Mit Spionagesatelliten kundschafteten die USA während des Kalten Krieges die Militärgeheimnisse des Gegners aus. Dann stürzte plötzlich eine Kapsel mit Überwachungsfotos in den Pazifik – und eine panische Rettungsaktion begann. 40 Jahre später hat der CIA die spektakulären Bilder der Operation freigegen. Neun Monate und mehr als 100.000 Dollar hatte die CIA investiert – und alles, was die Geheimdienstler schließlich in Händen hielten, war ein verwischtes Foto. Wer wollte, sah Puderzucker auf einem dunklen Tisch oder die ersten Schreibversuche eines Kindes. Nur ganz entfernt erinnerte das Foto an das, was es eigentlich war: ein Luftbild, fotografiert von einem Satelliten. Das Foto war von KH-9 Hexagon aufgenommen worden, einem Spionagesatelliten, den die USA am 15. Juni 1971 ins All geschickt hatten. Der unsichtbare Knipser war eine Hightech-Waffe im Kalten Krieg, mit ihm sollten die militärischen Geheimnisse der Sowjetunion festgehalten werden: Häfen, Werften, Flugplätze, Radaranlagen. Jedenfalls war das der Plan. KH-9 Hexagon war neben den beiden Kameras auch mit vier Kapseln ausgerüstet, die die hochauflösenden High-Definition-Aerial-Filme des Typs 1414 der Firma Eastman Kodak zurück zum Boden befördern sollten. Das Transportprinzip war so genial wie spektakulär: Die Kapseln lösten sich vom Satelliten und fielen Richtung Erde. Irgendwann öffnete sich ein Fallschirm, die Fotofracht wurde abgebremst und schließlich mitten in der Luft von einer Militärmaschine eingesammelt. Doch schon bei der ersten Mission von KH-9 kam es am 10. Juli 1971 zu einer verhängnisvollen Panne: Der Fallschirm öffnete sich nicht. Statt eingefangen zu werden, stürzte die Kapsel mit der Bezeichnung RV 1201-3 bei Hawaii in den Pazifik. Wenig später begannen CIA, der Militärnachrichtendienst NRO und die US Navy mit der Suche nach dem versunkenen Schatz. Doch warum dauerte die Bergung fast neun Monate? Und was passierte genau in jener Zeit? Die CIA hat nach 40 Jahren jetzt Akten freigegeben, die einen seltenen Einblick in die Arbeit des Geheimdienstes bieten – und spektakuläre Fotos einer Mission zeigen, die beinahe gescheitert wäre. Auffällige Luftblasen In einem internen Geheimdienst-Memo vom Tag des Unfalls wird zunächst von einem Helikopter berichtet, der den Bremsfallschirm gesichtet habe. Und: Militärmaschinen hätten Funksignale der Kapsel empfangen – doch schon im nächsten Telegramm folgt die Ernüchterung: Die Funksignale stammen nicht von der Kapsel, sondern von einem Flugzeug. Die Suche an der mutmaßlichen Aufprallstelle wird ergebnislos abgebrochen. Während die Fotokapseln RV 1 und 2 sicher aufgenommen wurden, fehlt von Nummer 3 zunächst jede Spur. Erst die Meldung einer Militärmaschine über auffallend viele Luftblasen auf dem Ozean bringt eine erste Spur. Schließlich können die Koordinaten der Absturzstelle ungefähr festgestellt werden: 24 Grad 50 Minuten nördliche Breite. 164 Grad 0 Minuten westliche Länge. Zwei Wochen sind seit der Panne vergangen. Weitere zwei Wochen später steht ein grober Rettungsplan. In einem Memo an den Direktor des Militärnachrichtendienstes wird das Vermessungsschiff “USNS DeSteiguer” genannt, das in der Lage sei, “ein Suchgerät mehr als 20.000 Fuß in die Tiefe zu lassen.” Die Suche durchführen soll ein Expertenteam des Marine-Physik-Labors MPL – für die Bergung fällt in dem Memo der Name des Hightech-Tauchboots “Trieste II”, das seit 1964 für die Marine im Einsatz ist. Bergung in 5000 Metern Tiefe Vier Tage Suchzeit plant das NRO für die “DeSteiguer” ein, unmittelbar danach soll das bemannte Tauchboot den wertvollen Geheimnisträger sichern. Beginnen soll das Unternehmen am 1. Oktober 1971. Doch auch dieses Datum ist bald Makulatur. Erst im Dezember geht die “Trieste II” auf Tauchfahrt, sichtet die Kapsel – und kann doch nicht bergen. Stürme mit 40 bis 50 Knoten und mehr als vier Meter hohe Wellen peitschen über den Pazifik. Die Bergung der so wichtigen Fotokapsel hat fast schon komische Züge angenommen, als die Sicherung von RV 3 schließlich auf März 1972 verschoben wird. Grund dafür ist nicht das Wetter, sondern die anstehende Nachfolge-Satellitenmission “1202”. Wegen der seien auch die Druck-Kapazitäten beim Kooperationspartner Eastman Kodak “bis Februar 1972 belegt”, heißt es in einem Geheimschreiben vom Dezember 1971. Kodak hätte also ohnehin keine Zeit für die Fotos der versunkenen Kapsel. …
Find this story at 13 August 2012 Eingereicht von: Christian Gödecke © SPIEGEL ONLINE 2008 Alle Rechte vorbehalten Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet GmbH