmitarbeiter für Russland spionieren könnte. Dies habe sich aber offenbar später als falsch erwiesen. Der Mann, der beim BND in der Poststelle arbeitete, habe jedoch die Anfrage dem russischen Generalkonsulat in München geschickt – mutmaßlich um zu zeigen, welches Geheimmaterial er beschaffen könne.

    Beide Männer stehen im Verdacht, für die USA spioniert zu haben. Nach Bekanntwerden der Fälle reagierte die Bundesregierung am Donnerstag und forderte den Geheimdienstvertreter an der US-Botschaft in Berlin auf, das Land zu verlassen. Regierungssprecher Steffen Seibert rechnete am Freitag damit, dass er der Aufforderung nachkommen werde.

    Das Weiße Haus zeigt sich verstimmt

    Die US-Regierung hat Deutschland derweil aufgefordert, den Ärger über die Spionageaffäre intern zur Sprache zu bringen. Es sei nicht sinnvoll, das Thema durch die Medien zu diskutieren, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, am Freitag in Washington. “Alle Differenzen, die wir haben, sind am effektivsten über bestehende interne Kanäle zu lösen, nicht über die Medien.”

    Earnest kritisierte zwar nicht ausdrücklich Äußerungen der Bundesregierung, fügte aber hinzu, deshalb wolle sich die US-Regierung nicht öffentlich zu den Vorwürfen äußern. Präsident Barack Obama schätze den Wert der Zusammenarbeit zwischen deutschen und amerikanischen Geheimdiensten.

    Zugleich gab es in US-Medien am Freitag erstmals scharfe Kritik an den Reaktionen in Berlin. In einem Kommentar in der Zeitung “Wall Street Journal” war von “gekünstelter Empörung” die Rede. Deutschland wisse, dass auch befreundete Staaten sich gegenseitig ausspionieren.

    Hofreiter spricht von “Ablenkungsmanöver”

    Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat das Verhalten der Bundesregierung in der Spionageaffäre scharf kritisiert. Die Ausweisung des obersten US-Geheimdienstrepräsentanten sei “ein Ablenkungsmanöver”, sagte er der “Welt am Sonntag”.

    Die Bundesregierung spiele Empörung und gehe die tatsächlichen Probleme – die Massenüberwachung der Bürger – nicht an. Die Bundesregierung müsse dem früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, der die NSA-Abhöraffäre ausgelöst hatte, sicheren Aufenthalt gewähren, damit er in Deutschland gehört werden könne, forderte Hofreiter. Außerdem sei es “höchste Zeit, die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen sofort zu stoppen”.

    24. Jul. 2014, 13:57

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    Geheimdienst-Affäre in Deutschland Kuriose Verbindung zwischen Spionagefällen

    Die US-Spionage-Affäre erreicht die nächste Stufe: Der Verdacht gegen einen Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums landete beim BND – ausgerechnet auf dem Schreibtisch des Mannes, der später selbst überführt wurde.

    Zwischen den beiden Spionagefällen, die derzeit das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA belasten, gibt es einen kuriosen Zusammenhang. Der eine Fall betrifft einen Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums in Berlin, der andere einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Pullach. Bisher hatte es so ausgesehen, als seien die Fälle gar nicht miteinander verbunden.

    Das stimmt aber nicht. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR landete der Verdachtsfall aus dem Ministerium ausgerechnet auf dem Schreibtisch jenes BND-Mannes, der später selbst wegen Spionage verhaftet wurde.

    Der Verfassungsschutz hatte sich beim BND routinemäßig nach dem Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums erkundigt, weil es den Verdacht gab, dieser könnte für die Russen spionieren. Das hat sich später offenbar als falsch erwiesen. Der BND-Mann Markus R. jedoch soll die Anfrage, die der BND erhielt, dem russischen Generalkonsulat in München geschickt haben. Er wollte wohl zeigen, was er alles an Geheimmaterial beschaffen könnte. Denn R. soll zeitweise den Plan verfolgt haben, seine Dienste auch den Russen anzubieten, nachdem er zuvor bereits Material an die Amerikaner verraten haben soll. Der BND-Mitarbeiter Markus R. war über die US-Botschaft in Berlin in Kontakt zur CIA gekommen. Er hatte im Jahr 2012 eine E-Mail an die Botschaft geschickt. Daraufhin meldete sich bei ihm ein US-Nachrichtendienstler namens Craig. Botschafter war damals Philip Murphy, dessen Nachfolger, John B. Emerson, ist erst seit Sommer 2013 im Amt. Markus R. wurde Anfang Juli 2014 festgenommen und gestand dann seine Zusammenarbeit mit der CIA.

    Vor der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs zeigte er sich erleichtert, dass alles herausgekommen sei. Ein Psychiater soll als Sachverständiger ein Gutachten anfertigen. Er hat R. am Freitag erstmals im Gefängnis besucht. Es wird damit gerechnet, dass der Beschuldigte bald in ein bayerisches Gefängnis verlegt wird, da ihm vermutlich vor dem Oberlandesgericht München der Prozess gemacht werden soll. Der Anwalt des BND-Mannes, Klaus Schroth, sagte, sein Mandant sei “völlig überrascht” vom Ausmaß der Affäre.

    In der deutschen Politik ist die Empörung über die Amerikaner weiterhin groß. “Ich bin in gewisser Weise sprachlos”, sagte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) als Vorsitzender der Deutschen Atlantischen Gesellschaft.

    Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) will am Wochenende mit seinem US-Kollegen John Kerry sprechen. Die Partnerschaft mit den USA sei “trotz der Vorgänge der letzten Wochen, die beunruhigend waren”, ohne Alternative, sagte Steinmeier. Deutschland sei bereit, die Freundschaft “auf ehrlicher Grundlage” neu zu beleben.

    Frank-Walter Steinmeier Steinmeier zur BND-Spionageaffäre
    Steinmeier zur BND-Spionageaffäre
    “Wir wollen offenen Meinungsaustausch pflegen”
    Schon wieder US-Spionage in Deutschland. Aber zur Partnerschaft mit den USA gebe es trotz der Vorgänge keine Alternative, sagte Steinmeier.

    Die Bundesregierung hatte am Donnerstag den hiesigen Vertreter der US-Geheimdienste aufgefordert, Deutschland zu verlassen.

    Die US-Regierung reagierte verstimmt. “Differenzen” sollten nicht über die Medien ausgetragen werden, sagte ein Sprecher.

    11. Juli 2014 18:30

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    ‘Project 6’ CIA Spies Operating in the Heart of Germany (2013)

    For years, intelligence services from the US and Germany conducted a secret project on German soil. Together, they developed a counter-terrorism database — with even a journalist coming under suspicion.

    Neuss, near Düsseldorf, is one of Germany’s oldest cities. Schoolchildren are taught that the city dates back to the ancient Romans, who founded it in 16 B.C. Neuss was occupied by the French from 1794 to 1814, and by the British occupying force after World War II.

    What no one knew until now, however, is that a small, select group of Americans were also stationed in the city on the Rhine River until a few years ago. Working for the United States Central Intelligence Agency (CIA), they ran a project under a cloak of secrecy in an inconspicuous office building not far from the cobblestone streets of Neuss’ pedestrian zone. It was a joint project with two German intelligence agencies, the Federal Office for the Protection of the Constitution (BfV) and the Federal Intelligence Service (BND).

    The Neuss undercover agents referred to their operation as “Project 6” or just “P6,” and to this day only a few dozen German intelligence agents are even aware of the project. In 2005, as part of the fight against Islamist terrorism, the unit began developing a database containing personal information associated with what is believed to be thousands of people, including photos, license plate numbers, Internet search histories and telephone connection data. The information was intended to provide the intelligence agencies with a better understanding of the web of relationships among presumed jihadists.

    From Germany’s perspective, this raises the question of whether the US intelligence service, through its outpost in downtown Neuss, had direct access to data relating to German Islamists and their associates — that is, to data relating to uninvolved third parties.

    A Global Surveillance Network

    The secret German-American project shows that the National Security Agency (NSA), in its thirst for information, wasn’t the only US agency to establish a global surveillance network. In fact, Project 6 shows that the CIA also sought out strategic partners for the fight against terrorism after the attacks of Sept. 11, 2001.

    With the bombing attacks in Madrid in 2004 and London in 2005 still fresh in their memories, the Germans didn’t want to close their minds to the Americans’ request. The Interior Ministry actively pursued cooperation, especially with US agencies. Then Interior Ministry state secretary August Hanning, who had previously headed the BND, sent a BfV go-between to Washington.

    In keeping with this logic, the BND and the BfV still believe today that their clandestine database in the city on the Rhine was a legally flawless project. Some domestic and legal policy experts, when confronted with the basic elements of P6, are not quite as convinced, calling the P6 project a legal gray area.

    The Neuss group, which operated under the aegis of then BfV President Heinz Fromm, was established on the initiative of the Americans, insiders say today. “The issue at the time was that we weren’t cooperating with the Americans enough, whereas today we’re accused of cooperating too much,” says an intelligence agent familiar with the Neuss project. According to the agent, when the Americans presented the idea for the project to the Germans, they pointed out that it had already been introduced in other countries and was going very well. The CIA provided the computers and software that made up the core of the operation.

    Identifying Potential Jihadist Informants

    The software, a program called “PX,” was designed to enable the spies to gain a better understanding of the environment in which presumed supporters of terrorism operated. The primary purpose of the information was apparently to identify potential informants in the jihadist community and approach them in a more targeted manner and with more prior knowledge. An insider explains that PX was never connected online, but instead was consistently treated as a self-contained unit within the network of agencies.

    A series of events in 2010 exemplify the work of the group, which moved from Neuss to the BfV’s Cologne headquarters after several years. In a letter dated May 6, 2010 and classified as “secret,” the Americans requested information from the P6 analysts. They wanted a list of contacts Yemeni terrorists had in Germany. The CIA request was titled: “Potential operational targets for Project 6 — German telephone numbers lined to Yemeni numbers associated with al-Qaida in the Arabian Peninsula.”

    The letter included a request to identify 17 German phone numbers that had been used to contact the “suspicious” Yemeni numbers. “If possible, our agency would appreciate any dates of birth, or passport information, your servers may be able to obtain for the subscribers of the German phones,” the CIA request read.

    And the Germans delivered. “Our agency greatly appreciates your Service’s information on the subscribers of German telephones found possibly associated with AQAP [al-Qaida on the Arabian Peninsula]-related Yemeni numbers,” the Americans wrote effusively on June 29, 2010.

    Letter of the Law Not Always Applied

    The American search request suggests that the letter of the law is not always applied in the war on terror. Among the individuals identified by the intelligence agencies was Stefan Buchen, a journalist with North German Broadcasting (NDR). As the CIA agents wrote in their letter, Buchen’s telephone number had been “identified due to its association with Abdul Majeed al-Zindani,” a radical cleric in Yemen who the United States believed was a key supporter of former al-Qaida leader Osama bin Laden.
    The Americans do not describe what exactly the reporter’s “association” to the red-bearded Islamist was. But even if there was such an association, it should be relatively easy to explain. The NDR journalist has been conducting research in Arab countries for many years. He was in Yemen in 2010 to track down two Germans who young Muslims from Germany had been instructed to smuggle into radical Koran schools in Yemen. Buchen was doing his research into the isolated environment of Islamists, canvassing their mosques in the capital Sana’a. In the end, he did manage to find one of the two men.

    Buchen was a “journalist from Hamburg who specializes in investigative journalism on terrorism,” the CIA officials claimed, including his passport number and date of birth in their letter. They also wrote that “our agency believes Buchen may have visited Afghanistan multiple times in the past five years.”

    The BfV, which considers its collaboration with other agencies to be “in need of secrecy,” assures that such projects are conducted “exclusively on the basis of the provisions of German law.” At least the BND confirms the existence of P6, but it also notes that the cooperative venture ended in 2010. It was “not a project to monitor telecommunications traffic,” and the German agencies had consistently acted “on the basis of their legal authority.”

    ‘Significant Security Interests’

    In fact, Section 19 of the German Act on the Protection of the Constitution prohibits the release of personal data to foreign agencies, even if they can claim “significant security interests.” But the law also states that the intelligence service requires a so-called file order “for every automated file.” In addition, before such an order can come into effect, the Federal Commissioner for Data Protection and Freedom of Information must be consulted.

    Peter Schaar, who has held this office for almost 10 years, is unaware of any of this. “I have no knowledge of such a database, nor was any of this reported to me in the context of a file order,” says Germany’s top data privacy official. If the database had been declared, he adds, he would probably have objected. In Schaar’s opinion, a construct like P6 is “at least comparable with the counter-terrorism file,” a collection of data about suspicious terrorist structures, to which dozens of German government agencies have had access since 2007. “Anyone who conducts such a project would certainly have to guarantee that all activities are fully documented and subjected to a data privacy review,” says Schaar.

    Another supervisory body was also seemingly kept in the dark about Project 6. Several longstanding members of the parliamentary control committee of the German parliament, the Bundestag, cannot recall having been informed about a jointly organized exchange of data involving the BfV, the BND and the CIA — neither in Neuss nor in any other secret location. By law, the German government is required to inform the committee about “events of special importance” — a phrase that remains open to interpretation.

    A Productive German-American Collaboration

    Security experts among the opposition, at any rate, are irritated. The committee has met several times since the NSA affair began, and representatives of the government and the intelligence services were repeatedly asked about the nature and scope of cooperation with the Americans and British. However, the term “P6” was never mentioned. “The administration should have informed us about this, at least within the last three months,” says Left Party politician Steffen Bockhahn, “if this isn’t an especially important procedure, what then?”

    Even the termination of Project 6 has had no effect on the productive German-American collaboration. Last year, the BfV alone sent 864 data sets to the CIA, NSA and seven other US intelligence agencies.

    They returned the favor in the same year by sending the Germans information on 1,830 occasions. It included communications data, which the Americans had intercepted in the arenas of global jihad and, with the help of the BND, forwarded to the German domestic intelligence service. The BfV stores relevant telephone data in a state-of-the-art IT system. A program called Nadis WN, created in June 2012, is accessible to the BfV and its 16 state agencies.

    The functions of the P6 software are apparently also integrated into this program. Officially, no one on the German side knows what happened to the data from the project that was sent from the United States.

    BY MATTHIAS GEBAUER, HUBERT GUDE, VEIT MEDICK, JÖRG SCHINDLER and FIDELIUS SCHMID
    09/09/2013 06:22 PM
    Translated from the German by Christopher Sultan

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    © SPIEGEL ONLINE 2013

    „Projekt 6“: Geheimes Spionageprogramm von CIA, BND und Verfassungsschutz (2013)

    Der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) haben unter dem Namen „Projekt 6“ oder kurz „P6“ in Deutschland über Jahre hinweg gemeinsam mit der amerikanischen CIA ein Überwachungsprogramm betrieben. Nach Angaben des Verfassungsschutzes existierte die Einheit von 2005 bis 2010.
    Wie das Magazin Der Spiegel berichtet, operierten die CIA-Agenten und ihre deutschen Kollegen aus einer getarnten Wohnung im rheinischen Neuss heraus. Zentrum des Projekts war nach Angaben des Spiegel eine gemeinsame Datenbank mit dem Namen „PX“. Darin sollen offiziell Informationen über mutmaßliche Islamisten und deren Umfeld gesammelt worden sein, die unter Terrorverdacht standen.
    Über die Art der Informationen, den Umfang der Datenbank und die Kriterien, nach denen Personen aufgenommen wurden, gibt es keine konkreten Anhaltspunkte. Auch ob die Datenbank weiterhin existiert, geht aus den Stellungnahmen der Geheimdienste nicht hervor.
    Der Fall des Journalisten Stefan Buchen zeigt aber, dass jeder ins Fadenkreuz von „P6“ kommen konnte, der Reisen an ungewöhnliche Orte unternimmt, fremde Sprachen spricht oder einfach mit den „falschen Leuten“ telefoniert. Buchen steht auf einer Liste mutmaßlicher Dschihadisten und Terrorverdächtiger, die die CIA im Jahr 2010 an die deutschen Geheimdienste weiterreichte.
    Auf der Liste finden sich Buchens Passnummer, sein Geburtsdatum und seine Mobilfunknummer. Weiterhin vermerkt der Eintrag, Buchen habe mehrfach Afghanistan bereist und sei auf investigativen Journalismus spezialisiert. Der Reporter des Norddeutschen Rundfunks (NDR) war ins Visier der Geheimdienste geraten, nachdem er im Rahmen seiner Arbeit mehrmals in den Jemen telefoniert hatte.
    Unklar ist bisher noch, ob die deutschen Geheimdienste dem Ersuchen der CIA nach weiteren Informationen über Buchen nachkamen. Angesichts der engen Zusammenarbeit der Dienste, die durch die NSA-Affäre bekannt wurde, ist aber anzunehmen, dass sie dabei keine Skrupel hatten.
    Buchen selbst sagt, er habe „schon immer befürchtet“, dass er wie auch andere Kollegen auf Grund beruflicher Recherchen „auf den Radar der Dienste gerate“. Wie weit die Geheimdienste dabei tatsächlich gehen, hat er aber offenbar unterschätzt: „Dass man uns Journalisten so offen bespitzelt, ist schockierend.“
    Der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar, geht davon aus, dass Journalisten trotz rechtlichem Schutz öfter ins Visier der Geheimdienste geraten. Er sagte dem ARD-Morgenmagazin: „So was kann ganz schnell passieren, wenn man in bestimmten Bereichen sich aufhält, wenn man mit bestimmten Leuten spricht, an bestimmten Orten ist, wo sich gegebenenfalls Terroristen oder Terrorverdächtige aufhalten, dass man dann in eine Datei kommt bzw. jedenfalls ins Blickfeld von Nachrichtendiensten.“
    Er selbst habe von der Datenbank nichts gewusst, obwohl ihm eigentlich jede Einrichtung einer Datenbank mit automatisierter Datenverarbeitung durch staatliche Behörden gemeldet werden müsse, sagte Schaar. „Mir ist eine solche Datenbank nicht bekannt und auch nicht im Rahmen einer Dateianordnung gemeldet worden.“
    Auch mehrere Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG), das für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig ist, sagen, sie seien nicht über das „Projekt 6“ unterrichtet worden. Bundesregierung und Verfassungsschutz behaupten allerdings, das PKG sei bereits früher über die Tätigkeit von „Projekt 6“ informiert worden. Auch im Zuge der jüngsten NSA-Affäre sei „P6“ noch einmal erwähnt worden.
    Die widersprüchlichen Behauptungen lassen nur zwei Schlüsse zu: Entweder hatten die Geheimdienste tatsächlich weder den Datenschutzbeauftragten noch das PKG über das „Projekt 6“ unterrichtet und handelten außerhalb jeglicher Kontrolle. Oder das PKG wusste Bescheid und vertuscht dies nun, weil es sonst als scheindemokratischer Deckmantel der staatlichen Spitzelei dasteht.
    Verschiedene Medien bringen das „Projekt 6“ mit der sogenannten „Sauerland-Gruppe“ in Verbindung. Dabei handelte es sich um vier Islamisten, die wegen versuchter Bombenanschläge inzwischen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind. Die Gruppe war im September 2007 von der Polizei festgesetzt worden, nachdem sie über Monate hinweg direkt unter den Augen der Sicherheitsbehörden agiert hatte. Nun stellt sich heraus, dass die CIA nicht nur den Hinweis auf die Gruppe gegeben hatte, sondern auch selbst auf deutschem Boden gegen sie tätig war.
    Das Magazin Focus hatte bereits Ende Juni über ein CIA-Kommando berichtet, dass sich vor Jahren im Gebäude der Sparkasse Neuss eingerichtet habe. Ende 2006 seien mehrere Dutzend Spezialisten aus der US-Geheimdienstzentrale nach Deutschland eingeflogen worden. Darunter hätten sich auch nahkampferprobte Ex-Soldaten der Navy Seals befunden.
    Bis heute gilt das Umfeld der „Sauerland-Gruppe“ als höchst dubios. Der Mann, der die Zünder für die geplanten Attentate lieferte, soll Kontaktmann des türkischen Geheimdienstes MIT gewesen sein, berichtete seinerzeit der Stern. Für die Radikalisierung der Gruppe war der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge vor allem ein muslimischer Prediger aus Neu-Ulm verantwortlich, der mehr als sieben Jahre lang V-Mann des baden-württembergischen Verfassungsschutzes gewesen sein soll.
    Beachtlich ist auch, dass vor der Festnahme des Quartetts im sauerländischen Oberschledorn Hunderte von Polizeibeamten und Staatsschützern monatelang jeden Schritt der Islamisten verfolgt hatten, aber erst in angeblich letzter Minute eingriffen, um ein Attentat zu verhindern. Die Festnahme der „Sauerland-Gruppe“ wurde anschließend von Politik und Medien massiv genutzt, um für stärkere Sicherheitsgesetze und die Aufrüstung von Polizei und Geheimdiensten zu werben.
    Die Enthüllungen über „Projekt 6“ reihen sich in die massive Aufrüstung von Polizei und Geheimdiensten ein, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 einsetzte. Die in der Verfassung verankerte Trennung von Polizei und Geheimdiensten, eine Lehre aus der Schreckensherrschaft der Gestapo, ist inzwischen weitgehend aufgehoben worden. In einem gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) arbeiten die Mitarbeiter von über 40 Sicherheitsbehörden eng zusammen. Das Bundeskriminalamt ist mit geheimdienstlichen Befugnissen ausgestattet worden und agiert außerhalb jeglicher Kontrolle.
    Zugleich hat Deutschland die Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten anderer Großmächte verstärkt. Das belegen nicht zuletzt die Enthüllungen von Edward Snowden. Bei allen nationalen Gegensätzen und Interessenskonflikten sind sich die herrschenden Klassen weltweit einig, dass jede Opposition gegen Sozialabbau und imperialistische Kriege kontrolliert und wenn nötig verfolgt und unterdrückt werden muss.

    Von Sven Heymanns
    13. September 2013

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    Verfassungsschutz weitet Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten aus

    Trotz der Snowden-Affäre intensiviert der deutsche Verfassungsschutz laut Recherchen von SZ, NDR und WDR die Zusammenarbeit mit US-Nachrichtendiensten wie CIA und NSA. Die Zahl der an die Amerikaner übermittelten Datensätze hat sich in den vergangenen Jahren demnach verfünffacht.

    Der Verfassungsschutz hat seine Zusammenarbeit mit amerikanischen Geheimdiensten in den vergangenen Jahren ausgebaut – und sich dabei offenbar auch von den Snowden-Enthüllungen nicht bremsen lassen. Wie aus geheimen Regierungsdokumenten hervorgeht, die SZ, WDR und NDR einsehen konnten, ist die Zahl der Datensätze, die der Verfassungsschutz an US-Dienste übermittelt hat, erheblich gestiegen. Im Jahr 2013 schickte der Verfassungsschutz 1163 Datensätze an die Amerikaner. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es bereits etwa 400. In den vergangenen vier Jahren hat sich die Zahl damit fast verfünffacht. Bei den übermittelten Daten soll es sich unter anderem um Handynummern, Reisebewegungen und Aufenthaltsorte verdächtiger Personen handeln.

    Das Pikante daran: Der Verfassungsschutz ist Deutschlands Inlandsgeheimdienst, er arbeitet also nur auf deutschem Boden. Es liegt also nahe, dass der Dienst in Deutschland erhobene Daten an die Amerikaner weitergibt. Das Ganze ist Teil eines großen Tauschgeschäfts unter “befreundeten Diensten”: Deutschlands In- und Auslandsgeheimdienste, also der Verfassungsschutz sowie der Bundesnachrichtendienst, leiten Daten an die Amerikaner weiter und bekommen im Gegenzug dann Informationen von CIA, NSA und Co. Der Verfassungsschutz erklärte auf Anfrage, mit US-Nachrichtendiensten zusammenzuarbeiten. Man halte sich dabei strikt an die gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse.

    Nach Informationen von SZ, NDR und WDR übermittelte der Inlandsgeheimdienst zuletzt Informationen an die Nachrichtendienste des US-Heeres und der Luftwaffe sowie an die Bundespolizei FBI. Die meisten Daten gingen aber an die CIA und das Joint Issues Staff, womit die CIA-Dependencen im Ausland gemeint sind. Im Falle Deutschlands wären das vor allem die Stützpunkte in der Berliner Botschaft und dem Generalkonsulat in Frankfurt. Dort sitzt auch der Special Collection Service: jene Spezialeinheit von CIA und NSA, die das Handy von Angela Merkel ausgespäht haben soll.

    Fokus auf Spione aus China und Russland
    Mit den Ausspähungen der Amerikaner beschäftigt sich derzeit ein Untersuchungsausschuss, zudem ermittelt der Generalbundesanwalt. Diese ausländische Spionage in Deutschland zu verhindern, ist eigentlich Aufgabe des Verfassungsschutzes. Der blickt aber fast ausschließlich auf die Spione von Staaten wie China und Russland. Es existiert zwar ein Plan, künftig auch das Treiben der Briten und Amerikaner besser im Auge zu behalten, er wurde vor einigen Monaten auch im Bundeskanzleramt vorgestellt. Bislang ist dem Vernehmen nach aber noch keine Entscheidung gefallen.

    Es ist derzeit nicht zu erwarten, dass die Regierung dem Plan zustimmt. Er würde die Verfassungsschützer vor eine schwierige Aufgabe stellen: Sie müssten Dienste beobachten, auf deren Informationen sie angewiesen sind. Allein der Inlandsgeheimdienst bekommt jedes Jahr mehr als 1000 Datensätze von den Amerikanern, beim Bundesnachrichtendienst sind es sogar etwa 100 000 Datensätze. Außerdem nutzt der BND die NSA-Spionagesoftware XKeyscore. Der Verfassungsschutz besitzt eine Testversion des Programms.

    11. Juni 2014 18:21 Spionage
    Von John Goetz und Frederik Obermaier

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    ‘Everyday Racism’; Turkish Community Responds to NSU Report

    The Turkish Community in Germany has published a report responding to a series of racist murders authorities failed to detect for years. The paper is intended to complement recommendations put forward by a parliamentary committee.

    In response to recommendations published last week by a committee in the Bundestag, Germany’s federal parliament, the Turkish Community in Germany (TGD) has put out its own report on the crimes of the National Socialist Underground (NSU) — the murderous neo-Nazi terrorist cell uncovered nearly two years ago.

    The 80-page report, presented by TGD chairman Kenan Kolat at a Berlin press conference on Tuesday, calls for Germans to develop “a new sensitivity for hidden forms of everyday prejudice”. It also advocates a complete overhaul of the country’s domestic security operations.

    The NSU is believed to have committed 10 murders between 2000 and 2007, and eight of the victims were of Turkish origin. Rather than looking into racial motivations for the murders, police in a number of the slayings immediately suspected the victims were involved in organized crime and drug trafficking.

    Time For Change

    The TGD report, which was researched and co-authored by Hajo Funke — a well-known political scientist with a focus on right-wing extremism in Germany — suggests a fundamental overhaul of the country’s domestic security operations is necessary.

    It recommends that the Federal Office for the Protection of the Constitution — the body tasked with gathering intelligence on racially motivated crimes in Germany — be disbanded. A new, independent and fully financed investigative body, as well as a series of new recruits with fresh ideas would be the only way to institute change, said Kolat.

    Also notable among the Turkish Community’s recommendations is a proposed ban on racial profiling by police and other security officials, the elimination of the government’s large network of undercover informants within the far-right scene and the introduction of a permanent parliamentary committee tasked with overseeing racially motivated crime investigations. The report also suggests erecting a memorial site in the German capital to commemorate the victims.

    An Institutional Problem

    The news comes in response to a report issued last week by a committee of German lawmakers, detailing how members of the NSU were able to commit dozens of crimes without arousing the suspicion of law enforcement.

    The report, which lays out 47 recommendations on how to improve the German state security system, has been heavily criticized. In addition to the fact that its suggestions are non-binding, critics also argue they would be difficult to implement on a nationwide basis. In Germany’s decentralized system of federal states, any kind of affirmative action program would face immense challenges.

    The report also came under fire from lawyers representing the families of those murdered by the NSU for not addressing what they view as the “decisive problem” in the investigation into the slayings — namely “institutional racism” within the German police and government authorities. Sebastian Edathy, chairman of the parliamentary committee with the center-left Social Democratic Party (SPD), was quick to dismiss the criticism. “I wouldn’t refer to it as institutional racism,” he said in an interview with the Frankfurter Allgemeine Zeitung newspaper last week. “There were isolated cases of racists in our police force who do not belong there.”

    ‘Structural Racial Prejudices’

    Although the Bundestag report does include one recommendation stating that “German society is diverse — and that this diversity should be reflected by the police authorities, who must also be able to competently deal with this diversity,” it does not make any explicit mention of the possibility of institutionalized racism within the police or government agencies. The only such comments come at the end of the report, where individual political parties provided responses.

    Neither Merkel’s conservative Christian Democrats, her government’s junior coalition partner, the Free Democratic Party, nor the Green Party said anything in the report on the possibility of institutionalized racism. However, the opposition SPD and Left Party both commented extensively on the phenomenon — at least as it pertains to the NSU investigation.

    The SPD wrote that “structural racial prejudices had been a major cause of the lack of openness in the investigation into the murders and bombing attacks committed by the NSU.” The party also lamented “prejudiced routines in the police’s work” that led to “routine prejudicial structures against people with immigrant backgrounds,” although the party said it was a “structural” rather than intentional problem. Such routines, it said, were often racist. The Left Party lamented that “structural and institutional racism had been a trait of the” police work relating to the NSU series of murders. The Green Party does, however, call in the report for regular “anti-racism training” for police, prosecutors and judges.

    Kenan Kolat, meanwhile, has been more explicit in his assertions. The aim of the Turkish Community’s efforts, Kolat said at Tuesday’s press conference, was to eliminate “everyday racism, which also exists within institutions.”

    08/28/2013 04:38 PM

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    © SPIEGEL ONLINE 2013

    Neonazi Kai-Uwe Trinkaus; Der V-Mann und die Brandstifter

    Der Thüringer Verfassungsschutz setzte den Neonazi Kai-Uwe Trinkaus als Informanten ein – und verstieß damit einem Gutachten zufolge massiv gegen Dienstvorschriften. Und dann kündigte der ehemalige NPD-Spitzenfunktionär einen Gewaltakt an. Doch niemand reagierte.

    Kai-Uwe Trinkaus bot seine Dienste selbst an. Der berüchtigte Neonazi und NPD-Funktionär rief am 31. Mai 2006 beim Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz an und sagte, er wäre bereit, Informationen aus der Szene und der Partei auszuplaudern. Der Geheimdienst zögerte nicht lange: Es gab Gespräche und Stichproben und ab dem 8. März 2007 bekam Trinkaus den Namen “Ares” verpasst und wurde offiziell als Quelle des Verfassungsschutzes geführt – für 1000 Euro im Monat, wie Trinkaus behauptet. Für 41 Berichte soll er 16.200 Euro erhalten haben. Mit dem Geld habe er Aktivitäten der NPD bezahlt, später wechselte er zur DVU.

    Trinkaus als Spitzel einzukaufen war ein Fehler – zu dem Ergebnis kommt das sogenannte Engel-Gutachten. Norbert Engel, ehemaliger Abteilungsleiter im Thüringer Landtag, hat seit Beginn des Jahres die Affäre Trinkaus im Auftrag der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) untersucht. Sein 80-seitiges Gutachten wurde nun nach Informationen von MDR Thüringen am Dienstag hinter verschlossenen Türen in einer geheimen PKK-Sitzung vorgelegt. Es belegt schwere Versäumnisse von Geheimdienst und der Fachaufsicht im Thüringer Innenministerium.

    Demnach hatten die Verfassungsschützer von Trinkaus’ vormaligen politischen Aktivitäten keinen blassen Schimmer: “Dies gilt insbesondere, weil klar sein musste, dass aufgrund seines politischen Werdegangs Herr Trinkaus persönliche Kontakte zu führenden Mitgliedern der Linkspartei.PDS hatte. Obwohl solche Kontakte für die Zuverlässigkeit zur Verwendung als V-Mann von hoher Bedeutung sind, wurde […] nach ihnen nicht einmal gefragt.” Engels Fazit an dieser Stelle: Ein ehemaliger Funktionär der Linkspartei, der in die NPD wechselte und sich selbst beim Verfassungsschutz anbietet, hätte nicht als V-Mann eingesetzt werden dürfen.

    Die Behörde hat laut Gutachter damals unter großem Druck gestanden: Eine weitere Quelle im Bereich der NPD – besonders im regionalen Bereich von Erfurt und Mittelthüringen – sei “unbedingt” nötig gewesen, “lieber ein problematischer Zugang als gar keine Quelle”.

    Und offensichtlich galt auch: lieber viele Informationen als gute. Denn laut Engel hat Trinkaus dem Verfassungsschutz zwar eine “beachtliche” Menge an Informationen gegeben, diese seien jedoch nicht so profund gewesen, dass sie die Nachteile der “Verwendung von Herrn Trinkaus gerechtfertigt hätten”. Das sei vor allem darauf zurückzuführen, dass Trinkaus nie in den wirklich vertraulichen Runden des Landesvorstandes der Thüringer NPD mitgemischt habe.

    Wer legte Feuer im Haus “Topf & Söhne” in Erfurt?

    Einmal habe Trinkaus eine Aktion von gewaltbereiten Neonazis verraten: Einen Angriff auf das besetzte Haus “Topf & Söhne” in Erfurt. Laut den Bewohnern legten Brandstifter im April 2007 in dem Gebäude Feuer, etwa 40 Menschen hielten sich zu dem Zeitpunkt darin auf. Bis heute wurden keine Täter ermittelt.

    Damals spekulierten die Besetzer über einen rechtsextremen Hintergrund der Tat – Tattag war der Geburtstag Adolf Hitlers. Trinkaus soll laut Mitgliedern des Ausschusses seinem V-Mann-Führer berichtet haben, dass Neonazis einen Angriff auf das Hausprojekt gemeinsam mit sächsischen Kameraden trainierten. Ob vor oder nach der Tat, ist unklar. Aus weiteren Unterlagen, die dem Ausschuss vorliegen, finden sich keine Hinweise über die Weitergabe dieser Informationen an das Landeskriminalamt (LKA) oder die örtliche Polizei.

    Dabei soll Trinkaus auch davon gesprochen haben, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass das Gebäude abgebrannt werde, wie SPIEGEL ONLINE von Ausschussmitgliedern erfuhr. Damals erlosch das Feuer von selbst, es gab keine Verletzten.

    Trinkaus ging auf in seinem Doppelleben als Neonazi und V-Mann: Er gründete oder unterwanderte Vereine, die nach außen hin unscheinbar wirkten, in denen sich aber tatsächlich Rechtsextremisten organisierten. Laut Gutachten hatte der Thüringer Verfassungsschutz auch davon keine oder nur ansatzweise Ahnung.

    Auch habe Trinkaus die Anweisung seiner V-Mann-Führer, Provokationen gegenüber der Linkspartei und anderen politischen Parteien zu unterlassen, ignoriert. Erst im September 2010 wurde Trinkaus abgeschaltet, als durch einen MDR-Bericht bekannt geworden war, dass Trinkaus einen getarnten Neonazi als Praktikanten in die Linksfraktion eingeschleust hatte.

    Gab der Verfassungsschutz Interna an Trinkaus weiter?

    Trinkaus’ doppeltes Spiel sei “einmalig” im Verfassungsschutz, resümiert Engel. Ermöglicht habe dies auch die mangelnde Kontrolle des zuständigen Referats im Verfassungsschutz. Der Grund: Der verantwortliche Mitarbeiter war ein Jahr lang krank, Ersatz für ihn gab es keinen.

    Engels Vorwürfe richten sich auch gegen das Thüringer Innenministerium, dem die Fachaufsicht für den Verfassungsschutz untergeordnet ist. Das Verhalten des Innenministeriums sei “nicht akzeptabel”. Der damalige Abteilungsleiter ist der heutige Innenstaatssekretär Bernhard Rieder, der von Beginn an in den kompletten Fall Trinkaus eingebunden war. Aber auch der damalige Innenminister Karl-Heinz Gasser soll informiert gewesen sein: Die Informationen erhielt er vom ehemaligen Verfassungsschutzchef Thomas Sippel.

    Das Gutachten rückt den Thüringer Verfassungsschutz zudem in den Verdacht, Trinkaus mit polizeilichen Ermittlungsunterlagen versorgt zu haben: Im Juni 2007 hatten Linksautonome einen Neonazi-Treff in Erfurt überfallen. Die interne Polizeiliste mit den Namen und Adressen der Verdächtigen tauchte im Oktober 2007 auf der Internetseite der Thüringer NPD auf.

    Laut Engel deuten “gewisse Indizien” darauf hin, dass Trinkaus die Liste aus dem Thüringer Verfassungsschutz bekommen hat. Engel hatte die Originalliste der Polizei mit der damaligen Internetveröffentlichung verglichen. Dabei stellte er fest, dass auf der NPD-Homepage drei Namen fehlten. Laut Gutachten waren diese drei Personen in einer geheimen Datenbank des Verfassungsschutzes als Rechtsextremisten eingestuft. Die Einstufung sei nur dem Geheimdienst bekannt gewesen. Weil exakt diese drei Namen auf der NPD-Internetseite fehlten, kommt Engel zu dem Schluss, das Trinkaus “diese Information nur aus dem TLfV haben” konnte.

    Trinkaus hatte bei seiner Enttarnung im Dezember 2012 MDR Thüringen gesagt, dass er die Liste von seinem V-Mann-Führer abgeschrieben habe. Der Verfassungsschutz bestreitet entschieden, die Namen an Trinkaus gegeben zu haben. Die Staatsanwaltschaft Erfurt hatte erfolglos versucht zu klären, wie die Liste auf die NPD-Internetseite gekommen war.

    27. August 2013, 19:08 Uhr
    Von Maik Baumgärtner und Julia Jüttner

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    © SPIEGEL ONLINE 2013

    Prozess in München; Hat ein V-Mann den NSU radikalisiert?

    Überraschung im NSU-Prozess: Wenn Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mit Weggefährten über den Einsatz von Gewalt diskutierten, war ein V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes dabei. Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass Tino Brandt zu denen gehörte, die Gewalt befürworteten.
    Aus dem Gericht von Annette Ramelsberger

    Möglicherweise hat ein V-Mann des Verfassungsschutzes die Mitglieder des NSU überhaupt erst in die Gewalt getrieben. Wie nun überraschend im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht in München bekannt wurde, hat Tino Brandt, der langjährige V-Mann des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz in der rechten Szene, mitdiskutiert, wenn Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mit ihren Weggefährten in den neunziger Jahren darüber redeten, ob man Gewalt anwenden müsse oder nicht. Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass Brandt zu denen gehörte, die Gewalt befürworteten.

    Bisher war nur bekannt gewesen, dass es solche Diskussionen zwischen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt auf der einen und dem früheren NPD-Funktionär Ralf Wohlleben und dem wegen Beihilfe angeklagten Holger G. auf der anderen Seite gab. Dass Brandt bei diesen Debatten dabei war, davon war bisher nie die Rede gewesen. Ein BKA-Beamter sagte nun vor Gericht: “Wir sind davon ausgegangen, dass Tino Brandt auf der Seite der Gewalt war.”

    Holger G. habe immer nur betont, wer nicht für Gewalt gewesen sei – nämlich er selbst und der Mitangeklagte Wohlleben. Die anderen seien für Gewalt gewesen. Im Umkehrschluss ging das BKA davon aus, dass Brandt auch zu denen gehörte, die Gewalt befürworteten.

    Herausgearbeitet hat diesen Zusammenhang die Anwältin von Ralf Wohlleben. Der Verteidigung ist daran gelegen, den Einfluss des Staates auf die Szene deutlich zu machen. Brandt gilt dabei als Dreh- und Angelpunkt. Er hat quasi im Auftrag des Staates den Thüringer Heimatschutz, ein rechtsradikales Sammelbecken, gegründet – und sich damit gebrüstet, seinen Spitzellohn für den Aufbau rechter Netzwerke verwendet zu haben.

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    Wenn er nun auch noch zur Radikalisierung der mutmaßlichen NSU-Mitglieder beigetragen hat, könnte sich das auf die Bewertung der Schuld der Angeklagten und auf das Strafmaß auswirken.

    Bundesanwalt Herbert Diemer bestätigte am Abend am Rande des Prozesses, dass es eine Stelle in den Vernehmungen von Holger G. gibt, wo der Angeklagte darauf hinweist, dass der später als V-Mann enttarnte Brandt bei den Theoriedebatten des rechten Zirkels über Gewalt dabei war. Allerdings wertete die Bundesanwaltschaft diesen Hinweis nicht als Beitrag des V-Manns zur Radikalisierung der Gruppe. “Nach unseren bisherigen Ermittlungen gib es keine Anhaltspunkte, dass Brandt die drei radikalisiert oder unterstützt hat. Wäre es so, dann säße er hier auf der Anklagebank”, sagte Bundesanwalt Diemer.

    Annette Ramelsberger
    18. Juli 2013 17:17

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    © 2013 Süddeutsche.de

    Döner-Morde: Aufklärung verhindert; Offenbar hat ein Informant angeboten, die Tatwaffe der „Döner-Morde“ zu liefern. Weil die Ermittler seine Bedingungen nicht akzeptierten, soll er untergetaucht sein.

    Eine mit der Mordwaffe baugleiche Pistole wird im Polizeipräsidium in Dortmund vor eine Bilderwand mit den Porträts von Opfern einer deutschlandweiten Mordserie, der so genannten Döner- Morde

    Der Schlüssel zu einer der unheimlichsten Mordserien Deutschlands ist eine tschechische Pistole, Marke Ceska, Typ 83, Kaliber 7,65 Millimeter. Mit dieser Waffe wurden von 2000 bis 2006 neun Männer umgebracht. Der Münchner Gemüsehändler Habil K. zum Beispiel. Oder die beiden Nürnberger Opfer: Enver S., ein Blumenhändler, und Ismayl Y., Inhaber einer Dönerbude. Zuletzt wurde im April 2006 der 21-jährige Betreiber eines Internetcafés in Kassel erschossen. Acht der Opfer waren Türken, eines ein Grieche, sie alle wurden in ihren kleinen Läden erschossen, mitten ins Gesicht, am helllichten Tag.

    Warum sie sterben mussten, ist ungeklärt. Möglicherweise sind kriminelle Geschäfte der Hintergrund. Die Soko „Bosporus“, die ihren Sitz in Nürnberg hatte, ist inzwischen aufgelöst – endgültig zu den Akten sind die Fälle aber noch nicht gelegt. Jetzt waren die Ermittler offenbar ganz nah dran, die sogenannten Döner-Morde aufzuklären – doch laut einem „Spiegel“-Bericht hat die Staatsanwaltschaft einen wichtigen Informanten verprellt.

    Wie das Magazin in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, hatte ein Mann Ende 20 den Ermittlern angeboten, die mögliche Mordwaffe zu liefern. Der Informant namens Mehmet stamme aus dem Milieu mafiöser türkischer Nationalisten und arbeite seit längerem mit dem Verfassungsschutz zusammen – auch, um aus der Organisation auszusteigen. Mehmet, so schreibt der „Spiegel“, wollte die Ermittler zu einer Schweizer Villa nahe des Bodensees führen, „hinter deren Mauern sich angeblich der Schlüssel zur Lösung“ verberge. Tatsächlich gehen die Ermittler davon aus, dass die Tatwaffe in den Döner-Morden zu einer Lieferung von 24 Pistolen desselben Typs gehörte, die 1993 von dem tschechischen Hersteller an einen Schweizer Waffenimporteur verschickt wurde. Die meisten Pistolen aus dieser Lieferung konnten die Beamten aufspüren und als Tatwaffe ausschließen. Bis Frühjahr dieses Jahres waren acht Waffen noch nicht auffindbar.

    Der Informant hatte also eine heiße Spur geliefert – und stellte dafür auch seine Bedingungen. Mehmet soll laut „Spiegel“ 40 000 Euro und die Umwandlung seiner drohenden zweijährigen Gefängnisstrafe in eine Bewährungsstrafe gefordert haben – der vorbestrafte Mann war mit einem gefälschten Führerschein Auto gefahren. Mit der Belohnung seien die Ermittler einverstanden gewesen, die andere Forderung schlugen sie aus. Man könne höchstens Mehmets Mitarbeit dem Richter gegenüber loben. Die Ermittler wollten den Mann laut Bericht dazu überreden, die Waffe selbst zu holen, über die Grenze nach Deutschland zu bringen und sie an einem Rastplatz zu deponieren. Sollte er dabei bei zufälligen Kontrollen erwischt werden, wolle man „nur zum Schein“ gegen ihn ermitteln, heißt es in dem Bericht. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg bestätigte dem „Spiegel“, dass es Verhandlungen mit dem V-Mann gegeben hatte, erklärte jedoch, eine Einflussnahme auf Gerichte komme nicht in Frage.

    Dem Informant wurde der Fall offenbar zu heiß. Er beendete die Zusammenarbeit mit der Polizei. Und die Aufklärung der rätselhaften Döner-Morde rückt möglicherweise wieder in die Ferne.

    Carina Lechner
    Nürnberg – 21.08.11 Bayern

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    © www.merkur-online.de

    For Western Allies, a Long History of Swapping Intelligence

    BERLIN — When Edward J. Snowden disclosed the extent of the United States data mining operations in Germany, monitoring as many as 60 million of the country’s telephone and Internet connections in one day and bugging its embassy, politicians here, like others in Europe, were by turns appalled and indignant. But like the French before them, this week they found themselves backpedaling.

    In an interview released this week Mr. Snowden said that Germany’s intelligence services are “in bed” with the National Security Agency, “the same as with most other Western countries.” The assertion has added to fresh scrutiny in the European news media of Berlin and other European governments that may have benefited from the enormous American snooping program known as Prism, or conducted wide-ranging surveillance operations of their own.

    The outrage of European leaders notwithstanding, intelligence experts and historians say the most recent disclosures reflect the complicated nature of the relationship between the intelligence services of the United States and its allies, which have long quietly swapped information on each others’ citizens.

    “The other services don’t ask us where our information is from and we don’t ask them,” Mr. Snowden said in the interview, conducted by the documentary filmmaker Laura Poitras and Jacob Appelbaum, a computer security researcher, and published this week in the German magazine Der Spiegel. “This way they can protect their political leaders from backlash, if it should become public how massively the private spheres of people around the globe are being violated.”

    Britain, which has the closest intelligence relationship with the United States of any European country, has been implicated in several of the data operations described by Mr. Snowden, including claims that Britain’s agencies had access to the Prism computer network, which monitors data from a range of American Internet companies. Such sharing would have allowed British intelligence agencies to sidestep British legal restrictions on electronic snooping. Prime Minister David Cameron has insisted that its intelligence services operate within the law.

    Another allegation, reported by The Guardian newspaper, is that the Government Communications Headquarters, the British surveillance center, tapped fiber-optic cables carrying international telephone and Internet traffic, then shared the information with the N.S.A. This program, known as Tempora, involved attaching intercept probes to trans-Atlantic cables when they land on British shores from North America, the report said.

    President François Hollande of France was among the first European leaders to express outrage at the revelations of American spying, and especially at accusations that the Americans had spied on French diplomatic posts in Washington and New York.

    There is no evidence to date that French intelligence services were granted access to information from the N.S.A., Le Monde reported last week, however, that France’s external intelligence agency maintains a broad telecommunications data collection system of its own, amassing metadata on most, if not all, telephone calls, e-mails and Internet activity coming in and out of France.

    Mr. Hollande and other officials have been notably less vocal regarding the claims advanced by Le Monde, which authorities in France have neither confirmed nor denied.

    Given their bad experiences with domestic spying, first under the Nazis and then the former the East German secret police, Germans are touchy when it comes to issues of personal privacy and protection of their personal data. Guarantees ensuring the privacy of mail and all forms of long-distance communications are enshrined in Article 10 of their Constitution.

    When the extent of the American spying in Germany came to light the chancellor’s spokesman, Steffen Seibert, decried such behavior as “unacceptable,” insisting that, “We are no longer in the cold war.”

    But experts say ties between the intelligence services remain rooted in agreements stemming from that era, when West Germany depended on the United States to protect it from the former Soviet Union and its allies in the East.

    “Of course the German government is very deeply entwined with the American intelligence services,” said Josef Foschepoth, a German historian from Freiburg University. Mr. Foschepoth spent several years combing through Germany’s federal archives, including formerly classified documents from the 1950s and 1960s, in an effort to uncover the roots of the trans-Atlantic cooperation.

    In 1965, Germany’s foreign intelligence service, known by the initials BND, was created. Three years later, the West Germans signed a cooperation agreement effectively binding the Germans to an intensive exchange of information that continues up to the present day, despite changes to the agreements.

    The attacks on Sept. 11, 2001, in the United States saw a fresh commitment by the Germans to cooperate with the Americans in the global war against terror. Using technology developed by the Americans and used by the N.S.A., the BND monitors networks from the Middle East, filtering the information before sending it to Washington, said Erich Schmidt-Eenboom, an expert on secret services who runs the Research Institute for Peace Politics in Bavaria.

    In exchange, Washington shares intelligence with Germany that authorities here say has been essential to preventing terror attacks similar to those in Madrid or London. It is a matter of pride among German authorities that they have been able to swoop in and detain suspects, preventing several plots from being carried out.

    By focusing the current public debate in Germany on the issue of personal data, experts say Chancellor Angela Merkel is able to steer clear of the stickier questions about Germany’s own surveillance programs and a long history of intelligence sharing with the United States, which still makes many Germans deeply uncomfortable, more than two decades after the end of the cold war.

    “Every postwar German government, at some point, has been confronted with this problem,” Mr. Foschepoth said of the surveillance scandal. “The way that the chancellor is handling it shows that she knows very well, she is very well informed and she wants the issue to fade away.”

    Reporting contributed by Stephen Castle from London, Scott Sayare from Paris and Eric Schmitt from Washington.

    July 9, 2013
    By MELISSA EDDY

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    © 2013 The New York Times Company

    Snooping Fears; German Firms Race to Shield Secrets

    Edward Snowden’s revelations about data surveillance have left German firms feeling acutely vulnerable to industrial espionage. In the medium-sized business sector, which contains a host of world leaders in high-tech fields, the race is on to shield vital know-how.

    Markus Stäudinger is a cautious person — especially when he’s sitting in front of his computer. He’s an IT security expert at Gustav Eirich, a southern German engineering company that makes industrial mixing equipment, and he has been encrypting his emails for years. “While I was typing I always had in the back of my mind that it could still be deciphered,” says Stäudinger, 48. He has tried to entrench that mindset in his company.

    Stäudinger has spent years trying to enhance the security of Eirich’s data and communications. He kept telling colleagues to be careful when dealing with sensitive information. He installed extra security features on notebooks and smartphones before they were taken off company premises. Some of the firm’s 750 employees probably shook their heads at all this paranoia. But now, after the NSA revelations of whistleblower Edward Snowden, they all know that Stäudinger was right. “We were always aware that the intelligence services and business work closely together in the US,” said the IT expert. “When we heard about what’s been going on, it didn’t hit us completely out of the blue.”

    Other companies were taken by surprise, though. Be it Prism, Tempora or XKeyscore, reports about mass electronic surveillance and tapped Internet hubs and trans-Atlantic data lines have alarmed German companies. Many firms are now worried that the intelligence services aren’t just trying to pinpoint terrorists but to get at German industrial secrets as well. They fear that their lead over US, British and French competitors could be at risk. And they’ve suddenly realized that they’ve got to do something to protect themselves against the organized theft of data.

    “The reports of the activities of intelligence services are a wake-up call for many companies. It sent alarm bells ringing,” said Rainer Glatz, director of product and know-how protection at the VDMA German engineering association. In the past, warnings of hacker attacks and IT espionage often fell on deaf ears. But now Germany’s small and medium-sized business sector, or Mittelstand, often described as the backbone of the German economy, has woken up to the risk. “There is growing sensitivity,” said Glatz. “In many firms, the management boards are now thinking about how they can shield themselves better.”

    Spying Causes Billions of Euros in Damage

    Action is urgently needed. At most, only one in four Mittelstand firms has an IT security strategy, said Christian Schaaf, founder of the Munich-based consultancy Corporate Trust. Many have limited themselves to a simple firewall and a few anti-virus programs. But that’s not enough to keep out professional hackers, let alone the likes of the NSA. “Many companies are starting to realize that they have to cast a safety net over their data,” said Schaaf.

    There’s plenty to spy on in the Mittelstand, with its thousands of high-tech businesses, ranging from newly developed products to production processes and process control systems, as well as customer lists and price offers in contract tenders. Germany’s domestic intelligence agency, the Office for the Protection of the Constitution, estimates that industrial espionage causes damage totalling between €30 billion and €60 billion ($40 billion to $80 billion) per year. No one knows the exact figure because companies in Germany and across Europe tend to keep quiet when they find out they have been spied on. There are a number of reasons for this: They’re afraid of copycat espionage, they don’t want to reveal to potential new attackers where their weak points are and what they’re doing to protect themselves. And they’re afraid that they may lose customers if their data leaks become public.

    Engineering company Gustav Eirich would be worth spying on. The 150-year-old, family-owned business from Hardheim in the Odenwald region of southern Germany is among the world leaders in its field. Eirich’s machines can mix chemicals and all sorts of materials faster, more thoroughly and more efficiently than those of its international competitors. This is thanks to a host of inventions and innovations that the company has had patented. “Our know-how is our big competitive advantage,” said security chief Stäudinger. And Eirich is doing all it possibly can to protect that lead.

    Possible Boost For German Data Security Firms

    The company refrains from storing information in foreign data processing centers. Video conferences, data transmission and emails — Eirich handles all that via its own cloud server. Skype is forbidden, and the use of Facebook is discouraged. All staff members are given clear instructions to avoid any unintentional releases of sensitive data. As a rule, the company encrypts all emails it sends outside the firm, if the clients go along with that, and they use German software to do the encrypting. “With US programs the intelligence agency will definitely have the general key,” said Stäudinger. “That’s why we try to use domestic products whenever we can.” In Germany, security authorities usually don’t get access to the algorhythms of firms that offer encryption.

    Germany’s comparatively strict rules on data privacy protection represent a possible competitive advantage for German suppliers of IT security. Data processing centers based in Germany have been enjoying a strong increase in demand of late, said Gatz, VDMA’s IT security expert. Providers of private clouds such as Demando, a subsdiary of the Kaiserslautern municipal utility company, offer their customers their own server cabinets and can even make exclusive glass fiber lines available to them so that they don’t have to send sensitive data through the Internet.

    However, even such lines can be tapped into, and almost every encryption code can be cracked. “You can never guarantee 100 percent security,” said Stäudinger. “We know there’s a residual risk. But we set the hurdles as high as possible.” Maybe that will make potential attackers seek easier targets: among companies with less distrustful security chiefs.

    07/23/2013 06:04 PM
    By Claus Hecking

    Find this story at 23 July 2013

    © SPIEGEL ONLINE 2013

    Ghosts of the NSA Relics of Cold War Spying Dot Germany

    The National Security Agency has long been active in Germany, though much of its spying was conducted against the Eastern Bloc during the Cold War. Today, former listening stations and other facilities dot the German landscape.

    Tracking down traces of the National Security Agency in Germany isn’t particularly difficult. One merely has to head to Berlin and look for the city’s highest point. It can be found in the southwest corner of the city — Teufeslberg, or “Devil’s Mountain.” Made of piled up rubble gathered from Berlin following World War II, the “mountain” rises 115 meters (377 feet) above the nearby waterway known as the Havel.

    In the winter, it is the place where Berliners meet to sled; in the summer it is a haven for mountain bikers and daytrippers. And hobby historians: At the very top of the hill stands the most famous NSA relict in Germany — five gigantic white radar balls. The listening station was used until the end of the Cold War, primarily to spy on the east.

    Teufelsberg used to be part of the NSA’s global espionage network called Echelon, which the US intelligence service used to keep an eye on Moscow. From 1957 to 1991, the NSA maintained a presence on Teufelsberg and eavesdropped on satellite-based telephone conversations, filtered fax reports and analyzed Internet datasets. The NSA was still doing all that in 2013, as SPIEGEL recently reported, but it no longer requires the massive radar towers.

    Desolate and in Disrepair

    Today, the artificial hill looks desolate. When the Americans withdrew, the listening station began to fall into disrepair. The covering on the radomes is torn in many places, and inside the facility weeds are growing out of the debris.

    But it’s not just weather and age that have led the buildings to deteriorate. Shortly after the turn of the century, the government of the city-state of Berlin decided that guarding the empty facility had become too expensive. It then became the target of regular break-ins and vandalism. Rotraud von der Heide, an artist and the curator of the Initiative Teufelsberg, a group seeking to preserve the facility, says, “the facility is totally destroyed because private owners weren’t able to carry out their construction plans, and now the building permits have expired. For the past year-and-a-half, two young people have been leasing it.” Originally, a conference hotel had been envisioned for the site, but those plans ultimately failed.

    Those leasing the site are now responsible for security at the facility. Using revenues generated through frequent tours, they are financing the constant repairs required for the fence surrounding property. “New holes are cut in the fence every night, and we turn trespassers over to the police,” said von der Heide. “Earlier, people had parties in the facility. There were also copper thieves who ripped wires out of the walls. That’s no longer possible now.”

    Big Plans

    The initiative has big plans for the hill. During Germany’s “Day of Open Monuments,” in September, they plan to open the former listening station to the public for three days.

    By then, von der Heide plans to completely transform the area into one giant artwork. “The hill is becoming more and more fantastic. It’s a magical art space that is constantly changing,” the artist says. That’s also a product of anonymous graffiti artists whose paintings cover the massive walls and the insides of the radomes, she says.

    A second NSA listening station in Germany, located some 200 kilometers to the west — represents the opposite extreme. Whereas the Teufelsberg radomes were difficult to ignore, the facility in Schöningen, near Braunschweig, was more hidden. Mayor Henry Bäsecke says that there was an American facility in the nearby forest consisting of “containers and large antennas. But the facility has since been torn down. “There’s nothing left here, and nature is slowly reconquering the property,” Bäsecke says.

    At Least 17 Surveillance Hubs at Cold War Peak

    Some 50 kilometers south of Munich is yet another listening post of note. Bad Aibling the southernmost facility in a chain of such espionage centers operated in Germany by US intelligence agencies. In 1989, shortly before the end of the Cold War, SPIEGEL counted 17 such surveillance hubs. But it’s a figure that may have been even higher. The network extended from the town of Schleswig near the Danish border right down to the edge of the Alps. Most of the facilities were located close to the former border between West and East Germany, as close as possible to the enemy.

    In Bad Aibling, the outsized radomes of the disused listening station also dominate the landscape. In 2004, the Americans left, but Germany’s foreign intelligence agency, the BND, continues to operate nearby. The 17,000 resident city is hard at work transforming the 134 hectare (331 acre) property for civilian use. The community has already turned a small part of the property into sporting facilities, Peter Schmid of the city administration says. Here, local teams play football in the shadows of the radomes. The rest is to be built up by a property developer, with plans for a zero-energy settlement to be constructed.

    Still, the area’s eventful history hasn’t been forgotten. Since 2009, it has hosted an annual electro- and house-music festival that attracted 17,000 fans last year to revel between the radar towers and a former aircraft hangar. The name of the two-day festival recalls the American spy network: The Echelon festival.

    07/05/2013 03:24 PM
    By Johannes Korge

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    © SPIEGEL ONLINE 2013

    „Prism ist nur die Spitze des Eisbergs“ NSA-Mitarbeiter: BND nutzt seit den 90ern Spähsoftware

    Eine Kuppel der ehemaligen Abhörstation der NSA auf dem Teufelsberg in Berlin
    Der BND und der US-Geheimdienst NSA arbeiten offenbar bereits 20 Jahre bei der Datenspionage zusammen. Einem Medienbericht zufolge wurden entsprechende Spähprogramme schon früher geteilt. Auch Kanzlerin Merkel könnte ausspioniert worden sein.
    Die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes BND und der amerikanischen National Security Agency (NSA) bei der Nutzung von Spähsoftware war offenbar schon in den 1990er-Jahren intensiver als bislang bekannt. In einem Gespräch mit dem Magazin „Stern“ sagte der langjährige NSA-Mitarbeiter William Binney, der BND habe neben „Xkeyscore“ noch ein weiteres NSA-Ausspähprogramm genutzt. Der Entschlüsselungsspezialist arbeitete mehr als 30 Jahre in leitender Funktion bei der NSA und war viele Jahre auch für die technische Zusammenarbeit mit dem BND zuständig.

    Laut Binney soll die Zusammenarbeit im Bereich der Spähsoftware bereits Anfang der 1990er-Jahre begonnen haben. 1999 habe der BND von der NSA den Quellcode zum damals entwickelten Spähprogramm „Thin Thread“ erhalten. „Thin Thread“ sollte die Erfassung und Analyse von Verbindungsdaten wie Telefondaten, E-Mails oder Kreditkartenrechnungen weltweit ermöglichen. „Mein Ziel war es, den Datenverkehr der ganzen Welt zu erfassen“, sagte Binney dem „Stern“. Der BND sei „bis heute einer unserer wichtigsten Partner“.

    Mindestens 50 Spähprogramm lieferten Daten
    Auf der Basis von „Thin Thread“ sei eine Vielzahl von Abhör- und Spähprogrammen entwickelt worden. Eines der wichtigsten davon soll das Dachprogramm „Stellar Wind“ sein, dem nach Angaben von Binney mindestens 50 Spähprogramme Daten zugeliefert haben – auch die durch Edward Snowden bekannt gewordene Software „Prism“ zur direkten Erfassung von Telefon- und Internetdaten bei Telekommunikationsunternehmen.

    „Stellar Wind“ sei mindestens bis 2009, möglicherweise auch bis 2011 im Einsatz gewesen. Es werde heute wahrscheinlich unter anderem Namen fortgeführt, so Binney gegenüber dem Magazin.

    Nach Schätzungen von Binney speichert die NSA mittlerweile zwischen 40 und 50 Billionen Telefonate und E-Mails aus der ganzen Welt, vor allem Verbindungsdaten, aber auch Inhalte. Das von der NSA zurzeit gebaute Datenzentrum in Bluffdale im US-Bundesstaat Utah könne aufgrund seiner Kapazitäten „mindestens 100 Jahre der globalen Kommunikation speichern“, sagte Binney dem „Stern“. „Dieser Ort sollte uns endgültig in Angst und Schrecken versetzen. Die NSA will alles. Jederzeit.“ Er fügte hinzu: „Diese Macht gefährdet unsere Demokratie.“

    Regierungskommunikation im Visier der NSA
    Neben William Binney äußerten sich im „Stern“ zwei weitere ehemalige ranghohe NSA-Mitarbeiter, die zu Whistleblowern wurden: J. Kirk Wiebe, der für die Datenanalyse zuständig war, und Thomas Drake, der zur Führungsebene des Geheimdienstes gehörte. Binney trat im Oktober 2001 aus Protest gegen die NSA-Spähprogramme unter der Regierung von George W. Bush von seinem Posten zurück.
    Die Ex-Geheimdienstler halten es für möglich, dass selbst Daten von Kanzlerin Angela Merkels Handy auf den Servern der NSA landen. „Prism ist nur die Spitze des Eisbergs“, so Drake gegenüber dem „Stern“. „Ihre Kanzlerin könnte sich einmal für das Programm „Ragtime“ interessieren. Es dient unter anderem der Abschöpfung von Regierungskommunikation durch die NSA“. Auch Binney hält das Ausspionieren von Merkels Verbindungsdaten für nicht ausgeschlossen. „Ich würde sogar sagen, dass es durchaus möglich ist“, sagte er dem Magazin.

    Mittwoch, 24.07.2013, 16:59

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    © FOCUS Online 1996-2013

    BND nutzte bislang unbekanntes NSA-Spähprogramm

    Im stern packen drei Ex-NSA-Mitarbeiter aus: Der BND nutzte seit Anfang der 90er Jahre ein bislang unbekanntes Spähprogramm. Für die Kanzlerin könnte der Begriff “Ragtime” wichtig werden. Von Katja Gloger

    “Hallo, Merkel am Apparat.”: Womöglich landen auf den Servern der NSA auch Handydaten der Kanzlerin. Mit dem Programm “Ragtime” spioniert die NSA Kommunikation von Regierungen aus.
    © Rainer Jensen/DPA/LBN

    Die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes BND und der amerikanischen National Security Agency (NSA) bei der Nutzung von Spähsoftware war offenbar schon in den 90er Jahren intensiver als bislang bekannt. In einem Gespräch mit dem stern sagte der langjährige NSA-Mitarbeiter William Binney, der BND habe neben “Xkeyscore” noch ein weiteres NSA-Ausspähprogramm genutzt. Der Entschlüsselungsspezialist arbeitete mehr als 30 Jahre in leitender Funktion bei der NSA und war viele Jahre auch für die technische Zusammenarbeit mit dem BND zuständig.

    BND hatte den Quellcode

    Laut Binney soll die Zusammenarbeit im Bereich der Spähsoftware bereits Anfang der 90er Jahre begonnen haben. 1999 habe der BND von der NSA den Quellcode zum damals entwickelten Spähprogramm “Thin Thread” erhalten, zu Deutsch “dünner Faden”.

    “Thin Thread” sollte die Erfassung und Analyse von Verbindungsdaten wie Telefondaten, E-Mails oder Kreditkartenrechnungen weltweit ermöglichen. “Mein Ziel war es, den Datenverkehr der ganzen Welt zu erfassen”, so Binney zum stern. Der BND sei “bis heute einer unserer wichtigsten Partner”.

    Auf der Basis von “Thin Thread” wurde eine Vielzahl von Abhör- und Spähprogrammen entwickelt. Eines der wichtigsten davon soll das Dachprogramm “Stellar Wind” (“Sternwind”) sein, dem nach Angaben von Binney mindestens 50 Spähprogramme Daten zugeliefert haben – auch die durch Edward Snowden bekannt gewordene Software “Prism” zur direkten Erfassung von Telefon- und Internetdaten bei Telekommunikationsunternehmen. “Stellar Wind” war mindestens bis 2009, möglicherweise auch bis 2011 im Einsatz. Es werde, so Binney, heute wahrscheinlich unter anderem Namen fortgeführt.
    Neues Datenzentrum kann 100 Jahre der globalen Kommunikation speichern

    Nach Schätzung von Binney speichert die NSA mittlerweile zwischen 40 und 50 Billionen Telefonate und E-Mails aus der ganzen Welt, vor allem Verbindungsdaten, aber auch Inhalte. Das von der NSA zur Zeit gebaute Datenzentrum in Bluffdale im US-Bundesstaat Utah könne aufgrund seiner Kapazitäten “mindestens 100 Jahre der globalen Kommunikation speichern”, sagte Binney dem stern. “Dieser Ort sollte uns endgültig in Angst und Schrecken versetzen. Die NSA will alles. Jederzeit.” Und fügte hinzu: “Diese Macht gefährdet unsere Demokratie.”

    Neben William Binney äußern sich im stern zwei weitere ehemalige ranghohe NSA-Mitarbeiter, die zu Whistleblowern (“Enthüllern”) wurden: J. Kirk Wiebe, der für die Datenanalyse zuständig war, und Thomas Drake, der zur Führungsebene des Geheimdienstes gehörte. Binney trat im Oktober 2001 aus Protest gegen die NSA-Spähprogramme unter der Regierung von George W. Bush von seinem Posten zurück.
    Auch Merkels Handydaten womöglich auf NSA-Servern

    Die Ex-Geheimdienstler halten es für möglich, dass selbst Daten von Kanzlerin Angela Merkels Handy auf den Servern der NSA landen. “Prism ist nur die Spitze des Eisbergs”, so Drake zum stern. “Ihre Kanzlerin könnte sich einmal für das Programm “Ragtime” interessieren. Es dient unter anderem der Abschöpfung von Regierungskommunikation durch die NSA”. Auch Binney hält das Ausspionieren von Merkels Verbindungsdaten für nicht ausgeschlossen: “Ich würde sogar sagen, dass es durchaus möglich ist.”

    24. Juli 2013, 16:51 Uhr

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    © stern.de

    Skandale, Organisation, Geschichte NSA, Mossad und die verräterische Nackttänzerin – so spionieren die Geheimdienste

    Eine Chronik der Geheimdienstarbeit: Von Meisterspionin Mata Hari bis zur Cyber-Spionage der NSA
    Geheimdienste wie NSA, Mossad oder BND scheinen tun zu können, was sie wollen: Überwachen, ausspionieren, töten – ihre Methoden sind dabei nicht immer legal. FOCUS Online zeigt die interessantesten Geheimdienste der Welt, ihre Organisation, ihre Geschichte, ihre Skandale.
    Die Enthüllungen des ehemaligen Geheimdienstlers Edward Snowden zeigen, wie zügellos und weit verbreitet heute abgehört wird. Dabei richtet sich die Arbeit der Geheimdienste nicht nur gegen Offizielle und Politiker. Auch ganz normale Bürger werden überwacht. Die Öffentlichkeit ist besorgt, Fragen nach der Kontrolle der Behörden drängen sich auf, die Menschen fordern Konsequenzen.

    Dabei galten Geheimdienste schon immer als mysteriös und spannend. Doch die Realität ihrer Arbeit hat oft wenig mit den Meisterspionen a la James Bond oder „Mission Impossible“-Held Ethan Hunt zu tun. Die Behörden sammeln Daten, werten sie aus, informieren, desinformieren, verhandeln und tauschen. Ihr Netz haben sie über die ganze Welt ausgeworfen. Das zeigen nicht erst die Enthüllungen von Prism und Edward Snowden.

    Eines der ältesten Gewerbe der Welt
    „Spionage ist eines der ältesten Gewerbe der Welt“, erklärt der Historiker und Geheimdienstexperte Siegfried Beer im Gespräch mit FOCUS Online. Beer leitet das österreichische Center für „Intelligence, Propaganda & Security Studies“, kurz ACIPSS, in Graz. Das Wissen um den Feind sei für jeden Staat von entscheidender Bedeutung. Schon Alexander der Große, der makedonische Heeresführer, dessen Reich ungeheure Ausmaße annahm, verließ sich auf Spionage.

    Das wurde ihm beinahe zum Verhängnis, wie Wolfgang Krieger in seiner „Geschichte der Geheimdienste“ zeigt: 333 v. Christus, bei Issus „berühmter Keilerei“, wurde Alexander falsch informiert. Seine Agenten sagten ihm, der Perserkönig und sein Heer seien noch weit entfernt – Tatsache war, dass sie aneinander vorbeimarschiert waren. Und Alexander so in umgekehrter Schlachtformation kämpfen musste – doch er siegte.

    Eine Folge der Industrialisierung
    „Organisierte, moderne Spionage gibt es aber erst seit etwa 130 Jahren“, erklärt der Geheimdienst-Experte Beer vom ACIPSS. „Großbritannien nahm eine Vorreiterrolle ein.“ Die Briten begannen in den 1870er-Jahren mit dem Aufbau eines Nachrichtendienstes: aus Angst vor den unterdrückten und rebellischen Iren. Das brachte die anderen Länder unter Zugzwang: Alle europäischen Großmächte des 19. Jahrhunderts gründeten ihrerseits nach und nach Geheimdienste.

    „Die moderne Spionage ist eine Folge der Industrialisierung“, sagt Beer. Wegen der verbesserten Kommunikation, den schnellen Transportwegen und der beginnenden Globalisierung mussten die Regierungen umdenken. In den Weltkriegen und dem Kalten Krieg entwickelten sie neue Methoden, um ihre Feinde besser zu überwachen und sich entscheidende Vorteile zu sichern. Heute hat jedes Land eigene Geheimdienste. Nicht nur zur Spionage und Gegenspionage, sondern auch zur Sicherung eigener Daten. Und, vor allem nach 9/11, zur Terrorismusbekämpfung.
    Geschichten aus Hunderten Jahren Spionage
    Doch die Prism-Enthüllung ist nur eine in einer langen Reihe vergleichbarer Skandale. Seien es Spione, die überliefen, die gefährlichen Methoden des Mossad oder die Meisterspione des KGB. Seitdem es organisierte Spionage gibt, werden die verborgenen Tätigkeiten in regelmäßigen Abständen enthüllt. Und immer bieten sie genug Stoff für spektakuläre Geschichten. FOCUS Online stellt eine Auswahl der aktivsten und gefährlichsten Geheimdienste der Welt und ihre Methoden vor – und zeigt ihre brisantesten Skandale und berühmtesten Spione.
    Deutschland – BND, BfV, MAD
    Montage/Panther
    In Deutschland sammelt unter anderem der Bundesnachrichtendienst Informationen
    Organisation der deutschen Nachrichtendienste

    Drei Nachrichtendienste teilen sich in Deutschland den Schutz der Bürger: Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachtet das Inland, der Bundesnachrichtendienst das Ausland (BND), der militärische Abschirmdienst (MAD) kümmert sich um den Schutz der Armee. Die drei Behörden arbeiten großteils getrennt.

    Geschichte des BND

    Die Alliierten gaben 1949 die Struktur des Geheimdienstes in der Bundesrepublik vor. Dabei zogen sie vor allem die Lehren aus dem System des NS-Regiems: Die Geheime Staatspolizei, kurz Gestapo, hatte dort die Möglichkeit, eigenmächtig Verhaftungen durchzuführen. Das darf der Verfassungsschutz in Deutschland nicht. Die Nachrichtendienste haben generell keine polizeilichen Befugnisse.

    Der BND ist als deutscher Auslandsgeheimdienst dem Kanzleramt unterstellt und wurde 1956 gegründet. Zu den Aufgabenbereichen gehört die Beobachtung mutmaßlicher Terroristen, der organisierten Kriminalität, illegaler Finanzströme, des Rauschgifthandels, der Weitergabe von ABC-Waffen und Rüstungsgütern sowie von Krisenregionen wie Afghanistan oder Pakistan. Dazu wertet der BND Informationen von menschlichen Quellen, elektronische Kommunikation sowie Satelliten- und Luftbilder aus. Er zählt etwa 6000 Mitarbeiter – vom Fahrer bis zum Nuklearphysiker. Wie viel Geld der BND für Spionage ausgeben darf, hält die Behörde streng geheim.

    1950 wurde in der Deutschen Demokratischen Republik wohl einer der bekanntesten Geheimdienste der Welt gegründet: Das Ministerium für Staatssicherheit, kurz Stasi. Angegliedert an die Stasi war der Auslandsgeheimdienst Hauptverwaltung Aufklärung, die sich vor allem mit dem westlichen Bruder beschäftigte. Die Stasi mauserte sich zu einem entscheidenden Machtinstrument der sozialistischen Regierung. Sie unterdrückte Andersdenkende, warb sogenannte Spitzel an, inhaftierte Dissidenten – die Bevölkerung hatte Angst vor der Behörde. Das lag daran, dass die Behörde polizeiliche Befugnisse hatte. Bis heute läuft die Aufarbeitung über das Ausmaß der Stasi-Überwachung.

    Spektakuläres über den BND

    Deutsche Spione à la James Bond? Falsch. Beim BND sind Fremdsprachenexperten, Informatiker, Juristen, Biologen, Ingenieure und Islamwissenschaftler gefragt, keine Superagenten. Sie werden innerhalb von zwei bis drei Jahren zum Agenten ausgebildet – und dann als Tarifbeschäftigte, Soldaten und Beamten angestellt.

    2006 erschütterte ein Bericht über die Arbeit des BND die Bundesrepublik: Im großen Stil hörte der Dienst Journalisten ab. Gerade in den Achtzigern war der Bedarf an Informationen besonders hoch, namhafte Autoren bei Zeitungen wie Stern, Spiegel oder FOCUS standen unter Beobachtung.
    Welche Rolle spielte der BND im Irak-Krieg 2003? Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass der Dienst einen Informanten hatte, der behauptete, dass der Irak Massenvernichtungswaffen und Biolabore besessen haben soll. Weiterhin haben Agenten des BND, so zeigt Alexandra Sgro in ihrem Buch „Geheimdienste der Welt“, angeblich strategische Informationen über irakische Verteidigungsstellungen und Truppenbewegungen an die USA weitergegeben. Die Bundesregierung hatte offiziell verlauten lassen, dass sich Deutschland aus dem Irak-Krieg heraushält – lässt sich dieser Status nach den Enthüllungen noch halten?
    Türkei – MIT
    Colourbox/Montage
    Die Türkei hat nur einen Nachrichtendienst: den „Millî Istihbarat Teşkilâti“
    Organisation türkischen Geheimdienstes

    Der Millî Istihbarat Teşkilâti (MIT) ist der einzige Nachrichtendienst der Türkei. Er ist für innere Sicherheit und Spionageabwehr zuständig. Außerdem hat er die Pflicht, für den Schutz der Landesgrenzen zu sorgen. Der Geheimdienst untersteht direkt dem Premierminister und ist dafür verantwortlich, bedrohliche Gruppierungen im In- und Ausland zu beobachten. Dabei gibt es häufig gewaltsame Konflikte mit Anhängern der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK. Denn diese kämpfen für die Autonomie der kurdischen Gebiete der Türkei.

    Geschichte des MIT

    Schon vor der Gründung der Türkei gab es Geheimdienste. 1913 wurde Teşkilât-I Mahsusa als erster zentralisierter und organisierter türkischer Nachrichtendienst gegründet. Er sollte die Aktivitäten von Separatisten eindämmen. Während des Ersten Weltkrieges erlebte die Behörde ihre Blütezeit und war militärisch und paramilitärisch aktiv. Das Ende des Krieges bedeutete auch das Ende des Geheimdienstes.

    Sein Nachfolger war Karakol Cemiyeti, der Zivilpersonen und kleine Gruppierungen ab 1919 im türkischen Unabhängigkeitskrieg mit Waffen ausstattete. So gelang es, die Besatzungsmächte zu besiegen. Als die Briten im Jahr 1920 Istanbul besetzten, lösten sie auch den Nachrichtendienst auf. Danach gab es viele verschiedene Geheimdienste, die nie lange Bestand hatten. Bis 1965 der Millî Istihbarat Teşkilâti gegründet wurde.

    Spektakuläres über den MIT

    Wie Sgro in ihrem Buch „Geheimdienste der Welt“ schreibt, werden beim türkischen Geheimdienst nur schriftliche Bewerbungen angenommen, die per Post eingesendet werden – eine Vorbereitung auf die Spionagetätigkeit? Die frisch gebackenen Agenten bekommen ihren Arbeitsort dann per Losverfahren zugeteilt.

    In den Neunzigern machten Berichte die Runde, der türkische Geheimdienst würde militante Separatisten bekämpfen. Allerdings nicht nur im eigenen Land, sondern auch in Deutschland. Dabei schüchterten die Agenten angeblich Oppositionelle ein, bedrohten Asylbewerber und kündigten Repressalien gegen die in der Türkei lebenden Verwandten an.
    Ein anderes Ziel hatte laut Spekulationen sogenannter Experten der türkische Geheimdienst Mitte der 2000er-Jahre: Zu diesem Zeitpunkt war gerade die sogenannte Sauerland-Gruppe verhaftet worden. Sie plante offenbar einen Bombenanschlag in Deutschland, unterstützt von dem Türken Mevlüt K. – laut Medienberichten ein Informant des türkischen Geheimdienstes. Fakt ist: Er ist untergetaucht und wird per internationalem Haftbefehl gesucht.
    Frankreich – DGSE
    Motage/Panther
    Frankreichs Geheimdienst DGSE
    Organisation des französischen Geheimdienstes

    Der französische Geheimdienst nennt sich „Direction Générale de la Sécurité Extérieure“, kurz DGSE. Spezialoperationen des DGSE müssen von oberster Stelle genehmigt werden: Seit 2009 darf sie nur der französische Präsident bewilligen. Wer eingestellt wird, entscheidet das Verteidigungsministerium. Schwerpunkt des Geheimdienstes mit Sitz in Paris: Terrorismusbekämpfung. Außerdem haben die Geheimdienstler ein Auge auf Länder, in denen Massenvernichtungswaffen hergestellt und vertrieben werden.

    Geschichte des DGSE

    Die Geschichte des DGSE beginnt mit Charles de Gaulle. Der spätere Ministerpräsident Frankreichs ließ 1940 aus dem Exil einen Geheimdienst zusammenstellen. Er sollte für die Widerstandsbewegung „France Libre“ gegen das NS-Regime spionieren. Nach dem Krieg wurde ein neuer Geheimdienst gegründet, der Service de Documentation Extérieure et de Contre-Espionnage (SDECE). Seine Aufgaben: ausländische Berichterstattung und Gegenspionage. 1982 löste ihn der DGSE ab.

    Die Schwerpunkte des DGSE sind stark von Frankreichs Geschichte als Kolonialmacht geprägt. Denn zu seinen ehemaligen Kolonien pflegt Frankreich auch heute noch wirtschaftliche Beziehungen. Die Regierungen sollten also stabil bleiben. Wo Frankreich Fundamentalismus fürchtete, griff der Geheimdienst ein. So wie Ende der 1980er-Jahre in Algerien. Angeblich ermordete der DGSE 1992 den algerischen Präsidenten Muhammad Boudiaf. Und auch in Syrien könnte sich die Behörde 2012 eingemischt haben, Sgro. Agenten sollen dem syrischen General Manaf Tlass bei der Flucht geholfen haben. Der stand einst Machthaber Assad nahe.

    Spektakuläres über den DGSE

    Die wohl legendärste Doppelspionin überhaupt war für die Franzosen im Einsatz: Mata Hari. Die Nackttänzerin ließ sich zur Zeit des Ersten Weltkriegs von den Deutschen dafür bezahlen, französischen Militärs Geheimnisse zu entlocken. Gleichzeitig spionierte sie für die Franzosen in den von den Deutschen besetzten Gebieten. Die schöne Niederländerin wurde schließlich von den Franzosen zum Tode verurteilt, weil sie auch an Deutschland Geheimnisse verraten haben soll. Was genau sie wem erzählt hat, ist bis heute nicht bekannt. Erst 2017 wird der französische Staat die Akten freigegeben.

    In den 1980er-Jahren kämpfte der französische Geheimdienst gegen Greenpeace. Die französische Regierung testete zu dieser Zeit im Mururoa-Atoll im Pazifik Atomwaffen. Greenpeace-Aktivisten wollten dagegen protestieren. Agenten des DGSE gelang es, auf dem Greenpeace-Schiff Sprengsätze anzubringen. Bei der Explosion starb ein Mensch. Bewilligt wurde die Aktion angeblich vom damaligen Präsidenten François Mitterand. Der Verteidigungsminister rechtfertigte das Vorgehen: Anders hätte man den Protest nicht verhindern können.
    Großes Aufsehen erregte auch der Vorgänger des DGSE, der SDECE: 1965 verschwand Ben Barka, ein Marokkaner im französischen Exil – bis heute ist nicht geklärt, wer ihn entführt hat. Im Verdacht stehen französische Agenten. Sie hätten damit dem marokkanischen König geholfen und zugleich den Einfluss Frankreichs auf Marokko gesichtert. Bakra war in Marokko wegen Hochverrats verurteilt worden, weil er den König scharf kritisiert hatte. Er soll vom marokkanischen Innenminister getötet worden sein.
    Brasilien – Abin
    dpa/Montage
    Brasiliens Nachrichtendienst heißt „Agência Brasiliera de Inteligência“
    Organisation des brasilianischen Geheimdienstes

    Der brasilianische Geheimdienst heißt Agência Brasileira de Inteligência (Abin) und ist dem Präsidenten unterstellt. Die Aufgaben umfassen Spionage- und Terror-Abwehr, Informationsbeschaffung und Schutz der Bürger.

    Geschichte der Albin

    Schon 1927 wurde die militärische Behörde Conselho de Defesa Nacional gegründet, die sich zunächst mit geheimdienstlichen Aufgaben beschäftigte. Nachdem die Folgeorganisation die Arbeit in den Wirren des Militärputsches von 1964 schon wieder einstellte und durch einen regimehörigen Dienst ersetzt wurde, bestand die Behörde bis 1990. Die Abin wurde 1999 gegründet und übernimmt seitdem die Aufgabe des In- und Auslands-Geheimdienstes – im Gegensatz zu seinem Vorgänger als zivile Behörde.

    Spektakuläres über die Albin

    Nachwuchsarbeit bei Zehn bis 15-Jährigen? Warum nicht, muss sich die Abin gedacht haben. 2005, so beschreibt es Sgro in ihrem Buch, habe eine Informationsveranstaltung stattgefunden, bei der Jugendlichen die Arbeit von Agenten nahegebracht wurde. Dieses Programm soll weitergeführt werden und sich in Zukunft verstärkt an Schüler und Studenten richten.

    Es muss eine skurrile Situation gewesen sein: 1983 entdeckte ein Maler im Büro des damaligen Präsidenten eine Wanze mit aktivem Sender. Brasilianische Zeitungen machten schnell den Schuldigen aus: den Geheimdienst. Der habe sich derartige Abhör-Vergehen schon öfters zuschulden kommen lassen, so die Argumentation. Die wahren Hintergründe bleiben unbekannt.
    Im Juli diesen Jahres kam im Zuge des weltweiten Abhörskandals heraus, dass auch Brasilien im Fadenkreuz der NSA stand: Millionen Emails und Telefonate seien abgehört worden. Nach Informationen der Zeitung „O Blobo“ ist Brasilien das am meiste ausgespähte Land Lateinamerikas.
    Syrien – Abteilung für militärische Aufklärung
    AFP
    Syriens Geheimdienst ist in der Hand des Machthabers Baschar al-Assad
    Organisation des syrischen Geheimdienstes

    Etwas unübersichtlich stellt sich die Situation in Syrien dar: Fünf Behörden teilen die Geheimdienst-Aufgaben unter sich auf. Es gibt einen allgemeinen zivilen Nachrichtendienst, einen Nachrichtendienst der Luftwaffe, das Direktorat für Staatssicherheit sowie das Direktorat für politische Sicherheit im Innenministerium – in den Zeiten des Umbruchs ist aber vor allem eine Behörde wichtig: die Abteilung für Aufklärung. Sie unterstützt die militärischen Truppen und soll Dissidentengruppen zerschlagen – und soll dabei an illegalen Aktionen beteiligt gewesen sein.

    Geschichte der Abteilung für Militärische Aufklärung

    Die Gründung der Abteilung für Militärische Aufklärung datiert auf das Jahr 1969. In der westlichen Welt wurde der Geheimdienst allerdings erst in den 2000er-Jahren bekannt. Im Kampf gegen die Auswirkungen des arabischen Frühlings in Syrien koordinierte die Abteilung ab 2010 die Niederschlagung von Demonstrationen und die Diskreditierung der Rebellen.

    Doch auch in westliche Staaten entsendete der Geheimdienst seine Agenten: So soll ein Deutsch-Libanese über mehrere Jahre hinweg Informationen über syrische Oppositionelle in der Bundesrepublik gesammelt und an den syrischen Geheimdienst weitergegeben haben. Und auch der BND hat offenbar gute Kontakte nach Syrien: Die Tagesschau berichtete im Mai, dass der BND-Präsident an einem Treffen mit syrischen Geheimdienstlern teilgenommen haben soll.

    Spektakuläres über die Abteilung für Militärische Aufklärung

    Wenig ist über die Arbeit des syrischen Geheimdienstes bekannt. Doch ein Name steht wohl in direktem Zusammenhang mit einer Aktion syrischer Agenten im Jahr 2011: Oberstleutnant Hussein Harmusch. Er rief in einem Internetvideo dazu auf, sich gegen die syrische Regierung zu stellen und setzte sich in die Türkei ab. Kurze Zeit später verschwand er spurlos. Was war passiert? Sgro schildert die Geschichte folgendermaßen: Am Tag seines Verschwindens traf sich Harmusch mit einem türkischen Agenten, der ihn mit dem Auto abholte, aber nach Eigenaussage wenige Minuten später wieder absetzte.

    Mehr als zwei Wochen nach dieser Episode strahlte das syrische Staatsfernsehen ein Video aus, in dem Harmusch seinen Aufruf zum Widerstand widerrief. Experten erkennen einen tiefverängstigten Mann, sie gehen davon aus, dass er gezwungen wurde. Harmusch verschwindet daraufhin von der Bildfläche, bis heute weiß niemand, wo er ist. Nur die türkische Regierung äußerte sich noch einmal zu dem Fall: Sie ließ verlauten, dass der angebliche türkische Agent tatsächlich aus Syrien stammte.

    Mit welcher Grausamkeit der syrische Geheimdienst beispielsweise gegen Dissidenten vorgeht, zeigen Berichte aus dem Jahr 2012: Menschenrechtsorganisationen sprechen bei den Geheimdienstzentren in Damaskus von der „Hölle auf Erden“. „Human Rights Watch“ erfasste zahlreiche Fälle, in denen Familien ihre vermissten Angehörigen nur noch tot finden konnten: Mit Brandflecken und Blutergüssen übersät. Überlebende berichten von Methoden, die man aus dem europäischen Mittelalter kennt: Sie wurden an den Händen aufgehangen, dann wurden sie geschlagen und geschnitten. Oder sie wurden auf Kreuz-ähnliche Holzbretter geschnallt und von Häschern auf die Fußsohlen geschlagen. Andere berichten von Stromschocks im Genitalbereich und weiteren Foltermethoden.
    Die Beobachtergruppe „Violations Documentation Center“ spricht von über 25 000 Syrern, die seit 2011 verhaftet worden sind. Weniger als ein Fünftel sei bislang freigelassen worden. Experten gehen allerdings von weiter höheren Zahlen aus: Sie sprechen von Hunderttausenden Inhaftierten.
    Russland – KGB, FSB, SWR, GRU
    Colourbox/Montage
    Der FSB ist nur einer von Russlands Geheimdiensten
    Organisation des russischen Geheimdienstes

    Russland verlässt sich seit dem Zerfall der Sowjetunion auf diese Geheimdienst-Behörden: Den Inlandsgeheimdienst FSB, den Auslandsnachrichtendienst SWR, den Schutzdienst FSO und den Militärnachrichtendienst GRU. Die Aufgaben des SWR umfassen dabei Gegenspionage und Fernaufklärung, der Dienst umfasst rund 13 000 Mitarbeiter. Spannend ist aber vor allem der Inlandsgeheimdienst FSB, da er als Nachfolger des berüchtigten KGB gilt.

    Geschichte des russischen Geheimdienstes

    Die Wirren um die Abdankung des Zaren Nikolaus II. in der Februarrevolution 1917 forderten ein ganzes Land heraus: Eine provisorische Regierung wurde gebildet, die Oktoberrevolution brach aus, schon bald übernahmen kommunistische Bolschewiken die Macht. Der starke Mann Lenin regte die Gründung eines neuen Geheimdienstes an, um die Konterrevolution und Klassenfeinde zu bekämpfen.

    Nach einigen Umstrukturierungen und dem Zweiten Weltkrieg entstand 1954 der KGB als eigenständiges Ministerium. Erst 1991, mit dem Ende der Sowjetunion, hörte er auf zu existieren – wobei der Geheimdienst in Weißrussland noch immer KGB heißt. Der sowjetische KGB arbeitete dabei sowohl nach innen als auch nach außen, dazu gehörten Gegenspionage, Auslandsspionage, Bekämpfung von Regimegegnern, Sicherung der Parteimitglieder. SWR und FSB wurden in den 1990-Jahren gegründet und teilen sich wiederum in eigene Büros und Organe auf.

    Spektakuläres über den russischen Geheimdienst

    Normalerweise sind es Geschichtsbegeisterte, die Geheimdiensten Verschwörungstheorien andichten. In den 80er-Jahren, so schreibt Sgro in ihrem Buch, war es allerdings der KGB selbst, der für Furore sorgte: Tüchtige Sowjet-Agenten setzten das Gerücht in Umlauf, dass die US-Amerikaner den HI-Virus hergestellt und aus Versehen freigesetzt hätten. Der Plan: die USA damit zu diskreditieren. Selbst die deutsche Zeitung „taz“ griff die These auf. 1987 entschuldigte sich der Staatschef Gorbatschow bei US-Diplomaten, die Zeitung brauchte 20 Jahre länger und entschuldigte sich 2010.

    Unabhängig davon unterstanden dem KGB einige der berühmtesten Spione des 20. Jahrhunderts: Beispielsweise sorgte der Journalist Richard Sorge dafür, dass sich die Sowjets auf die deutschen und japanischen Angriffspläne einstellen konnten – weil der überzeugte Kommunist Dokumente weitergab. Aldrich Ames dagegen arbeitete eigentlich beim CIA, dort leitete der die Abteilung „Gegenspionage UDSSR“. Was niemand wusste: Ames spionierte für Russland. Er bekam Geld, die Sowjets die Namen von US-Spitzeln. Und dann wären da noch das Spionage-Ehepaar Rosenberg, der Doppel-Agent Heinz Felfe, der Atomwaffen-Physiker Klaus Fuchs und und und.

    Wie im Kalten Krieg: Erst im Juli stand ein russisches Agenten-Ehepaar vor dem Gericht in Stuttgart. Das Ehepaar firmierte unter den Decknamen Andreas und Heidrun Anschlag. Auch wenn die beiden nicht als klassische Spione gearbeitet haben sollen, hatten sie wohl als eine Art Briefkasten gedient. Das Paar wurde 2011 von Beamten des BKA und der GSG9 aufgespürt und festgenommen, nachdem sie 20 Jahre lang unentdeckt geblieben waren. Derzeit verhandeln russische und deutsche Behörden über einen Austausch der beiden Russen gegen einen deutschen Agenten.
    Dass auch der moderne russische Geheimdienst an traditionellen Methoden festhält, zeigt eine Meldung der russischen Zeitung „Iswestija“. Zum Schutz streng geheimer Informationen schreiben russische Geheimdienste auf Schreibmaschinen, nicht digital, auch handschriftliche Aufzeichnungen seien üblich. Besonders beliebt: das deutsche Modell Triumph-Adler Twen 180. Dabei hat jede Schreibmaschine eine eigene Signatur, so dass jedes Dokument der Maschine zugeordnet werden kann, auf der es geschrieben wurde.
    Neuseeland – GCSB
    Colourbox/Montage
    „Government Communications Security Bureau“ heißt der Geheimdienst Neuseelands
    Organisation des neuseeländischen Geheimdienstes

    Neuseeland hat zwei Geheimdienstbehörden: Den Security Intelligence Service und das nachgeordnete Government Communications Security Bureau (GCSB). Das GCSB kümmert sich um die nationale Sicherheit, überwacht ausländische Datenströme, stellt Sicherheitssysteme für die Regierung zusammen – Einheimische und Zugezogene mit ständigem Wohnsitz dürfen dabei nicht überwacht werden. Die Behörde ist dem Premierminister unterstellt.

    Geschichte des GCSB

    Im Jahr 1977 wünschte sich der neuseeländische Premierminister einen Geheimdienst – vergleichsweise spät im Vergleich zu anderen Staaten. Schnell wurden Anlagen für die Überwachung in Waihopai und in Tangimoana gebaut. Bis dahin arbeiteten Angestellte des Auslands- und Verteidigungsministeriums an der Nachrichtenbeschaffung. Um besser reagieren zu können, baute die Regierung das GCSB auf.

    Vor den Augen der Öffentlichkeit im Verteidigungsministerium versteckt, wurde die Behörde in den Anfang der 80er-Jahren zunächst nur der Politik vorgestellt. 1984 erfuhr die neuseeländische Öffentlichkeit von der Existenz des Geheimdienstes.Bis das GCSB aber eine eigene Behörde wurde, sollten noch mehrere Jahrzehnte vergehen: 2003, durch einen Erlass, wurde das GCSB als öffentliche Dienstleistungsabteilung eingerichtet.

    Spektakuläres über das GCSB

    Ausgerechnet ein Deutscher mit doppelter Staatsbürgerschaft – er hat auch einen finnischen Pass – wurde zum Politikum in Neuseeland: Kim Schmitz, auch bekannt als Kim Dotcom, geriet aufgrund zwielichtiger Online-Geschäfte in das Fadenkreuz des GCSB. Schmitz wurde im Januar 2012 aufgrund des Verdachts auf Urheberrechtsverletzungen sowie Geldwäsche verhaftet, doch bereits zuvor hörten neuseeländische Agenten Mr Dotcom ab – ohne Einverständnis der Regierung, allerdings im Auftrag der Polizei.
    Die Auswertung von Emails und Telefonaten, so zeichnet Sgro in ihrem Buch „Geheimdienste der Welt“ nach, brachte die Behörde auf die Spur der meisten Mitangeklagten. Das Problem: langjährige Bewohner Neuseelands dürfen nicht bespitzelt werden. Das Ergebnis: Die gesammelten Daten waren illegal erworben, der Premierminister entschuldigte sich bei Schmitz und dem neuseeländischen Volk.
    Österreich – HNA, HAA, BVT
    Motage/Panther
    Einer der österreichischen Geheimdienste, das Abwehramt
    Organisation des österreichischen Geheimdienstes

    In Österreich gibt es drei Geheimdienste: Der Auslandsnachrichtendienst ist das Heeresnachrichtenamt (HNaA oder HNA). Sein Gegenstück ist das Heeres-Abwehramt (HAA oder HabwA) als militärischer Inlandsnachrichtendienst. Beide unterstehen dem Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist die dritte Behörde.

    Geschichte der österreichischen Geheimdienste

    Militärische Nachrichtendienste gibt es in Österreich seit den Napoleonischen Kriegen. Napoleon veränderte damals mit seiner „Grande Armée“ die Kriegsführung, die Truppen waren beweglicher und agierten schneller. Die österreichische Monarchie musste darauf reagieren und begann, ein strukturiertes „militärisches Nachrichtenwesen“ aufzubauen. 1850 wurde der erste offizielle Nachrichtendienst in der österreichischen Monarchie eingerichtet: das Evidenzbüro. Ende des 19. Jahrhunderts überwachten dann die ersten „Geheimen Polizeiagenten“ hauptsächlich die öffentliche Sittlichkeit.

    Diese Struktur änderte sich bis zum Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im Jahr 1938 kaum. Danach spionierte die Gestapo im Inland, der Sicherheitsdienst war für das Ausland zuständig und die Abwehr für militärische Spionage. Sie galten auch in Österreich als mächtiges Instrument der Nationalsozialisten. Eine der ersten Amtshandlungen nach dem Zweiten Weltkrieg war die Gründung einer österreichischen Staatspolizei. Erst 1955 gründete das Bundesheer einen militärischen Geheimdienst.

    1972 wurde dieser in das heutige Heeres-Nachrichtenamt (HNaA) umgebaut. Zunächst beschäftigte sich dieses sowohl mit Auslandsaufklärung als auch mit Abwehr. 1985 wurde vom HNaA das Abwehramt abgespalten, weil das Heeresnachrichtenamt zu mächtig geworden war. Heute ist das Heeresnachrichtenamt vor allem im Einsatz gegen Terrorismus, Organisierte Kriminalität und irreguläre Migration.

    Spektakuläres über die österreichischen Geheimdienste

    Im Parlament ist ein ständiger Unterausschuss des Landesverteidigungsausschuss für die Kontrolle des Heeresnachrichtenamtes zuständig, die Parlamentarier sind aber auf strenge Verschwiegenheit vereidigt. Das HNaA soll eng mit US-amerikanischen Geheimdiensten zusammenarbeiten und vor allem in der Zeit des Kalten Krieges wichtige Informationen über Vorgänge in den Balkanstaaten an die USA weitergegeben haben. 1968 waren es österreichische Agenten des Heeresnachrichtenamtes, die als erste über den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei Bescheid wussten.
    Das Stillschweigen rund um die Arbeit des Heeresnachrichtenamtes verlieh dem Nachrichtendienst zwischenzeitlich große Macht. Das ging so weit, dass sogar Verteidigungsminister ausspioniert worden sein sollen. Als Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager das zufällig erfuhr, soll er so erbost gewesen sein, dass er im Jahr 1985 das Heeresnachrichtenamt reformieren und das Heeres-Abwehramt davon abspalten ließ. Die beiden Nachrichtendienste sind bis heute politisch verfeindet: Das HNaA wird der Österreichischen Volkspartei zugeordnet, das HAA den österreichischen Sozialdemokraten. Diese sollen sich seit ihrem Bestehen immer wieder gegenseitig ausspionieren.
    USA – CIA, FBI, NSA, DEA
    Montage/Colourbox
    Zwei der US-Geheimdienste: FBI und CIA
    Organisation des US-amerikanischen Geheimdienstes

    Über keinen Geheimdienst gibt es derart viele Informationen wie über den US-amerikanischen. Der Auslandsgeheimdienst CIA, die inländische Spionageabwehr FBI, die weltweit operierende NSA, die amerikanische Bundespolizei, die Drogenbehörde DEA und elf weitere Dienste bilden die sogenannte United States Intelligence Community (IC). Insgesamt sollen dort etwa 200 000 Menschen arbeiten mit einem Gesamtbudget von 30 Milliarden Euro.

    Geschichte des CIA und der NSA

    Mit Gründung des Amts der Marineaufklärung begann 1882 die offizielle geheimdienstliche Aufklärung der USA. Doch schon unter George Washington hatten Agenten in geheimen Operationen, Aufklärung und Spionage gearbeitet. Die bekannteste Einrichtung, die Central Intelligence Agency, wurde 1947 ins Leben gerufen. Sie ist die Folgeorganisation des Office of Strategic Services, das im Laufe des Zweiten Weltkriegs aufgebaut wurde. Das Ziel: Die Sammlung strategisch wertvoller Informationen, aber auch Sabotage und Spionageabwehr. Mit dem National Security Act übernahm die Behörde Aufgaben, die FBI-Chef J. Edgar Hoover zunächst für seine Agenten vorgesehen hatte. ACIPSS-Experte Siegfried Beer erklärt, dass die USA zwar sehr spät mit der Errichtung eines Auslandsgeheimdienstes begonnen haben, dieser heute aber zu den effizientesten weltweit gehört.

    Doch eine andere Behörde macht derzeit Schlagzeilen: Die National Security Agency (NSA). Ihr Aufgabengebiet ist die weltweite, nachrichtliche Aufklärung. Die Wurzeln der Behörde reichen bis in die 40er-Jahre zurück, die offizielle Gründung datiert auf das Jahr 1952. Seitdem hält die NSA mit den technologischen Entwicklungen von Satellit bis Internet Schritt. In den Mittelpunkt einer weltweiten Diskussion über Datenschutz rückte die NSA, weil der Geheimdienstler Edward Snowden brisante Informationen über die weltweite Überwachung und die Kenntnisnahme europäischer Politiker von den Abhör-Programmen der Behörde veröffentlichte.

    Spektakuläres über die CIA

    „Bis in die frühen Siebziger hinein hatte die CIA weitgehend freie Hand“, sagt Beer. Und das nutzte die Agency voll aus: Waren CIA-Agenten am Attentat an John F. Kennedy beteiligt? Welche Rolle spielte die CIA bei den Anschlägen von 2001? Verdient die Behörde an weltweiten Drogen- und Geldwäschegeschäften? Für Verschwörungstheoretiker ist der US-Geheimdienst eine wahre Pandora-Kiste hanebüchener Geschichten. Dabei gibt es zahlreiche verbriefte Operationen: 1961 war die CIA beispielsweise an der Invasion in der Schweinebucht beteiligt, bei der Exilkubaner auf Kuba landen und die Regierung Castros stürzen wollten – und scheiterte spektakulär.
    Viele weitere Operationen mit dem Ziel, Machthaber zu stürzen, wurden von der CIA angeleiert. In Afghanistan warben CIA-Agenten ab 1979 bis zu 100 000 Einheimische an, trainierten sie, unterstützten sie mit Waffen und Geld und schickten sie in den Kampf gegen sowjetische Truppen. Wohl einer der Hauptgründe für die gegenwärtige Stärke der Taliban in dem befreiten Land. Nicht immer nutzt die Agency bei ihren Operationen legale Mittel, Menschenrechtsorganisationen werfen der Behörde Verletzung internationalen Rechts und Folter vor.
    Großbritannien – MI5, MI6
    Motage/Panther
    Großbritanniens MI5 und MI6
    Organisation des englischen Geheimdienstes

    Neun Behörden kümmern sich in Großbritannien um die Geheimdienstarbeit, organisiert im Secret Service Bureau. Am bekanntesten sind sicherlich der Security Service und der Secret Intelligence Service, kurz: MI5 und SIS oder MI6. Während sich der Blick des MI5 in das eigene Land richtet, kümmert sich der MI6 um das Ausland. Hinlänglich bekannt wurde der MI6 durch die Arbeit des wohl berühmtesten Spions James Bond, auch wenn dieser natürlich nur ein Roman- und Filmheld und kein echter Agent ist.

    Geschichte des MI6

    Ursprünglich war der MI6 für die Marine zuständig, als er 1909 gegründet wurde. Zunehmend spezialisierte sich der Dienst aber auf das Ausland, im Ersten Weltkrieg sammelten Agenten Informationen über das Deutsche Reich und kämpften gegen den Kommunismus in Russland. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten arbeitete der SIS unter anderem an der Entschlüsselung der Geheim-Codes der Nazis.

    Im Kalten Krieg versuchte sich die Behörde in der Anwerbung sowjetischer Offizieller oder an Staatsstreichen, über die Erfolgsrate schweigt sie sich bis heute aus. Seit 1994 sind die Zuständigkeiten im Intelligence Services Act geregelt. Auch die Überwachung von Telefonaten und Internetaktivitäten Verdächtiger gehört zur Aufgabe der Behörde. Könnten Sie ein MI6-Agent sein?

    Spektakuläres über den MI6

    Eine der bekanntesten und schillerndsten Personen in der Geschichte der Geheimdienste ist Thomas Edward Lawrence, auch bekannt als Lawrence von Arabien. Der studierte Archäologe begab sich 1914 offiziell zur Kartographierung in den Nahen Osten, unter der Hand ging es um militärisches Auskundschaften. Aufgrund seiner Erfolge und Fähigkeiten wurde er schnell vom britischen Geheimdienst angeworben – und integrierte sich derart gut in die einheimischen Beduinenvölker, dass er sie zum Aufstand gegen die Fremdherrschaft durch die Türken führte. Ganz im Sinne seines Heimatlandes. Noch zu Lebzeiten wurde Lawrence zum Mythos – und zu einem beliebten Gesprächsgegenstand der englischen Aristokratie.
    Eine spektakuläre Mordtheorie geistert seit dem 3. August 1997 durch Großbritannien: Wurde Prinzessin Diana, die Ex-Frau des britischen Thronfolgers Prinz Charles, vom MI6 beseitigt? Sgro schreibt dazu, dass das britische Königshaus Angst vor einem muslimischen Schwiegervater des zukünftigen Königs gehabt hatte und Lady Di zu allem Überfluss auch noch schwanger gewesen sein soll. Diana war seit kurzem mit Dodi Al-Fayed zusammen, dem Sohn des Harrod-Geschäftsführers Mohamed Al-Fayed. Bis heute ist der Fall nicht aufgeklärt, Gerüchte über vertauschte Blutproben, eine überschnelle Einbalsamierung zur Vertuschung der Schwangerschaft und den Einsatz einer Stroboskop-Lichtkanone zur Blendung des Limousinen-Fahrers machen noch immer die Runde.
    Spanien – CNI
    panther/Montage
    CNI, das Kürzel des spanischen Geheimdienstes, steht für „Centro Nacional de Inteligencia“
    Organisation des spanischen Geheimdienstes

    In Spanien kümmert sich der Centro Nacional de Inteligencia (CNI) um Spionage-Dinge. Der Geheimdienst ist Teil des spanischen Verteidigungsministeriums. Seine Aufgaben umfassen die Informationsbeschaffung und Abwehr, aber auch wirtschaftliche Analysen und politische Risikobewertungen. Der spanische Ministerrat fungiert einerseits als Kontrollorgan, andererseits bestimmt er jährlich die Ziele der Behörde neu. Der CNI umfasst etwa 600 Mitarbeiter.

    Geschichte des CNI

    Die Wurzeln der Behörde liegen in der Zeit des spanischen Bürgerkriegs: 1935 gründete die Zweite Republik einen Geheimdienst, der – überrascht vom Beginn des Krieges – allerdings nie seine Arbeit aufnahm. Bis zu acht verschiedene Dienste arbeiteten bis in die 70er-Jahre gleichzeitig, zum Teil beschafften sie sogar dieselben Informationen.

    Erst 1972 gründete sich der erste offizielle Geheimdienst in Spanien, der sogenannte Zentrale Dokumentationsdienst – noch unter der Diktatur des Generals Francisco Franco. Hauptzweck war der Schutz der Diktatur und die Aufdeckung von Umsturzplänen. 1977, zwei Jahre nach dem Tod des Diktators, wurde der Geheimdienst reformiert und dem Verteidigungsministerium angegliedert.

    Spektakuläres über das CNI

    „Sieben spanische Agenten im Irak getötet“ – diese Nachricht ging 2003 um die Welt. Mit einem Schlag verlor der spanische Geheimdienst praktisch alle Experten in dem Land. Und alles nur, weil die Agenten offenbar einem irakischen Doppelagenten zum Opfer fielen. An einem Samstag im November trafen sich vier dort stationierte CNI-Agenten mit ihren Kollegen, die sie ablösen sollten. Mit dabei: ihre Kontaktperson und Informanten – und ein Maulwurf, der die Spanier an Saddams Truppen verriet. Ein tödlich verwundeter Agent rief offenbar noch während des Hinterhalts bei der CNI-Zentrale an und flehte mit letzter Kraft: „Sie bringen uns um. Schickt Hubschrauber herbei!“.
    Ein schwieriges Verhältnis hat der CNI zum spanischen Königshaus: Als sich König Juan Carlos in den 2000ern eine Geliebte leistete, musste Spaniens Geheimdienstchef vor dem Parlament antanzen und Auskunft geben – offiziell zum Schutz der Monarchie und des Wohl des Königs. Doch eigentlich ging es um die Frage, ob die „enge Freundin“ des Königs auf Staatskosten ausgehalten wurde. Die Befragung verlief allerdings hinter verschlossenen Türen und ergab nichts Erhellendes. Erst ein Mitarbeiter der Polizeigewerkschaft erhärtete die Gerüchte und so wurde das Verhältnis zum Politikum – ohne Beteiligung des CNI.
    Israel – Mossad
    AFP/Montage
    Israels berüchtigter Geheimdienst Mossad
    Organisation des israelischen Geheimdienstes

    In Israel gibt es vier Behörden, die sich um nachrichtendienstliche Belange kümmern: Den militärischen Geheimdienst Aman, den wissenschaftlichen Nachrichtendienst Lakam, den Inlandsgeheimdienst Schin Bet und den – sicherlich am bekanntesten – Auslandsgeheimdienst Mossad. Das Hauptquartier des Mossad befindet sich in Tel Aviv, laut Schätzungen arbeiten in der Behörde etwa 1200 Geheimdienstler. Darunter aktive Agenten, die sogenannten Katsas, und freiwillige Helfer, die sogenannten Sjanim – organisiert in einem weltweiten Netz israelischer Spione. Der Mossad kümmert sich um die Sicherheit des Landes und des Militärs, gilt aber auch als operativer Arm der Regierung – Geschichten über Liquidierungen und Entführungen durch Mossad-Agenten gibt es seit jeher.

    Geschichte des Mossad

    Israel ist ein vergleichsweise junger Staat: 1947 teilte die UN Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat – um einen Lebensraum für die Überlebenden des Holocausts zu schaffen. Für die arabische Bevölkerung stellten die Pläne jedoch eine Provokation dar: Einer der zentralen Konflikte des 20. Jahrhunderts war geschaffen. Kriegerische Auseinandersetzungen folgten, gleichzeitig arbeiteten inoffizielle Organisationen daran, arabische Aufstände zu vermeiden. 1949 gründete der damalige Premierminister David Ben-Gurion dann den ersten offiziellen Geheimdienst, zunächst dem Außenministerium zugeordnet, später Teil des Büros des Premierministers.

    Spektakuläres über den Mossad

    Wie Alexandra Sgro in ihrem Buch „Geheimdienste der Welt“ beschreibt, wählte der Mossad seine Bewerber besonders streng aus: Angehende Agenten mussten ihre Geschicklichkeit unter Beweis stellen, indem sie an gut einsehbaren Stellen Bomben platzieren sollten – ohne, dass sie dabei gesehen werden. Wer geschickt genug war, wurde Agent. Heute steht am Beginn lediglich ein medizinischer und psychologischer Check, die Ausbildung dauert drei Jahre – mit einem Stundenplan aus Ausfragen, Leeren toter Briefkästen, Durchführung von Anschlägen und die spezielle israelische Kampfkunst Krav Maga.

    Doch das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Mossad einer der effizientesten Geheimdienste weltweit ist, erklärt der Experte Beer. Eine der spektakulärsten – und ersten großen – Operationen des Mossads war die Gefangennahme des nach Argentinien geflohenen Nazis Adolf Eichmann. Er war als Mitglied des Reichsicherheitshauptamtes maßgeblich an der Deportation und Ermordung der Juden im „Dritten Reich“ beteiligt. Er tauchte in Südamerika unter, wurde allerdings vom Mossad aufgespürt und 1960 verhaftet. Nach einem neunmonatigen Prozess wurde er zum Tode verurteilt und 1962 hingerichtet.

    Zehn Jahre später kam es bei den Olympischen Spiele in München zur Katastrophe: Eine palästinensische Terror-Gruppe ermordete elf israelische Sportler – die israelische Führung schwor Rache. Die Sonderheinheit „Caesarea“ jagte die acht Mörder über den gesamten Globus und vollendete die Hatz mit dem Mord an dem letzten Attentäter im Jahr 1979. Die Operation „Zorn Gottes“ ging in die Geschichte ein – wohl auch deshalb, weil ein Unschuldiger sterben musste. Mossad-Agenten töteten den Marokkaner Ahmed Bouchiki. Sie verwechselten ihn mit einem der palästinensischen Attentäter.
    Und auch heute noch scheint der Mossad sehr aktiv zu sein. 2012 machte ein Medienbericht die Runde, wonach sich israelische Agenten Mitte der 2000er als CIA-Spione ausgegeben haben sollen, um eine Rebellen-Organisation zu Anschlägen im Iran anzustiften. Es war eine der „besonderen“ Methoden im geheimen Atomkrieg. Von 2010 bis 2012 wurden vier iranische Atom-Wissenschaftler ermordet – von Israel, so Beobachter.
    China – Ministerium für Staatssicherheit
    Colourbox
    In China ist das Ministerium für Staatssicherheit als Geheimpolizei tätig
    Organisation des chinesischen Geheimdienstes

    Der Geheimdienst in der Volksrepublik China teilt sich in das Ministerium für Staatssicherheit und den Militärnachrichtendienst auf. Das Ministerium kümmert sich dabei um in- wie ausländische Belange und gilt als einer der größten Geheimdienste weltweit. Die Methoden wie Netzzensur, Verletzung von Menschenrechten und zum Teil gewalttätige Überwachung von Dissidenten zeigt, dass das Ministerium ein Dienst mit polizeilichen Befugnissen zu sein scheint.

    Geschichte des Ministeriums für Staatssicherheit

    Dass Geheimdienste nicht erst ein Phänomen der Moderne sind, zeigt das riesige Netzwerk von Geheimdiensten in der Ming-Dynastie. Die Agenten wurden von Eunuchen angeführt, zumeist einfache Männer aus dem Volk. Die Ming-Herrscher sahen sich im 16. Jahrhundert zunehmend bedroht durch die Macht der Geheimtruppen und ihren Führern. Alle Maßnahmen kamen schließlich zu spät, die große Ming-Dynastie zerbrach. Unter anderem wegen des Konflikts zwischen hohen Beamten und den aus niedriger Herkunft stammenden Eunuchen.

    Im Jahr 1949 gründete die Kommunistische Partei den Vorläufer des Sicherheitsministeriums. Die Behörde sollte die Granden der Partei über weltweite Vorkommnisse unterrichten, basierend auf Nachrichten der Presseagenturen und einer limitierten Zahl Zeitungen und Bücher. Mit der Konsolidierung der Macht der Kommunistischen Partei wuchs auch die Aufgabe des Geheimdienstes, die jäh durch die Kulturrevolution unterbrochen wurde. In den Siebziger Jahren wurde die Arbeit wieder aufgenommen und die Behörde in kurzer Zeit massiv erweitert, bis sie 1983 in das Ministerium für Staatssicherheit überformt wurde – um alles abzuwehren, was dem sozialistischen System Chinas gefährlich werden könnte.

    Spektakuläres über das Ministerium für Staatssicherheit

    Die größte Bedrohung geht von Chinas Cyberspionage aus: Erst im Mai hatte eine US-Expertenkommission eine Liste von militärischen Projekten veröffentlicht, die vom chinesischen Geheimdienst über das Internet ausspioniert wurde. Darunter derart wichtige strategische Objekte wie das Patriot-Raketenabwehrsystem, Flugzeuge und Kriegsschiffe. Aber auch das Videosystem für Drohnen, Nanotechnologie, Nachrichtenverbindungen – der Schaden sei kaum absehbar, so die Kommission. Der Hintergrund sind offenbar die Modernisierungsbemühungen der chinesischen Armee.
    Doch auch vor Ort scheinen chinesische Spione ihrer subversiven Tätigkeit nachzugehen: Etwa 120 Agenten arbeiten in den USA, Kanada, Japan, West-, Ost- und Nord-Europa als Geschäftsleute, Industrie-Arbeiter, Banker, Wissenschaftler, Journalisten.
    Finnland – Supo
    Motage/Panther
    Der „Supo“, der zivile Nachrichtendienst, ist nur einer von Finnlands Geheimdiensten
    Organisation des finnischen Geheimdienstes

    In Finnland gibt es zwei offizielle Nachrichtendienste: Zum einen die „Suojelupoliisi“ (Supo), den zivilen Nachrichtendienst, und das „Pääesikunnan tiedusteluosasto“, den militärischen Nachrichtendienst. Die Supo ist ein Teil der finnischen Polizei und untersteht dem Innenminister, ihr Hauptquartier steht in Helsinki. Etwa 220 Geheimdienstler arbeiten dort an Terrorismus-Bekämpfung, Gegenspionage und allgemein der Bekämpfung von Verbrechen, die sich gegen die Regierung und die Politik richten.

    Das „Pääesikunnan tiedusteluosasto“ dagegen untersteht dem finnischen Verteidigungsminister. Die Behörde ist mit dem Schutz des finnischen Hoheitsgebiets beauftragt. Ein zentrales Mittel für die Überwachung ist die Funkaufklärung: Sie sitzt in der zentralfinnischen Kleinstadt Tikkakoski.

    Geschichte der Supo

    Finnland litt schon immer unter seiner exponierten Lage: Über Jahrhunderte hinweg führten Schweden und Russland ihre kriegerischen Konflikte auf dem finnischen Festland aus, erst im 19. Jahrhundert konnten die Finnen die Fremdherrschaft abschütteln und zu einem eigenständigen Staat werden, obgleich eine starke Abhängigkeit zu Russland auch weiterhin bestand. 1917 rief Finnland seine Unabhängigkeit aus, eine tiefe Kluft zwischen rechten und linken politischen Kräften durchzog jedoch das Land.

    Darin fußt die Geschichte der Geheimdienste: Rechte Kräfte gründeten eine Vorläufer-Organisation der Supo, um die „Roten“ zu überwachen. Nach dem Ende der Konflikte 1919 wurde die Geheimdienstarbeit dem Innenministerium unterstellt. Ab da lässt sich eine durchgehende Spionage-Tätigkeit bis in die Gegenwart verfolgen. Doch die politische Entzweiung brodelte weiter: 1949 wurde die Supo gegründet, um die mit Kommunisten besetzte Staatspolizei abzulösen. Die Organisation hat kein eigenes Einsatzkommando. Sie kann allerdings auf das „Karhu“-Team zurückgreifen, ähnlich dem amerikanischen Swat-Team.

    Spektakuläres über die Supo

    Eine der spektakulärsten Einsätze ist sicherlich Operation Stella Polaris: Im Zweiten Weltkrieg wurde Finnland erneut Dreh- und Angelpunkt östlicher und westlicher Machtinteressen. Einerseits verbündete sich Finnland zwar mit Nazi-Deutschland, andererseits fürchtete die Führung sowohl eine Invasion der Wehrmacht als auch der sowjetischen Truppen. Die Lösung war eine geheime Operation mit den Vereinigten Staaten: Mehrere finnische Spione setzten sich in das benachbarte Schweden ab und verkauften Informationen über das „Dritte Reich“ und die Sowjetunion an die USA.
    1942, bei einem Besuch Heinrich Himmlers, spionierte der finnische Geheimdienst den damaligen Reichsführer SS aus – und rettete so wohl 2000 Juden das Leben, wie die Historikerin Janne Könönen 2002 herausfand. Die heimlich abfotografierte Liste mit den Namen einheimischer Juden wurde dem damaligen Staatspräsidenten ausgehändigt – dieser sprach sich vehement gegen eine Auslieferung der Juden aus und bewahrte sie so vor der sicheren Deputation in deutsche Lager.
    Die schwierige Quellenlage
    Das Internet ist voll brisanter Informationen über die Geheimdienste der Welt. Teilweise ist die Quellenlage mysteriös – und oft falsch. Behörden, die im Geheimen agieren, haben es natürlich an sich, zu den wildesten Verschwörungstheorien einzuladen, die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion verwischen gerne. Doch es gibt auch seriöse und wissenschaftliche Ansätze – eine Übersicht:

    Einen pragmatischen und sehr überblicksreichen Ansatz bietet das Buch „Geheimdienste der Welt“ von Alexandra Sgro, 2013 erschienen im Compact Verlag. Sgro fasst die wichtigsten Informationen zu bekannten Geheimdiensten wie MI6, BND, CIA aber auch unbekannteren Behörden wie Schwedens Säkerhetspolisen oder Griechenlands Ethniki Ypiresia Pliroforion zusammen und reichert die Berichte mit Geschichten zu den größten Skandalen und bekanntesten Spionen an.

    Auf der wissenschaftlichen Seite schreibt der emeritierte Professor Dr. Wolfgang Krieger in seiner Monographie „Geschichte der Geheimdienste. Von den Pharaonen bis zur CIA“, 2010 in der zweiten Auflage bei C.H. Beck erschienen. Wie der Titel vermuten lässt, beginnt Krieger seine historische Suche nach den Wurzeln der Spionage in der Antike und verfolgt sie bis in die Gegenwart. Die aktuellsten Entwicklungen zu Snowden und der NSA fanden dabei aufgrund des Veröffentlichungszeitpunktes nicht in das Buch. Spannend: Trotz allem schreibt Krieger über Bürgerrechtsverletzungen, versteckte Kooperationen der internationalen Geheimdienste und „Whistleblower“.

    Das „Austrian Center for Intelligence, Propaganda & Security Studies“ (ACIPSS) ist eine wissenschaftliche Plattform unter der Ägide von Professor Dr. Siegfried Beer. Das ACIPSS bietet Tagungsberichte, wissenschaftliche Studien und Interviews zu aktuellen Phänomenen – wie beispielsweise zum Abhör-Skandal. Außerdem beschäftigt sich das Center mit der Geschichte der Geheimdienste im europäischen Westen sowie den USA.

    Von FOCUS-Online-Redakteur Julian Rohrer , FOCUS-Online-Autor Johannes Ruprecht und FOCUS-Online-Autorin Lisa Kohn

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    © FOCUS Online 1996-2013

    Datenspionage in Deutschland; BND schnüffelte millionenfach für US-Geheimdienste

    Ist der Bundesnachrichtendienst ein Handlanger der US-Geheimdienste? Einem Bericht des “Spiegel” zufolge leiten die deutschen Agenten noch weit mehr Daten an die US-Kollegen weiter als angenommen.

    Eine Demonstrantin vor dem Gebäude des Bundesnachrichtendienstes

    Der Bundesnachrichtendienst (BND) übermittelt nach einem “Spiegel”-Bericht in großem Umfang Metadaten aus der eigenen Fernmeldeaufklärung an die wegen ihrer Datensammelwut umstrittene US-Behörde NSA. Der deutsche Auslandsgeheimdienst gehe inzwischen davon aus, dass sich sein Standort im bayerischen Bad Aibling hinter einer der beiden Datensammelstellen (Sigads) verbergen könnte, über die der US-Geheimdienst laut Unterlagen aus dem Archiv des US-Informanten Edward Snowden allein im Dezember 2012 unter der Überschrift “Germany – Last 30 days” rund 500 Millionen Metadaten erfasste. Das schreibt das Hamburger Magazin in seiner neuen Ausgabe.
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    Der BND betonte, man arbeite mit der NSA seit über 50 Jahren zusammen – “insbesondere bei der Aufklärung der Lage in Krisengebieten, zum Schutz der dort stationierten deutschen Soldatinnen und Soldaten und zum Schutz und zur Rettung entführter deutscher Staatsangehöriger. Genau diesen Zielen dient auch die Zusammenarbeit mit der NSA in Bad Aibling, die in dieser Form seit über zehn Jahren erfolgt und auf einer Vereinbarung aus dem Jahr 2002 basiert.” Nach wie vor gebe es “keine Anhaltspunkte dafür, dass die NSA in Deutschland personenbezogene Daten deutscher Staatsangehöriger erfasst”, betonte der Geheimdienst-Sprecher.

    Man gehe davon aus, “dass die Sigad US-987LA und -LB” den Stellen “Bad Aibling und der Fernmeldeaufklärung in Afghanistan zugeordnet sind”, teilte der BND laut “Spiegel” mit. “Vor der Weiterleitung von auslandsbezogenen Metadaten werden diese in einem mehrstufigen Verfahren um eventuell darin enthaltene personenbezogene Daten Deutscher bereinigt.” Deutscher Telekommunikationsverkehr werde nicht erfasst, so der BND.

    Unterlagen aus dem Snowden-Archiv zufolge unterhalten NSA-Abhörspezialisten auf dem Gelände der Mangfall-Kaserne in Bad Aibling eine eigene Kommunikationszentrale und eine direkte elektronische Verbindung zum Datennetz der NSA, so “Der Spiegel”. Die Weiterleitung der Metadaten in diesem Umfang wirft laut Magazin neue Fragen auf, etwa nach der rechtlichen Grundlage für einen derart weitgehenden Austausch.

    Dem BND zufolge laufen “alle Aktivitäten im Rahmen von Kooperationen mit anderen Nachrichtendiensten unter Einhaltung der Gesetze, insbesondere des BND-Gesetzes und des G-10-Gesetzes”. Die Übermittlung personenbezogener Daten deutscher Staatsangehöriger erfolge auch “nicht massenhaft, sondern nur im Einzelfall und nach Vorgaben des G-10-Gesetzes. Im Jahr 2012 wurden lediglich zwei Datensätze eines deutschen Staatsangehörigen im Rahmen eines derzeit noch laufenden Entführungsfalls an die NSA übermittelt.”

    3. August 2013, 20:34 Uhr

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    © stern.de

    NSA use of bases in Germany remains murky

    More than 20 years after the end of the Cold War, the US still has several military bases in Germany. Experts think that they could play a key role for the NSA’s activities.

    “German law applies on German soil and anyone operating here needs to adhere to it,” German Chancellor Angela Merkel said at a news conference before the summer recess. Merkel made the comment in connection with alleged US intelligence activities in Germany.

    After Merkel had gone off on holiday, UK daily The Guardian published fresh revelations on the NSA software XKeyscore. The article showed a graphic that pointed to data being mined by US intelligence from servers in Germany rather than just from servers based in the US.

    There is now speculation that the NSA and other US intelligence agencies obtain access to German Internet hubs via US military bases in Germany. More than 50,000 US soldiers are still based in Germany – more than the entire armed forces of Belgium. Worldwide, the US has several hundred bases.
    Gaycken: Spying from US military basis likely

    It helps to be close by

    IT specialist Sandro Gaycken from the Free University Berlin says it is highly likely that the US uses its military bases to gain access to cables. “It helps to be physically close to the data hubs you want to mine from,” he told DW. “It does make sense,” he added.

    But can US intelligence really gain access without the German government’s knowledge? Gaycken says it is possible, but unlikely. “If it’s servers in allied countries, it could be that special contracts allow you direct and legal access to those systems,” he explains.

    Legal basis for spying

    And there are agreements regulating US intelligence activities on US military bases in Germany. In 1968, the G10 law was passed, regulating the surveillance of postal and telecommunications services by German intelligence agencies.

    The law also included an administrative agreement that allowed wiretapping and surveillance by the allied forces in Germany for the purpose of protecting the troops.

    On Friday (02.08.2013) Germany’s Foreign Ministry declared that “the administrative agreement from 1968/69 in connection with the G10 law” with the US and the UK was being suspended “by mutual consent.”

    German Foreign Minister Guido Westerwelle called it “a necessary and correct consequence resulting from the recent debates about privacy.”
    The German government suspended an agreement with the US

    Purely symbolic?

    But the announcement has not changed anything, as the agreement has long been obsolete, according to a government spokesman, who said on July 8 that it had not been applied since reunification in 1990.

    And so the speculating continues as to the legality of the NSA’s activities in Germany. What is clear is that US intelligence agencies operate on US military bases in Germany.

    The German Defense Ministry issued a paper listing companies that profited from discounts available to those who do business with US forces in Germany. The paper names 207 companies that were granted discounts “for analytical services.”

    “Senior intelligence systems analyst” or “signal intelligence analyst” are two job descriptions that would have fit the bill, according to the paper.

    The German government told reporters on July 31 that “analytical activities” included technical, military services. But they said they were not exactly sure what that entails.

    The firm whistleblower Edward Snowden worked for, Booz Allen Hamilton, was granted a license for “intelligence operations” in Germany, according to a German Foreign Ministry source from November 28, 2008.
    Scmidt-Eenboom: NSA is an all too powerful force

    What happened in the Dagger complex?

    Some of the companies eligible for those discounts may well be working for the NSA in the Dagger complex in Griesheim near Darmstadt. More than 1,000 US intelligence agents work in this predominantly underground complex.

    “Germany could demand for the US to close down a facility like the one in Griesheim – if Germany took the view that the Americans are violating Germans’ civil rights,” says intelligence expert Erich Schmidt-Eenboom.

    “But that would mean confrontation, also between the various agencies. And that’s something the relatively small [German Foreign Intelligence Service] BND cannot afford.”

    Date 03.08.2013
    Author Marcus Lütticke / ng
    Editor Richard Connor

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    © 2013 Deutsche Welle

    Überwachung; BND leitet massenhaft Metadaten an die NSA weiter

    Die NSA verfügt über Millionen Verbindungsdaten aus Deutschland – nach SPIEGEL-Recherchen übermittelt der Bundesnachrichtendienst viele der Informationen. Auch die technische Kooperation der beiden Geheimdienste ist enger als bislang bekannt.

    Hamburg – Der Bundesnachrichtendienst (BND) übermittelt in großem Umfang Metadaten aus der eigenen Fernmeldeaufklärung an die NSA. Der deutsche Auslandsgeheimdienst geht inzwischen davon aus, dass sich sein Standort in Bad Aibling hinter einer der beiden Datensammelstellen (Sigads) verbergen könnte, über die der US-Geheimdienst laut Unterlagen aus dem Archiv des Whistleblowers Edward Snowden allein im Dezember vergangenen Jahres unter der Überschrift “Germany – Last 30 days” rund 500 Millionen Metadaten erfasste.

    Man gehe davon aus, “dass die Sigad US-987LA und -LB” den Stellen “Bad Aibling und der Fernmeldeaufklärung in Afghanistan zugeordnet sind”, erklärte der BND gegenüber dem SPIEGEL. Unter Metadaten versteht man bei Telefonaten, E-Mails oder SMS die Verbindungsdaten, also unter anderem die Informationen, wann welche Anschlüsse miteinander verbunden waren.

    “Vor der Weiterleitung von auslandsbezogenen Metadaten werden diese in einem mehrstufigen Verfahren um eventuell darin enthaltene personenbezogene Daten Deutscher bereinigt.” Deutscher Telekommunikationsverkehr werde nicht erfasst, so der BND. Zudem habe man bislang “keine Anhaltspunkte, dass die NSA personenbezogene Daten deutscher Staatsangehöriger in Deutschland erfasst”. Ob die NSA noch weitere Metadaten aus Deutschland sammelt, und wenn ja auf welchem Wege, ist weiterhin unbekannt.

    Unterlagen aus dem Snowden-Archiv zufolge unterhalten NSA-Abhörspezialisten auf dem Gelände der Mangfall-Kaserne in Bad Aibling eine eigene Kommunikationszentrale und eine direkte elektronische Verbindung zum Datennetz der NSA.

    Die Weiterleitung der Metadaten in diesem Umfang wirft neue Fragen auf, etwa nach der rechtlichen Grundlage für einen derart weitgehenden Austausch. Dem BND zufolge laufen “alle Aktivitäten im Rahmen von Kooperationen mit anderen Nachrichtendiensten unter Einhaltung der Gesetze, insbesondere des BND-Gesetzes und des G-10-Gesetzes”.

    BND gab NSA Kopie zweier Programme

    Auch die technische Kooperation ist enger als bekannt. Unterlagen aus dem Snowden-Archiv zufolge gaben NSA-Spezialisten Vertretern von BND und Bundesamt für Verfassungsschutz ein Training im Umgang mit den neuesten Analysemethoden des Programms XKeyscore – dem Material zufolge soll es dabei unter anderem um Verhaltenserkennung (“behavior detection”) gehen.

    Umgekehrt zeigten sich NSA-Analysten schon vor Jahren an Systemen wie Mira4 und Veras interessiert, die beim BND vorhanden waren. “In einigen Punkten haben diese Werkzeuge Fähigkeiten, die die US-Sigint-Möglichkeiten übertreffen”, heißt es in den Unterlagen. Sigint bedeutet nachrichtendienstliche Informationsgewinnung. Weiter heißt es, dass der BND “positiv auf die NSA-Bitte nach einer Kopie von Mira4 und Veras” geantwortet habe.

    Der BND teilte am Abend als Reaktion auf den SPIEGEL-Bericht mit, er arbeite seit über 50 Jahren mit der NSA zusammen, insbesondere bei der Aufklärung der Lage in Krisengebieten. Diesem Ziel diene auch die Kooperation in Bad Aibling, die seit mehr als zehn Jahren erfolge und auf gesetzlicher Grundlage stattfinde. Personenbezogene Daten deutscher Staatsangehöriger würden nur im Einzelfall übermittelt.

    03. August 2013, 18:06 Uhr

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    © SPIEGEL ONLINE 2013

    NSA-Skandal empört Datenschützer; Schaar will Schnüffel-Server notfalls persönlich aufspüren

    Die NSA soll für ihre Schnüffelei auch Server in Deutschland nutzen. Datenschützer Peter Schaar verlangt darüber Auskunft von den Telekomanbietern. Weil diese schweigen, droht er mit Kontrollbesuchen.

    “Die Tätigkeit von ausländischen Nachrichtendiensten auf deutschem Boden muss geklärt werden”: Deutschlands oberster Datenschützer Peter Schaar.

    Die USA halten uns hin, die Bundesregierung weiß angeblich von nichts und Kanzlerin Merkel gibt sich mit solchen Details nicht ab: Manchmal scheint es, als wäre der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar der einzige Offizielle, der wirklich an der Aufklärung der NSA-Spähaffäre interessiert ist. Tief besorgt über die offenbar fast grenzenlosen Möglichkeiten zur Überwachung des Internets durch den US-Auslandsgeheimdienst zeigte sich Deutschlands oberster Datenschützer am Freitag in der ARD. “Das versetzt uns in Alarm, zurecht”, sagte Schaar. Das Programm “XKeyscore” sei “nicht nur so ein Stück Software”. Es handele sich offensichtlich um ein System, das aus einem Programm und weltweit verteilten Servern besteht.
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    “Was mich besonders beunruhigt, sind die Meldungen darüber, dass es auch in Deutschland entsprechende Server geben soll, über die entsprechende Informationen über den Internetverkehr abgegriffen werden”, erklärte Schaar. Dieser Frage gehe er derzeit nach. Er habe sich an die entsprechenden Telekommunikationsunternehmen gewandt – aber “bisher kaum Antworten gekriegt”. Er und seine Mitarbeiter hätten jedoch das Recht, sich dies vor Ort anzuschauen, warnte der Bundesbeauftragte die Telekomanbieter. “Und gegebenenfalls werden wir davon auch Gebrauch machen.”

    Von der Bundesregierung erwartet er dabei offenbar mehr Unterstützung und ein selbstbewussteres Auftreten gegenüber der US-Regierung und der NSA: “Auch die Tätigkeit von ausländischen Nachrichtendiensten auf deutschem Boden, etwa im Rhein-Main-Gebiet, wo sich die wichtigsten Internetknoten befinden, muss geklärt werden”, forderte er in der “Berliner Zeitung”.
    “Unsere Grundrechte werden ausgehebelt”

    Die eigene Regierung griff Schaar in der NSA-Affäre ungewöhnlich scharf an. “Wie Herr Pofalla zu sagen, die deutschen Nachrichtendienste hielten zu 100 Prozent den Datenschutz ein, ist sehr mutig”, sagte er der Zeitung mit Bezug auf die jüngsten Beschwichtigungen von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU). “Wenn Sie meine Tätigkeitsberichte lesen, werden Sie feststellen, dass da auch nicht alles zu 100 Prozent datenschutzkonform gelaufen ist.”

    Da in- und ausländische Nachrichtendienste ihre Informationen offenbar austauschten, bestehe der begründete Verdacht, “dass auf diese Weise unsere Grundrechte ausgehebelt werden, selbst wenn es bei uns eine gesetzliche Begrenzung auf 20 Prozent der Übertragungskapazität gibt”. Klärungsbedarf sieht Schaar nach wie vor, da nicht nur das Parlamentarische Kontrollgremium – in dem Pofalla jüngst vorgesprochen hatte – Anspruch auf Informationen habe. “Wir brauchen mehr Transparenz”, sagte er der Zeitung, “nicht nur gegenüber Geheimgremien, sondern in der Öffentlichkeit”. Eine Kontrolle im Geheimen sei nur “sehr begrenzt wirksam”.
    “Ich habe Friedrichs Äußerung nicht verstanden”

    Tadelnde Worte richtete Schaar auch an Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der im Zusammenhang mit den aufgedeckten Überwachungsprogrammen von einem “Supergrundrecht” auf Sicherheit gesprochen hatte. “Ich habe diese Äußerung nicht verstanden”, sagte der zum Jahresende aus dem Amt scheidende Datenschutzbeauftragte. “Es gibt im Grundgesetz ein einziges Supergrundrecht, und das ist die Menschenwürde.” Sicherheit sei wichtig, dürfe aber nicht über allem stehen. Schaar zufolge muss eine Demokratie den Anspruch haben, “hier steuernd einzugreifen und die Überwachung zurückzufahren”.

    2. August 2013, 11:32 Uhr

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    © stern.de

    NSA: permission to spy in Germany

    Germany has been under surveillance by the United States for decades, and German leaders have been fully aware of it, says historian Josef Foschepoth. The reason? Secret post-war accords.

    Deutsche Welle: The NSA spy scandal continues to ruffle feathers in Germany, Mr. Foschepoth. As a historian, you say the surveillance has been going on since the early days of post-war Germany. So, the revelations of Edward Snowden were not a surprise to you?

    Josef Foschepoth: No, not really. I was surprised instead by the initial reactions, in particular, from the political side. They were as if this had happened for the first time, as if it was something terribly bad and unique. But that is not the case. From my own research, I know that this happened countless times in the 1960s in Germany.

    How do you explain the rather low-key response from the German government?

    Well, such affairs are always very uncomfortable because they bring to light something that had functioned in the shadows. And this function should not be disturbed, so it’s played down. But now, this is no longer the case because it is an instance of severe and intensive surveillance. And moreover: it has been conducted by a friendly state.

    This surveillance, as you’ve said, has been going on for decades, since the beginning of the Federal Republic of Germany in 1949. What rights did the occupation forces – among them, the Americans – have at that time?

    Let’s be clear that the victorious forces were in Germany to occupy the country. They wanted to make sure that Germany would never again be a threat as it was during the Nazi dictatorship. But, after the victory over Nazi Germany, a further conflict began with the Soviet Union and the Cold War was born. It was a two-fold conflict that required a new strategy from the United States. A policy of double containment ensued: containment of the Soviet Union on the one hand and Germany on the other. And an essential element of this policy was surveillance.

    The so-called General Treaty, which regulated ties between Germany and the three allied powers, went into effect in 1955. The Federal Republic was to have the full powers of sovereignty over its domestic and foreign affairs. What did that mean for the surveillance strategy of the Americans?

    These formulations, of course, are always very nice and are meant for the public, more than anything. Ten years after the end of World War Two, the Germans felt the fundamental urge to be a sovereign state once again. But that was not the case at all because in the treaties from 1955 – it was volumes of treaties – were secret supplemental agreements which guaranteed key rights for the Western allied forces; among them, the right to monitor telephone and postal communications.

    What was the motivation for the German side behind all this?

    The Americans exerted massive pressure. They did not want to give up this territory, which was geostrategically important for its surveillance operations. German leaders, of course, wanted to be able to say that we now had a bit more sovereignty; in other words, a few strokes for the reawakening national psyche. Of course, what they didn’t say was we had to accept the same circumstances we had in the past under the occupation in the future as well, due to the international treaties and secret agreements. And these agreements are still valid and binding for every German government, even today.

    How could these agreements survive all these years?

    They were secret. The US had build a little America with its bases, in which the German government could not govern. When then-chancellor Helmut Kohl worked to clinch German reunification, he realized that this issue was a little difficult and controversial, so he said let’s just ignore it, and so, there were no negotiations over America’s special status rights. Therefore, these supplemental agreements are still in effect.

    Chancellor Merkel stresses that Germany is not a ‘big brother’ society. You say that Germany is one of the most closely monitored countries in Europe.

    The phrase ‘big brother society’ is certainly a bit polemical. But let me put it this way: The fall from grace happened in 1955 when Konrad Adenauer agreed to the special status rights in negotiations with the allied forces. The recognition of these rights by the chancellor meant that there was no going back to the sanctity and privacy of post and telecommunications, as it is written in the German constitution. That is how the large German-allied intelligence complex arose.

    That is interesting in that Germans are known for being very private about their data and it’s why they put great emphasis on data privacy.

    In the early years of the Federal Republic that was even more pronounced than it is today. That is why it was kept secret in the first place.

    Professor Josef Foschepoth is a historian at the University of Freiburg and author of the book “Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik” (Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2012)

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    © 2013 Deutsche Welle

    Rumors of NSA surveillance outpost in Wiesbaden persist

    Is a new building under construction at US Army headquarters in Wiesbaden also designed to house NSA spies? There are rumors, but the army says the facility is strictly for military intelligence units.

    One of the US Army’s most important facilities in Europe since the end of World War Two is in Wiesbaden, west of Frankfurt. During the Berlin blockade, this is where US planes took off in 1949 to supply Berlin with food, fuel and aid in what became known as the Berlin airlift. Today, the US Army in Europe (USAREUR) has its headquarters in Wiesbaden and is reportedly building a new military intelligence center that may also be used by the US National Security Agency (NSA.)

    The chief of Germany’s Federal Intelligence Service (BND), Gerhard Schindler, is said to have disclosed the plans during a closed-door meeting of parliament’s internal affairs committee. The BND, however, denied a subsequent German newspaper report on the planned surveillance outpost,and refused further comment.
    Mayor Gerich held lengthy talks with the US

    The army applied for a building permit for the high-tech structure, the Consolidated Intelligence Center (CIC), in 2008. The building is expected to be completed by the end of 2015, and will cost 124 million euros ($163 million). In the wake of mounting outrage at disclosures that the NSA was spying on allied governments and their citizens, Wiesbaden Mayor Sven Gerich wanted more information on the new surveillance outpost at Clay Barracks. Gerich met earlier this week for four hours of talks with Colonel David Carstens, commander of the US garrison in Wiesbaden.

    Friendly clarification

    The US military did not react angrily when asked about a possible NSA presence, the Wiesbaden mayor told DW. They understand how sensitive the issue is in Germany, Gerich said: “Colonel Carstens literally told me, this is purely a US Army facility, not an NSA facility.”

    But how credible is this information? “I do not have the impression that Colonel Carstens was lying,” the German mayor said, adding that the building was designed to house elements of a brigade currently at a base in Darmstadt. The US Army’s military intelligence brigade is being given better working conditions and more space to gather information for the safety of US troops in Europe. Larger structures, including antennas are not planned, Mayor Gerich said and made it clear that the city is in no position to object, anyway.
    The former NSA monitoring base in Bad Aibling near Munich

    New openness

    The meeting with the US military had an element of surprise, Gerich said. Media have reported the new surveillance structure in Wiesbaden will be completely sealed off, with access only by US personnel and even construction firms and material shipped from the US. However, it appears this secrecy is to be loosened somewhat by new information polices to accommodate concern among the population. Colonel Carstens offered to invite the media once construction of a good part of the surveillance center was finished. He wants people to realize that there are no subterranean facilities.
    Under certain circumstances the German government could have the site shut down

    The NSA site in Griesheim near Darmstadt has quite a few underground, or secret, facilities. Intelligence groups formerly set up in the Bavarian town of Bad Aibling work at the so-called Dagger Complex. That facility was closed in 2004, due to political pressure by former Bavarian state premier Edmund Stoiber. There was concern American intelligence services were using the Echelon intelligence collection and analysis network at the Bad Aibling station for industrial espionage in Germany. “They did not just have an eye on the Balkans, Afghanistan and Iraq,” German espionage expert Erich Schmidt-Eenboom told Deutsche Welle.

    Probably no NSA in Wiesbaden

    According to the expert, the Griesheim units are predominantly involved in satellite tracking. Depending on intelligence priorities, satellites are repositioned in their orbit, and moved to cover new areas of a crisis. NSA experts help with the data analysis. “If it is true that the Griesheim unit is not being moved to Wiesbaden, the information the US colonel gave the mayor is correct: NSA staff will not be working in the new surveillance building,” Schmidt-Eenboom said. The Wiesbaden mayor’s office confirmed authorities always noted military intelligence units from Darmstadt would move to Wiesbaden, there was never mention of the NSA in Griesheim .
    Satellite trackers reposition satelites

    Schmidt-Eenboom pointed out, however, that should the US Army’s information turn out to be false after all, the German government has the right to demand the site be shut down. Under the NATO Status of Forces Agreement, intelligence installations are not meant to provide protection to one individual nation, but to all member states.

    Should US spying activities actually target Germany, a difficult situation would arise – in theory. In reality, according to information spread by US whistleblower Edward Snowden, German and American intelligence services cooperate closely. Thus, and despite official disclaimers, experts are convinced NSA workers come and go at US bases across Germany.

    Date 26.07.2013
    Author Wolfgang Dick / db
    Editor Gregg Benzow

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    © 2013 Deutsche Welle

    Police investigate ‘United Stasi of America’ artist

    Berlin police are investigating whether an artist who projected “United Stasi of America” onto the US embassy in the German capital earlier this week could be charged with a criminal offence.

    German artist Oliver Bienkowski projected the message, along with a picture of internet tycoon and online activist Kim Dotcom onto the US embassy in Berlin on Sunday night.

    He was likening reported sweeping internet surveillance by Washington and London to spying by the former East German secret police. And while the image was projected onto the building for 30 seconds on Sunday night, the action has caused quite a stir.

    An investigation has been launched into whether the action constituted “slander against the organizations and representatives of a foreign state,” the Berlin-based Der Tagesspiegel newspaper reported on Thursday.

    Bienkowski’s lawyer Fabian Eickstädt pointed out that the projection was onto the US embassy, which is technically US territory. “For me it is not even clear whether German law would apply,” he said.

    And Der Tagesspiegel said that a criminal case of slander could only be launched if the victim were to make a formal complaint. The US embassy told the paper it had no interest in a prosecution.

    While Dotcom had no problem claiming the projection. “I defaced the U.S. embassy in Berlin with a truth-projection last night. 0Wned!” he tweeted. The video on YouTube has garnered nearly 80,000 hits.

    Dotcom, a German national, is the founder of file-sharing website Megaupload that was shut down by US authorities who seek to extradite him on charges of racketeering, fraud, money laundering and copyright theft.

    Dotcom, born Kim Schmitz, denies any wrongdoing and is free on bail in New Zealand ahead of his extradition hearing.

    US intelligence leaker Edward Snowden, in limbo at a Moscow airport, is also seeking to evade US justice after leaking explosive details about a vast US electronic surveillance programme and bugging of European missions.

    Germany has reacted with particular alarm to the revelations about the US and British spy programmes, given its history of state surveillance under the Nazis and the communist East German regime.

    Published: 11 Jul 2013 11:51 CET | Print version

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    © The Local Europe GmbH

    Im Namen von „Kim Dotcom“ bestrahlte er die US-Botschaft; Dieser Freimaurer verübte den Licht-Anschlag

    Berlin – Er ist bekennender Freimaurer, Sympathisant der Hacker-Gruppe „Anonymous“ – und er hat den Licht-Anschlag auf die US-Botschaft in Berlin für „Kim Dotcom“ verübt.

    Oliver Bienkowski (31), Chef einer Düsseldorfer Guerilla-Werbeagentur, projizierte den Schriftzug „United Stasi of America“ auf das Botschaftsgebäude. Für die Aktion brauchte er mehrere Wochen Vorbereitung, dazu drei Tage lang in der Hauptstadt, um sich den Ort anzuschauen.

    Sonntagnacht schlägt er zu: Plötzlich blitzt gegenüber dem Berliner Holocaust-Mahnmal die Licht-Botschaft auf. Darunter ein Bild von Internet-Betrüger Kim Schmitz (39), alias „Kim Dotcom“.

    ► Die Licht-Parole auf der US-Botschaft soll ein Protest gegen die Abhör-Aktivitäten der USA sein. Und weil Bienkowski ein Fan von „Kim Dotcom“ ist, schrieb er ihm per Mail von der Idee. Bienkowski zu BILD.de: „Er hat gesagt, dass wir sein Bild benutzen dürfen. Der Slogan stammt von ihm.“ Hacker „Kim Dotcom“ lebt in Neuseeland und betrieb dort die illegale Daten-Tauschbörse „Megaupload“.

    Der Licht-Anschlag kostete 5000 Euro, inklusive digitalem Beamer. Bienkowski hat alles aus eigener Tasche bezahlt. Auf YouTube stellte der Künstler ein Video der Aktion ein.

    Schließlich wurde er von der Polizei verjagt, eine Anzeige fürchtet der Lichtmaler, wie er sich nennt, aber nicht. Für die Grünen strahlte er bereits das Kanzleramt an, beim „Festival of Lights“ zauberte er einen Regenbogen aufs Brandenburger Tor.

    „Kim Dotcom“ freute sich seinerseits über die Aufmerksamkeit und postete den ersten BILD-Artikel bei Twitter.

    Ein Sprecher der US-Botschaft über die Aktion: „Sehr lustig, aber wer so einen Vergleich anstellt, kennt weder die Stasi noch Amerika.“

    08.07.2013 – 18:09 Uhr
    Von SOLVEIG RATHENOW

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    © BILD.de

    Spähaffäre; Deutsche Geheimdienste außer Kontrolle

    Der NSA-Skandal geht in Woche sechs, doch die Aufklärung läuft schleppend. Die Spähaffäre wirft ein Schlaglicht auf das Geflecht von Bundesregierung, Parlament und Agenten-Apparat. Kann man Geheimdienste überhaupt kontrollieren?

    Berlin – Die Bundesregierung gerät im Skandal um amerikanische Spähaktivitäten zunehmend unter Druck – und zieht sich auf drei Formeln zurück. Erstens: Deutsche und ausländische Nachrichtendienste arbeiten zusammen. Zweitens: Von der Dimension der Spähprogramme habe man erst durch den Whistleblower Edward Snowden erfahren. Drittens: Details über die Arbeit deutscher Geheimdienste werden nicht öffentlich, sondern in Gremien beraten.

    In einem dieser Gremien ging die Debatte um die Spionageaffäre am Dienstag in die nächste Runde: Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) war im Parlamentarischen Kontrollgremium zu Gast – eine vertraulich tagende Gruppe, die die deutschen Geheimdienste überwachen soll. Dreimal tagte das Gremium in den vergangenen Wochen. Viel klüger ist man allerdings noch immer nicht.

    Der NSA-Skandal wirft ein Licht auf das undurchsichtige Geflecht von Bundesregierung, Parlament und Geheimdiensten: Wer informiert wen? Kann man Nachrichtendienste überhaupt kontrollieren? Wie geht es jetzt weiter?

    Die wichtigsten Fragen und Antworten:

    1. Warum tagt das Gremium geheim?

    Die elf Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) setzen sich aus Innen- und Sicherheitsexperten aller Bundestagsfraktionen zusammen. Sie treffen sich in einem abhörsicheren, fensterlosen Raum in einem Nebengebäude des Reichstags, unweit der Kantine. Da die Arbeit der Geheimdienste naturgemäß geheim bleiben soll, ist die Gruppe zur Verschwiegenheit verpflichtet, auch gegenüber anderen Abgeordneten.

    Innenminister Friedrich berichtete am Dienstag dem PKG, was er während seines Besuchs in Washington an Informationen bekam. Ähnlich wie beim Bundessicherheitsrat, der über Rüstungsexporte entscheidet, dringen aber nur selten Details nach draußen, so auch dieses Mal.

    Bei der letzten Sitzung war Kanzleramtsminister Ronald Pofalla geladen, der unter anderem für die Koordinierung der Geheimdienste zuständig ist. Dazu die Chefs der drei Geheimdienste: Bundesnachrichtendienst (BND), Militärischer Abschirmdienst (MAD), Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Grünen fordern, die Kanzlerin selbst müsse vor dem Gremium erscheinen. Das soll in absehbarer Zeit allerdings nicht passieren.

    Die Regierung muss das Gremium über die Arbeit der Geheimdienste und besondere Vorgänge unterrichten. Die Gruppe darf Geheimakten einsehen und Mitarbeiter der Dienste befragen.

    So weit die Theorie. In der Praxis kann die Arbeit frustrierend sein, denn was Bundesregierung und Geheimdienste für berichtenswert halten, entscheiden sie zunächst einmal selbst. Die Folge: Von wirklich heiklen Vorfällen oder möglichen Skandalen erfahren die Bundestagskontrolleure oft erst aus den Medien.

    2. Kann man Geheimdienste überhaupt kontrollieren?

    Zwar mag die Kontrolle hierzulande besser sein als anderswo. Doch eine echte Überwachung der Geheimdienste ist kaum möglich. Wie sollen elf Parlamentarier auch überblicken, was Zehntausende Agenten im In- und Ausland treiben?

    Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, Dienstältester im PKG, sagte einmal: “Wie sollen wir die Geheimdienste kontrollieren, wenn wir keine Informationen bekommen?” Der Abgeordnete Wolfgang Neskovic, der für die Linken bis 2012 im PKG saß, nannte das Kontrollniveau “erbärmlich”, das Gremium einen “Wachhund ohne Gebiss”. Geheimdienstler würden die Sitzungen als “Märchenstunde” verspotten.

    Neben dem PKG ist aber auch noch die beim Bundestag angesiedelte sogenannte G-10-Kommission für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig. Der Name bezieht sich auf das “Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses” (Artikel-10-Gesetz). Auch dieses Gremium tagt geheim. Es hat vier Mitglieder, die vom PKG bestellt werden. Sie müssen keine Bundestagsabgeordneten sein. Derzeit sitzt dem Gremium der SPD-Politiker Hans de With vor, der einst Parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium war.

    Die G-10-Kommission muss ihre Genehmigung erteilen, wenn Geheimdienste Computer oder Telefone anzapfen wollen, um deutsche Staatsbürger auszuspähen. Auch die Durchsuchung von Kommunikationsdaten nach bestimmten verdächtigen Schlagworten muss die Kommission genehmigen.

    2011 soll das Gremium den Inlandsgeheimdiensten insgesamt 156 Abhörmaßnahmen bewilligt haben. Die Gründe dafür sind im Gesetz festgelegt, unter anderem geht es um Terrorabwehr, Waffen- und Drogenschmuggel sowie organisierte Geldwäsche.

    Allerdings kann auch der Auslandsgeheimdienst BND bei der G-10-Kommission beantragen, im großen Stil Daten an den internationalen Internetknotenpunkten abzufischen. Eine flächendeckende Überwachung ist verboten, das Gesetz sieht eine Grenze von 20 Prozent vor. Die wird angeblich nicht ausgeschöpft, sondern “pendelt bei etwa fünf Prozent”, sagte jüngst Kommissionschef de With.

    3. Was wussten deutsche Agenten vom US-Lauschangriff?

    Darauf gibt es bislang keine abschließende Antwort. Die hiesigen Geheimdienstler sagen, sie hätten keine Hinweise darauf, dass an deutschen Kommunikationsknotenpunkten Daten abgesaugt wurden. Es gebe zwar eine Zusammenarbeit mit den US-Behörden. Über massenhafte Lauscheinsätze gegen deutsche Bürger sei man aber nicht informiert gewesen.

    Der Whistleblower Snowden hatte im SPIEGEL angegeben, deutsche und amerikanische Geheimdienste steckten in Sachen Internetüberwachung “unter einer Decke”. Auch ein Bericht der “Bild”-Zeitung wirft neue Fragen auf. Demnach wusste der BND angeblich seit Jahren von der nahezu kompletten Datenerfassung durch die Amerikaner und griff in Gefahrenlagen aktiv darauf zu.

    Derzeit kann nichts nachgewiesen, aber Zweifel können auch nicht ausgeräumt werden. Wenn deutsche Geheimdienste von den Aktionen der US-Dienste gewusst und diese möglicherweise unterstützt haben, wäre das nach deutschem Recht strafbar.

    4. Wie geht es jetzt weiter?

    Die Kanzlerin telefonierte mit US-Präsident Barack Obama, mehrere Fragenkataloge wurden verfasst, zwei Delegationen nach Washington geschickt. Zur Zeit wird gewartet: Darauf, dass die USA einige als geheim eingeordnete Dokumente deklassifizieren, also aus der Geheimhaltungsstufe herausheben. Von diesem Schritt verspricht sich Berlin Aufschluss über das Ausmaß der NSA-Aktivitäten. Weitere Besuche und Gespräche sind geplant.

    Teile der Opposition fordern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Schnelle Antworten gäbe es durch den aber auch nicht. Im EU-Parlament beschäftigt sich der Innenausschuss mit der Materie und will bis Ende des Jahres einen Bericht vorlegen. Zu einem Sonderausschuss konnte man sich in Straßburg nicht durchringen. Sechs Wochen nach den Enthüllungen sind also wichtige Fragen noch immer offen. Gut möglich, dass das Thema den Wahlkampf mitbestimmen wird – vor allem, wenn noch weitere Details herauskommen sollten.

    16. Juli 2013, 14:25 Uhr
    Von Annett Meiritz und Philipp Wittrock

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    © SPIEGEL ONLINE 2013

    NSU-Untersuchungsausschuss: “Wir haben die Arbeit der Polizei gemacht”

    Bis zuletzt hatte der baden-württembergische Verfassungsschutz versucht, seinen Auftritt zu verhindern – allerdings vergeblich: Vor dem Berliner NSU-Untersuchungsausschuss sagte nun ein ehemaliger V-Mann-Führer aus, dessen Quelle ihm Vertuschung vorwirft.

    Wäre der Anlass nicht so furchtbar, man hätte laut auflachen können, als Rainer Oettinger am Montag im Saal 400 des Deutschen Bundestages hinter einem improvisierten Paravent sitzt, während der Öffentlichkeit Eintritt gewährt wird. Bis zuletzt hatte das baden-württembergische Landesamt für Verfassungsschutz versucht zu verhindern, dass Oettinger öffentlich vor dem Berliner NSU-Untersuchungsausschuss befragt wird. Doch die Abgeordneten blieben hartnäckig, bestanden auf Transparenz, zu viel ist in der Causa NSU noch immer im Verborgenen.

    Oettinger heißt in Wirklichkeit anders, ist 60 Jahre und seit Januar im Ruhestand. Er war Mitarbeiter des Stuttgarter Verfassungsschutzes und schöpfte laut Behörde zwischen 2007 und 2011 eine Quelle namens “Krokus” ab: Petra S., die inzwischen im irischen Nirgendwo in einem garagengroßen Häuschen lebt – nach eigener Aussage voller Angst vor gewaltbereiten Neonazis, die auf Rache sinnen. Denn Petra S. behauptet, Oettinger im Mai 2007 – kurz nach Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewetter – Hinweise auf eine Verstrickung mehrerer Rechtsextremisten in dem Fall gegeben zu haben.

    V-Frau “Krokus” selbst war weder eine Rechtsextremistin noch Mitglied in einer politischen Partei oder Organisation, sie hatte zwei Informationsquellen, die sie anzapfte: ihre Freundin, die mit einem NPD-Funktionär liiert war, und eine rechtsextremistische Friseurin, die bei der Landtagswahl 2011 für die NPD kandidierte und bei der sie alle zwei Wochen auf dem Frisierstuhl saß. Die Friseurin Nelly R. habe auch Kontakt zu Freien Kräften gehabt und Skin-Konzerte besucht. Er habe sich von “Krokus” Informationen über Veranstaltungsorte, Treffpunkte und Termine sowie die Beschaffung von Publikationen, beispielsweise vom Grabert-Verlag, erhofft, sagt Oettinger vor dem Ausschuss.

    “Die geborene Quelle”

    Alles in allem sei “Krokus” eine “aufgeschlossene, intelligente, verschwiegene und zuverlässige” Quelle gewesen, um nicht zu sagen: “die geborene Quelle”. Das belegen auch die Akten, die dem NSU-Untersuchungsausschuss Ende Mai geschickt wurden und die dem SPIEGEL vorliegen. Die V-Frau wurde intern stetig besser beurteilt, von Glaubwürdigkeitsstufe F bis hinauf zur zweitbesten Bewertung B.

    Er habe die Informationen meist prompt “materiell umgesetzt”, wie es bei den Verfassungsschützern heiße, sagt Oettinger. Selbst solche wie den Besuch in der Wohnung der rechtextremistischen Friseurin nach dem Haareschneiden, in der sie stolz eine Hitler-Büste und andere Devotionalien präsentierte. Aber alles in allem sei “extrem wenig rübergekommen”.

    Krokus selbst muss es anders gesehen haben. “Ich tue ja nicht so viel für Sie, ich würde meine Arbeit gern intensivieren”, soll sie Oettinger vorgeschlagen und ihre Dienste auch für Recherchen im Linksextremismus angeboten haben. “Sie erweiterte also ihr Repertoire?”, hakt Ausschussvorsitzender Sebastian Edathy süffisant nach. Heraus kamen Informationen wie diese im August 2008: “Linkspartei will wie die CDU für Wahlkampf T-Shirts drucken.”

    V-Frau soll sich krass gewandelt haben

    Als sich “Krokus” in einen vorbestraften Kriminellen verliebt habe, der als Waffennarr gilt, für die IRA gekämpft und sich früher Zypern und der Türkei als Spion angeboten haben will, habe sie allerdings einen “krassen Persönlichkeitswandel” vollzogen, sagt der ehemalige Verfassungsschützer. So sehr, dass er die Zusammenarbeit im Februar 2011 schleunigst beendet habe. “Sie war wie eine Marionette von ihm. Wir merkten, diese Frau ist nicht mehr bei Sinnen”, konstatiert Oettinger. Eine Erfahrung, die auch einige Ausschussmitglieder in den vergangenen Wochen und Monaten gemacht und “wirre Mails” bekommen haben, wie einige sagen.

    Ob er ihre Meinung teile, dass es sich bei V-Frau “Krokus” um die Kategorie “Spinner” handele, fragt SPD-Ausschussmitglied Eva Högl den pensionierten V-Mann-Führer. Das könne er “voll und ganz unterschreiben”, sagt Oettinger, müsse aber sagen: Bis sie “die Inkarnation des Bösen” – nämlich den Lebensgefährten – kennengelernt und dem Verfassungsschutz gedient habe, sei sie eine “gute Quelle” gewesen.

    Petra S. bleibt jedoch bei ihrer Version: Die Friseurin habe ihr im Frühjahr 2007 bei einem Salonbesuch berichtet, Rechtsextremisten würden über eine Krankenschwester den zum damaligen Zeitpunkt schwer verletzten Kollegen der getöteten Polizistin Kiesewetter ausspähen. Sie wollten demnach herausbekommen, wann er aufwache und ob er sich an etwas erinnere. Wenn dem so sei, werde unter den Rechtsextremisten überlegt, “ob etwas zu tun sei”.

    “Krokus” wirft dem Geheimdienst Vertuschung vor

    Die Information, sagte “Krokus” dem SPIEGEL, habe sie unmittelbar an den Verfassungsschützer Oettinger weitergegeben. Mehrere Namen bekannter Neonazis will sie dabei genannt haben. Oettinger jedoch habe sie aufgefordert, sich aus der Sache herauszuhalten, und sie eindringlich daran erinnert, dass sie eine Geheimhaltungsverpflichtung unterschrieben habe.

    In den umfangreichen “Krokus”-Akten findet sich allerdings zum fraglichen Zeitpunkt kein Hinweis auf eine entsprechende Quellen-Information. Folgt man dem Dossier, wäre das auch unmöglich. Nach Aktenlage nämlich wurde “Krokus” erst von Juni oder Juli 2007 an als Quelle des Landesamts geführt – mithin zwei oder drei Monate nach dem Mordanschlag auf die beiden Polizisten. “Krokus” dagegen schwört, seit Herbst 2006 regelmäßig an Oettinger berichtet zu haben, und wirft dem Geheimdienst Vertuschung vor.

    Wenn eine “Information dieser Art” an ihn herangetragen worden wäre, hätte es ihn schon damals – nicht erst mit dem Wissen heute – “elektrisiert”, sagt Oettinger. Er sei selbst Polizist gewesen, und solch ein Hinweis hätte bedeutet, dass ein Kollege gefährdet sei. “So eine Information gab es nicht einmal ansatzweise.”

    “Untersuchungsausschuss hat Arbeit der Polizei gemacht”

    Der Unmut der Ausschussmitglieder über das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA) war groß am Montag. “Es steht nicht Aussage gegen Aussage”, wetterte Grünen-Obmann Wolfgang Wieland nach der Zeugenvernehmung. “Frau ‘Krokus’ sagt heute hü und morgen hott, je nachdem wie eng sie mit ihrem Lebensgefährten liiert ist.”

    Die Vernehmung habe leider nicht weitergeholfen, sagte SPD-Obfrau Högl. Oettinger sei ein glaubwürdiger Zeuge, man hätte sich die Zeit sparen können, wenn das LKA ihn vernommen hätte. “Der Untersuchungsausschuss hat heute die Arbeit der Polizei gemacht”, fasste es CDU-Obmann Clemens Binninger zusammen. “Nicht, weil sie nicht wollte, sondern weil sie nicht durfte!”

    Ermittler des LKA hatten nicht nur versucht, das Gremium von einer Befragung abzubringen, sondern auch verlautbaren lassen, dass es aus rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, den V-Mann-Führer selbst zu vernehmen.

    24. Juni 2013, 19:38 Uhr
    Von Julia Jüttner und Jörg Schindler, Berlin

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    © SPIEGEL ONLINE 2013

    NSU-Angeklagte Beate Zschäpe Die Frau im Schatten

    Beate Zschäpe fand im Urlaub schnell Freunde, verabredete sich zum Sport und erzählte von ihren Katzen. Da lebte sie schon im Untergrund. Jetzt steht sie wegen der zehn Morde des NSU vor Gericht. Ein Blick in das Leben einer mutmaßlichen Neonazi-Terroristin.

    Beate Zschäpe schweigt – und alle fragen sich: Wie ist aus der “Diddlemaus” eine gefährliche Neonazi-Terroristin geworden? – Foto: dpa

    Die Zeugin, die das Bundeskriminalamt im Juli 2012 befragt, verschweigt offenbar nichts. Obwohl Sabine Schneider (Name geändert) der frühere Kontakt zur rechten Szene peinlich zu sein scheint. „Politik ist überhaupt nicht mein Ding“, gibt Schneider den BKA-Beamten zu Protokoll, „ich war halt bei diesen Runden damals dabei, das war lustig und da wurde getrunken.“ Rechtsradikales Gedankengut „habe ich persönlich überhaupt nicht“.

    Die Frau Anfang 40 aus Ludwigsburg (Baden-Württemberg) wirkt wie die Mitläuferin einer rechten Clique, die sich mit Kumpels aus Thüringen und Sachsen traf.

    Mal dort, mal in Ludwigsburg. Schneider fand die Ostler sympathisch, vor allem eine Frau aus Thüringen. Die war fröhlich und die Einzige, die sich nicht szenetypisch kleidete. Die Frau hieß Beate Zschäpe. In ihr hat sich Schneider, so sieht sie es heute, furchtbar getäuscht.

    Schneider erlebte „die Beate“ als „liebevolle, nette, höfliche Dame“. Auch ihre Mutter sei von Zschäpe begeistert gewesen, sagt Schneider. „Beate hatte ja Gärtnerin gelernt und gab meiner Mutter Tipps.“ Von 1994 bis 2001 hielt der Kontakt, Zschäpe kam meist mit Uwe Mundlos nach Ludwigsburg, selten nur war Uwe Böhnhardt dabei. Offenbar ahnungslos lachte und trank Sabine Schneider mit rechten Mördern. Sie hat sich „auch mit dem Uwe Mundlos bestens verstanden“. Bis zum Sommer 2001 hatten sie, die beiden Killer der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“, bereits vier Türken erschossen und einen Sprengstoffanschlag verübt, vier Geldinstitute und einen Supermarkt überfallen.

    Ahnungslos war auch der Staat. Er wusste nichts vom NSU, trotz aufwendiger Ermittlungen nach jedem Verbrechen, das die Terroristen begangen hatten. Es erscheint unglaublich, auch heute noch, fast anderthalb Jahre nach dem dramatischen Ende der Terrorgruppe. Mundlos und Böhnhardt sind tot, vom Trio, das 1998 untertauchte, ist nur Beate Zschäpe übrig. Sie wird in der kommenden Woche ein gewaltiges Medieninteresse auf sich ziehen, über Deutschland hinaus.

    Am 17. April beginnt am Oberlandesgericht München der Prozess gegen die 38 Jahre alte Frau und vier Mitangeklagte – den Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben sowie André E., Holger G. und Carsten S. Die vier Männer sollen dem Trio geholfen haben, es geht da um Waffen, falsche Ausweise, unter Tarnnamen gemietete Wohnmobile. Der 6. Strafsenat wird über eine unfassbare Serie von Verbrechen zu urteilen haben, mit fassbaren Kategorien wie Täterschaft, Schuld, Unschuld, Strafmaß. Eine gigantische Aufgabe.

    In einigen Medien ist schon vom „Jahrhundertprozess“ die Rede. Der Superlativ erscheint sogar plausibel. Das NSU-Verfahren ist, sieht man von den Prozessen zum Staatsterrorismus der Nazis ab, das größte zu rechtsextremem Terror seit Gründung der Bundesrepublik. Der Präsident des Gerichts, Karl Huber, erwartet eine Dauer von mehr als zwei Jahren. Die juristische, aber auch die politische Dimension des Prozesses erinnert an die so spektakulären wie schwierigen Verfahren gegen Mitglieder der Roten Armee Fraktion. Und der Blick auf den Komplex RAF, auf die hier immer noch schmerzlich offenen Fragen zu Morden, Motiven und Hintergründen, verstärkt die Ahnung, auch im NSU-Verfahren werde vieles unbegreiflich bleiben. Vielleicht auch die Person Beate Zschäpe.
    Beate Zschäpe schweigt. Die Akten erzählen aus ihrem Leben.

    Die Angeklagte schweigt – voraussichtlich auch im Prozess, zumindest am Anfang. Dass Zschäpe nicht redet, ist ihr gutes Recht. Auch Zschäpes Mutter und Großmutter sprechen nicht mit den Medien. Dennoch kommt man ihr näher bei der Lektüre von Ermittlungsakten des BKA und anderen Unterlagen. Zschäpe erscheint da zunächst wie eine Durchschnittsfigur, die sich radikalisiert hat, die an den beiden Uwes hing und plötzlich mit ihnen verschwand. Keine Ulrike Meinhof, die den Kampf für die RAF intellektuell zu begründen suchte, keine Fanatikerin mit einem bizarren Charisma wie Gudrun Ensslin. Nur ein unbedeutende Thüringer Rechtsextremistin. Die dann, so sieht es die Bundesanwaltschaft, eine ungeheure kriminelle Energie entwickelte. In der knapp 500-seitigen Anklage werden aufgelistet: Beteiligung an den zehn Morden des NSU, an mehreren Mordversuchen, an 15 Raubüberfällen, dazu Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und besonders schwere Brandstiftung. Zschäpes Anwälte halten die Vorwürfe für weit übertrieben. Doch aus Sicht der Ermittler wurde die junge, unauffällige Frau aus Jena, in der rechten Szene als „Diddlmaus“ verniedlicht, die gefährlichste Neonazi-Terroristin in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

    Die Biografie bis zum Gang in den Untergrund zeugt, wie bei vielen Rechtsextremisten üblich, von einer schwierigen Kindheit. Geboren am 2. Januar 1975 in Jena, wächst Zschäpe bei ihrer Mutter Annerose Apel und ihrer Großmutter auf. Annerose Apel hatte den rumänischen Vater beim Zahnmedizinstudium in Rumänien kennengelernt. Als die Mutter 1975 heiratet, einen Deutschen, nimmt sie dessen Nachnamen an. 1977 lässt sie sich scheiden, ein Jahr später heiratet sie Günter Zschäpe und zieht zu ihm in eine andere Stadt in Thüringen. Tochter Beate bleibt bei der Großmutter. Als wenig später auch die zweite Ehe scheitert, zieht Annerose Zschäpe zurück nach Jena und nimmt Beate wieder zu sich. Doch Mutter und Tochter verstehen sich nicht, es gibt häufig Streit. Familiäre Wärme erlebt Beate offenbar nur bei der Großmutter.

    Bei der Festnahme im November 2011 sagt Beate Zschäpe einem Polizisten, sie sei als „Omakind“ aufgewachsen. 1981 wird sie in Jena an der Polytechnischen Oberschule „Otto Grotewohl“ eingeschult, 1992 macht sie an der Oberschule „Johann Wolfgang von Goethe“ den Abschluss nach der 10. Klasse. Der Wunsch, sich zur Kindergärtnerin ausbilden zu lassen, geht nicht in Erfüllung. Zschäpe macht eine Lehre als Gärtnerin für Gemüseanbau, die Abschlussprüfung besteht sie 1995 mit „befriedigend“. Übernommen wird Zschäpe nicht. Sie ist länger arbeitslos, ein Jahr lang hat sie eine ABM-Stelle als Malergehilfin, dann wieder nichts.

    Es sind die Jahre, in denen Beate Zschäpe in den Rechtsextremismus abdriftet. 1993 beginnt sie eine Beziehung mit dem Professorensohn Mundlos, der auch in einer rechten Clique abhängt. Das ist die Keimzelle der „Kameradschaft Jena“, einem kleinen, verschworenen Neonazi-Trupp, der sich später dem Netzwerk „Thüringer Heimatschutz“ anschließt. 1995 fällt Zschäpe erstmals dem Verfassungsschutz auf, als sie an einem größeren rechtsextremen Treffen teilnimmt – zusammen mit Mundlos und Böhnhardt. Im selben Jahr werden Zschäpe und Böhnhardt ein Paar. 1996 zieht sie bei Böhnhardts Familie ein. Doch der enge Kontakt zu Mundlos bleibt erhalten. Das Trio wird zunehmend fanatisch und für Zschäpe eine Art Ersatzfamilie.

    In den kommenden Jahren fallen sie Polizei und Verfassungsschutz immer wieder auf. Es sind die für die Szene typischen Provokationen, zum Beispiel ein Auftritt von Mundlos und Böhnhardt in SA-ähnlicher Kluft in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Aber bald schon reicht das nicht, die Aktionen werden härter. An einer Autobahnbrücke nahe Jena hängt das Trio einen Puppentorso auf, der einen Juden darstellen soll und mit einer Bombenattrappe verbunden ist. Der Drang zur Militanz wird stärker. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe planen den bewaffneten Kampf.

    Als Polizisten am 26. Januar 1998, auf einen Tipp des Verfassungsschutzes hin, eine von Zschäpe gemietete Garage in Jena durchsuchen, finden sie eine Sprengstoffwerkstatt. Da liegen eine fertige und vier halb gebastelte Rohrbomben, ein Sprengsatz in einer Blechdose, eine Zündvorrichtung mit einem Wecker, 60 Superböller, Schwarzpulver und ein TNT-Gemisch. Die Beamten entdecken eine Diskette, darauf ein Gedicht mit dem Titel „Ali-Drecksau, wir hassen Dich“. Durchsucht wird auch Zschäpes Wohnung, in die sie 1997 gezogen ist. Die Polizisten stellen mehrere Waffen sicher und ein Exemplar des Brettspiels „Pogromly“, eine obszöne, Auschwitz glorifizierende Version von Monopoly.
    Bei ihrem letzten Anruf sagte sie: Es ist was passiert in Eisenach.

    Für die Beamten ist die Aktion trotz der Funde ein Fehlschlag, das Trio taucht ab. Es wird fast 14 Jahre dauern, bis die Polizei Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe wieder entdeckt. Die beiden Uwes am 4. November 2011 als Leichen in einem brennenden Wohnmobil in Eisenach, Beate Zschäpe vier Tage später an der Pforte einer Polizeistation in Jena. Die Frau stellt sich.

    Die 14 Jahre Untergrund bleiben bis heute zumindest in Teilen eine Black Box. Die Ermittler haben nur wenige Erkenntnisse darüber, was Zschäpe in all den Jahren gemacht hat, warum sie bei den Uwes blieb, was sie von deren Mord- und Raubtouren wusste. Bei Mutter und Großmutter hat sie sich offenbar nie gemeldet. Nachbarinnen aus Zwickau, wo sich das Trio von 2000 an in drei Wohnungen versteckte, und Urlaubsbekanntschaften, die das Trio bei Urlauben auf der Insel Fehmarn erlebten, schildern so ungläubig wie Sabine Schneider eine freundliche, lustige, warmherzige Frau. Die sich allerdings in dieser Zeit nicht Beate Zschäpe nennt, sondern „Lisa Dienelt“ oder „Susann Dienelt“ oder einfach „Liese“. „Ich habe mit Liese häufig morgens Sport gemacht“, erzählt später eine Zeugin der Polizei, die Zschäpe 2001 auf Fehmarn kennengelernt hatte. „Und mittags haben wir uns gesonnt“. Die Liese habe ihr auch erzählt, „dass sie zwei Katzen hat, die zu Hause von einer Freundin versorgt werden“. Das mit den beiden Katzen stimmt sogar. „Heidi“ und „Lilly“ geht es gut in der Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße, wo sie auch einen kleinen Kratzbaum haben.

    Wie die Wohnung des Trios sonst noch aussah, ist für die Bundesanwaltschaft ein Beweis dafür, dass Zschäpe in die Taten von Mundlos und Böhnhardt eingeweiht war. Fünf Kameras überwachten die Umgebung der Wohnungstür. Eine weitere Tür war massiv gesichert und mit einem Schallschutz versehen, der Eingang zum Kellerraum mit einem Alarmsystem ausgestattet. Nachdem Zschäpe am 4. November 2011 die Wohnung angezündet hatte und dabei das halbe Haus in die Luft flog, fand die Polizei im Brandschutt zwölf Schusswaffen, darunter die Ceska Typ 83. Mit ihr erschossen Mundlos und Böhnhardt die neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft.

    Aus Sicht der Bundesanwaltschaft gibt es noch mehr Belege für die Beteiligung Zschäpes an allen Verbrechen. Sie habe 2001 gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt vom Mitangeklagten Holger G. die Ceska entgegengenommen, sagen Ermittler. Sie habe zudem mit erfundenen Geschichten gegenüber Nachbarn die häufige Abwesenheit der beiden Uwes „abgetarnt“. Und sie habe die Beute der Raubzüge verwaltet und nach der Brandstiftung in Zwickau 15 Briefe mit der Paulchen-Panther-DVD verschickt, auf der sich der NSU zu den Morden und Anschlägen bekennt.

    Die Ermittler betonen auch, eine Zeugin erinnere sich daran, Zschäpe am 9. Juni 2005 in Nürnberg gesehen zu haben. Sie soll in einem Supermarkt gestanden haben, kurz bevor Mundlos und Böhnhardt im benachbarten Imbiss den Türken Ismail Yasar erschossen. Zschäpes Anwälte halten gerade diese Aussage für unglaubhaft. Die Zeugin habe erst, nachdem Zschäpes Bild über die Medien bekannt geworden war, behauptet, sie damals gesehen zu haben. Für die Verteidiger gibt es keinen tragfähigen Beweis, dass Zschäpe an den Morden beteiligt war.

     

    08.04.2013 12:51 Uhr
    von Frank Jansen

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    Lawmaker: German neo-Nazi trio likely had helpers

    BERLIN — A neo-Nazi group suspected of committing a string of murders and bank robberies across Germany likely had more assistance than currently known, a German lawmaker with access to still-classified material on the case said Wednesday.

    Sebastian Edathy, who heads a parliamentary inquiry into why security services failed to stop the group for more than a decade, said the self-styled National Socialist Underground couldn’t have carried out two bombings, 10 murders and more than a dozen bank heists without a support network.

    The crimes took place between 1998 and 2011, when two of the three core members of the group died in an apparent murder-suicide. The surviving core member, Beate Zschaepe, and four alleged accomplices go on trial April 17.

    “If you live underground for 13 years in a country like Germany, if you depend on logistical help to carry out crimes, then you will probably have had to draw on a network of supporters,” Edathy told reporters in Berlin.

    Germany’s chief federal prosecutor Harald Range said last month that authorities believe the three were an “isolated group” without a nationwide network of helpers.

    But many in Germany and abroad – eight of the victims were of Turkish origin and one was Greek – have questioned how the group could have committed so many murders across Germany, as well as the bank robberies and bomb attacks, without further help.

    There also are concerns that police may have missed earlier opportunities to nab the trio, who in years past had been sought for lesser infractions.

    In one instance, security services in the eastern state of Brandenburg failed to act on an informant’s tip about the trio’s whereabouts shortly after they went on the lam in 1998, Edathy said. The informant’s handlers were afraid that passing the information to officers searching for the group might compromise their agent, he said.

    FRANK JORDANS | April 3, 2013 02:04 PM EST |

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