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  • Acht wertvolle Stunden vergingen, bis nach Amri gefahndet wurde

    Laut Informationen der Welt am Sonntag hätte Italien Anis Amri schon 2011 abschieben können. Die Behörden sollen damals eine beglaubigte Abschrift der Geburtsurkunde erhalten haben.

    Bei der Jagd nach dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz kam es nach Recherchen der „Welt“ zu einer Verzögerung.

    Obwohl die Identität am Tag nach dem Attentat ermittelt war, dauerte es, bis bundes- und europaweit gefahndet wurde.
    Anis Amri reiste drei Tage lang ungehindert von Deutschland in die Niederlande, anschließend weiter nach Italien.
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    Die Geldbörse lag unter dem Fahrersitz des Lastwagens. Darüber befand sich eine Decke. Bei einer ersten groben Sichtung war sie den Ermittlern wohl deshalb nicht aufgefallen. Erst bei einer genaueren Untersuchung des Führerhauses wurde das Portemonnaie schließlich gefunden – und damit ein entscheidender Hinweis auf den Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz. Darin befand sich Bargeld und ein Stück Papier. Es war eine Duldung, ausgestellt vom Landratsamt im nordrhein-westfälischen Kleve auf einen „Ahmed Elmasri, geboren am 01.01.1995 in Skendiria/Tunesien“.

    Der Name war falsch. Bei der Person, so stellten die Ermittler schnell fest, handelte es sich um den 24-jährigen Tunesier Anis Amri. Der im Duldungsbescheid angegebene Name war eine seiner 14 Identitäten, die den Behörden bekannt waren. Amri galt schon länger als radikaler Islamist, war sogar als „Gefährder“ eingestuft. Monatelang hatten gleich mehrere Sicherheitsbehörden gegen ihn ermittelt, ohne handfeste Beweise zu finden.

    Amri erschoss Lkw-Fahrer offenbar Stunden vor Anschlag
    Der polnische Lkw-Fahrer, der nach dem Lastwagenanschlag in Berlin tot auf dem Beifahrersitz gefunden wurde, hatte laut Informationen der „Bild“ schon Stunden vor der Tat einen Kopfschuss erlitten.

    Quelle: Die Welt
    Mit den gefundenen Papieren rückte er plötzlich wieder ins Visier der Fahnder. Die Geldbörse im Lkw machte Anis Amri schlagartig zum neuen Hauptverdächtigen des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in Berlin mit zwölf Toten und Dutzenden Verletzten. Doch obwohl die Identität des Terrorverdächtigen nun bekannt war, vergingen wichtige Stunden, bis eine bundesweite und auch europaweite Fahndung nach ihm ausgelöst wurde. Das zeigen Recherchen der „Welt“, und das bestätigten Sicherheitsbehörden auf Nachfrage.

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    Das Bundesinnen- und das Bundesjustizministerium haben in der vergangenen Woche eine 19 Seiten lange Chronologie veröffentlicht. Sie trägt den Titel „Behördenhandeln um die Person des Attentäters vom Breitscheidplatz Anis Amri“. Aufgelistet sind darin die Erkenntnisse der Behörden zur Gefährlichkeit des Islamisten und auch die erfolglosen Versuche, ihn abzuschieben. Was auffällt: Es fehlen die Aktionen der Ermittler in den Stunden und Tagen unmittelbar nach dem Anschlag. Genau in diesem Zeitraum kam es jedoch womöglich zu einer folgenschweren Fahndungspanne – oder zumindest zu einer fragwürdigen Entscheidung der Terrorfahnder.

    Was geschah in den Stunden nach dem Anschlag?

    Am Montag, 19. Dezember 2016, um kurz nach 20 Uhr, war Anis Amri mit dem zuvor gestohlenen polnischen Lastwagen in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast. Der Attentäter überlebte und konnte in dem Wirrwarr unerkannt fliehen. Kurze Zeit später nahm die Polizei nach einem Zeugenhinweis unweit des Berliner Tiergartens einen Verdächtigen fest: den pakistanischen Asylbewerber Naved B.

    Doch es ließen sich keinerlei Belege dafür finden, dass der Mann tatsächlich der Attentäter ist – weder Fingerabdrücke im Lkw noch DNA. Und so wuchsen innerhalb der Berliner Polizei in den folgenden Stunden die Zweifel daran, ob man wirklich den richtigen Täter gefasst hatte.

    Anis Amri soll regelmäßig Drogen genommen haben
    Der Attentäter von Berlin, Anis Amri, war Drogendealer und hat auch selbst regelmäßig Drogen konsumiert. Das geht aus einem Sachstandsbericht hervor. Auch in Berlin verkaufte der Tunesier demnach Drogen.

    Quelle: Die Welt
    Am Tag nach dem Attentat, am Morgen des 20. Dezember, begann die Berliner Polizei damit, den Lastwagen vom Breitscheidplatz abzuschleppen. Die Bremsen saßen fest, die Zugmaschine des Lasters war schwer beschädigt. Der Abtransport verzögerte sich daher. Es ging nur um Schrittempo voran. Erst am frühen Vormittag erreichte tonnenschwere Gefährt schließlich die Julius-Leber-Kaserne in Berlin-Reinickendorf. Dort, in einer Halle, fand die eigentliche Untersuchung durch die Tatortgruppe des LKA Berlin statt.

    Spürhunde, sogenannte Mantrailer, wurden in die Fahrerkabine geschickt. Sie sollten den Geruch des Attentäters aufnehmen. Dann durchsuchten die Ermittler das Fahrerhaus. Überall lagen Glassplitter, Kleidungsstücke und Holzteile herum. Beim Aufprall und bei der Vollbremsung des Lastwagens waren Dutzende Einzelteile durch das Führerhaus geflogen. Zwischen 15 und 16 Uhr entdeckten die LKA-Ermittler im Fußraum unter dem Fahrersitz die Geldbörse mit dem Duldungsschreiben von „Ahmed Elmasri“ aus Kleve.

    Es wurden Datenbanken abgefragt und Behördenanfragen verschickt. Schnell war „Ahmed Elmasri“ als Anis Amri identifiziert. Es war ein weiterer Hinweis darauf, dass der tags zuvor festgenommene Pakistaner Naved B. wohl unschuldig ist. Der neue Hauptverdächtige hieß jetzt Anis Amri. Und der war noch nicht gefasst.

    Warum wurde mit der Fahndung so lange gewartet?

    Was dann geschah, wirft einige Fragen auf: Denn obwohl die Identität des Attentäters den Ermittlern wohl spätestens am Dienstagnachmittag bekannt war, gab es nach Informationen der „Welt“ zunächst keine bundesweite Fahndung nach Anis Amri. In Berlin hatte man einen islamistischen „Gefährder“ als den mutmaßlichen Todesfahrer vom Breitscheidplatz ermittelt, jedoch die Polizeibehörden in 14 Bundesländern nicht über den neuen Verdächtigen in Kenntnis gesetzt.

    Dabei hatte es am frühen Abend des 20. Dezember 2016, gegen 18.30 Uhr, bereits eine wichtige Telefonschaltkonferenz gegeben. Teilgenommen hatten die LKA-Präsidenten und ein Vertreter des Bundeskriminalamtes (BKA). Man habe, so informierte ein Ermittler aus Berlin, einen „sehr wertigen Hinweis“ auf einen neuen Verdächtigen. Ein LKA-Vertreter hakte nach, wollte wissen, um wen es sich handelt. Doch in Berlin, wo man seit Stunden bereits die Duldungspapiere von Anis Amri aus Kleve vorliegen hatte, herrschte Zurückhaltung. Man wollte keine weiteren Details nennen und lediglich ein betroffenes Bundesland informieren – in diesem Fall Nordrhein-Westfalen.

    So vergingen Stunden, bis schließlich eine bundesweite und sogar europaweiten Fahndung nach dem Terrorverdächtigen ausgelöst wurde. Das LKA Berlin, das zu diesem Zeitpunkt mit der Besonderen Aufbauorganisatio (BAO) „Weihnachtsmarkt“ noch die Federführung bei den Ermittlungen innehatte, verschickte erst am 21. Dezember, um 0.06 Uhr, ein elektronisches Schreiben („VS-Nur für den Dienstgebrauch – Vorrangstufe: SOFORT“) an die Polizeibehörden der Länder, an die Bundespolizei, den Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst (BND) und das Zollkriminalamt.

    Das Dokument liegt der „Welt“ vor. Es enthält neben Fotos von Anis Amri auch diverse Alias-Namen des Islamisten und den Hinweis: „Es besteht der dringende Verdacht, dass er mit dem Anschlagsgeschehen in direkter Verbindung steht.“ Und bei „Antreffen ist nicht eigenständig heranzutreten“. Stattdessen solle das LKA informiert werden, um „Spezialkräfte“ einzusetzen.

    Anis Amri ist tot – Ein Italiener ist Held des Terrordramas
    Anis Amri ist tot. In Italien endet das Drama vom Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, bei dem Amri einen Lastwagen in eine Menschenmenge gelenkt haben soll.

    Quelle: Die Welt
    Die eindringliche Warnung war durchaus berechtigt. Immerhin ging es um einen gefährlichen Terroristen, der bereits zwölf Menschen kaltblütig ermordet hatte. Elf wurden überrollt und zerquetscht, ein polnischer Lkw-Fahrer zuvor mit einer Pistole erschossen. Warum aber wurde die Warnung vor Amri den Polizeidienststellen bundesweit erst so spät mitgeteilt?

    Und noch etwas fällt auf: Im Schreiben des Berliner LKA gibt es eine Zeitangabe, die im Widerspruch steht zu den offiziellen Angaben. Es heißt, die Geldbörse von Amri sei im Fußraum des Lkw am „20.12., 20:39 (…) festgestellt“ worden. Auf Nachfrage teilte die Berliner Polizei allerdings mit, die Geldbörse sei schon zwischen „15.00 und 16.00 Uhr“ aufgefunden worden.

    Acht Stunden, vielleicht neun, vergingen

    Vom Fund der Geldbörse bis zum Auslösen der bundes- und europaweiten Personenfahndung vergingen demnach mindestens acht, vielleicht sogar neun Stunden. In diesem Zeitraum waren lediglich die Polizeibehörden in Berlin, Nordrhein-Westfalen und das BKA über den Verdacht gegen Anis Amri informiert. Es seien verdeckte Maßnahmen gelaufen, heißt es aus Sicherheitskreisen. Man habe das bekannte Umfeld des „Gefährders“ im Blick gehabt.

    Außerdem habe man nicht das Risiko eingehen wollen, dass Amri von der Suche nach ihm Wind bekommt. Etwa durch Presseveröffentlichungen. So zumindest ein Erklärungsversuch. Fraglich aber ist, ob neben den verdeckten Maßnahmen nicht auch eine umfassendere Fahndung angebracht gewesen wäre. Immerhin handelte es sich um einen Verdächtigen, der bereits auf brutale Weise gemordet hat – und der vermutlich bewaffnet war. Kann man da das Risiko eingehen nur den Freundeskreis, bekannte Wohnanschriften oder die frequentierten Moscheen zu observieren?

    Das BKA bestätigte auf Nachfrage der „Welt“, dass auch erst am 21. Dezember 2016 ein Fahndungseintrag nach Anis Amri ins Schengener Informationssystem (SIS) erfolgte. Sprich, eine europaweite Jagd nach dem Islamisten gestartet wurde.

    In dieser Zeit reiste Anis Amri, ein bewaffneter Zwölffach-Mörder, nicht nur durch die Bundesrepublik, sondern durch vier weitere EU-Staaten. Sein Weg führte über das niederländische Nijmegen und Amsterdam, weiter nach Brüssel, dann über Lyon, Chambery nach Turin und schließlich in einen Vorort von Mailand, wo er am frühen Morgen des 23. Dezember 2016 von italienischen Polizisten bei einem Schusswechsel getötet wurde.

    Es ist reine Spekulation, ob Anis Amri in Deutschland weiter gemordet hätte, falls er auf seiner Flucht auf Polizisten gestoßen wäre. Klar ist aber: Bundesweit hätten Polizeibeamte stundenlang nicht gewusst, dass sie den Attentäter vom Breitscheidplatz vor sich haben.

    Von Florian Flade | Stand: 25.01.2017 | Lesedauer: 7 Minuten
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