Rolf Gössner kritisiert in »Geheime Informanten« Symbiose zwischen Neonazis und Verfassungsschutz
Nicht erst seit den Enthüllungen über das Zusammenspiel der bundesdeutschen Inlandsgeheimdienste mit dem militanten Neonazinetzwerk, welches sich rund um die Terroristen des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) gruppiert hat, wurde deutlich, welche Gefahr von den Schlapphutbehörden tatsächlich ausgeht. Schließlich sind die fälschlicherweise als »Verfassungsschutz« bezeichneten Dienste weder durch die kritische Öffentlichkeit noch durch geheim tagende parlamentarische Kontrollgremien kontrollierbar.
Einer, der bereits seit Jahrzehnten vor dem gefährlichen Treiben der Inlandsgeheimdienste warnt, ist der Rechtsanwalt und Publizist Dr. Rolf Gössner, der zugleich Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte und stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof in Bremen ist. Im Gegensatz zu manchen selbsternannten Geheimdienstexperten weiß Gössner sehr genau, wovon er spricht. Schließlich wurde der Bürgerrechtler selbst satte 38 Jahre überwacht und bespitzelt. Nun hat Gössner sein bereits 2003 erschienenes Buch »Geheime Informanten« aktualisiert und als E-Book zum Herunterladen im Internet neu aufgelegt. Der Band dokumentiert die langjährige Symbiose zwischen Verfassungsfeinden und »Verfassungsschützern« und legt ein brisantes Dossier der kriminellen Karrieren zahlreicher V-Männer vor. Über sein unkontrollierbares Netz bezahlter und krimineller V-Leute hat sich der Verfassungsschutz Gössner zufolge fast zwangsläufig in kriminelle Machenschaften verstrickt, wobei Straftaten geduldet bzw. indirekt gefördert wurden. Brandstiftung, Totschlag, Mordaufrufe und Waffenhandel, das sind nur einige der kriminellen Machenschaften, denen sich V-Leute in der Vergangenheit schuldig gemacht haben, so der Rechtsanwalt.
»Das vielleicht Erschreckendste, was ich bei den Recherchen zu meinem Buch erfahren mußte, ist, daß der ›Verfassungsschutz‹ seine kriminell gewordenen V-Leute oft genug deckt, systematisch gegen polizeiliche Ermittlungen abschirmt, um sie weiter abschöpfen zu können – anstatt sie unverzüglich abzuschalten«, konstatiert Gössner.
Seine Kritik an den staatlichen Spitzelbehörden äußert der engagierte Bürgerrechtler indes nicht nur auf theoretischer Ebene. Vielmehr untermalt er diese durch Enthüllungen über das kriminelle Treiben mancher V-Leute. Ebenso rechnet der Rechtsanwalt mit der Extremismusdoktrin ab, mittels derer Antifaschisten mit Neonazis gleichgesetzt werden.
Gössners Buch ist indes auch als Mahnung vor einem weiteren Abbau von Grund- und Freiheitsrechten zu verstehen. »Es besteht die Gefahr, daß der Rechtsruck, den wir in Deutschland nicht erst seit gestern zu verzeichnen haben, auf staatlicher Ebene mit weiteren autoritären ›Lösungen‹ verstärkt und gefestigt wird«, warnt er.
Trotz der offenkundigen Verstrickung der Geheimdienste in die militante Naziszene kommt es in der Bundesrepublik erstaunlicher Weise zu keiner dauerhaften und breiten gesellschaftlichen Debatte. Gössner hingegen nimmt deutlich Stellung und votiert für eine Abschaffung der Schlapphutbehörden.
Am Dienstag wird dem Autor für seine »Bücher und Vorträge, aktuell aber auch als Anerkennung für seinen Doppelsieg über die NRW-Verfassungsschutzbehörde und das Bundesamt für Verfassungsschutz, das ihn seit 1970 ununterbrochen – so das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln–‚unverhältnismäßig und grundrechtswidrig‘ überwachen ließ«, von der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ) der »Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik« verliehen.
Rolf Gössner: Geheime Informanten. V-Leute des Verfassungsschutzes: Neonazis im Dienst des Staates. Knaur eBook, München 2012, 320 Seiten; Link zum Download für 6,99 Euro: bit.ly/J8XWNC