Entführen für die CIA, spionieren für die NSA? Die Firma CSC kennt wenig Skrupel. Auf ihrer Kundenliste steht auch die Bundesregierung. Die weiß angeblich von nichts.
Keine Frage, ein Auftrag der Bundesregierung schmückt jede Firma. Aber wie ist es andersherum? Kann, darf, soll die Berliner Regierung mit jeder beliebigen Firma ins Geschäft kommen? Sicher nicht – so viel ist einfach zu beantworten; dafür gibt es unzählige Regeln, fast alle beschäftigen sich mit formalen Dingen.
Und was ist mit den moralischen? Sollte eine deutsche Bundesregierung beispielsweise Geschäfte mit einer Firma eingehen, die in Entführungen, in Folterungen verwickelt ist? Sollten sich deutsche Ministerien etwa einen IT-Dienstleister teilen mit CIA, NSA und anderen amerikanischen Geheimdiensten, zumal wenn es um sensible Aufgaben geht, um Personalausweise, Waffenregister und die E-Mail-Sicherheit im Berliner Regierungsviertel?
Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung belegen, dass beides der Fall gewesen ist beziehungsweise noch immer ist. Es geht um Geschäftsbeziehungen zu einer Firma namens Computer Sciences Corporation, kurz CSC.
Khaled el-Masri sitzt mit verbundenen Augen und gefesselten Händen in einem Container in Kabul, als er die Motorengeräusche eines landenden Flugzeugs hört, eines weißen Gulfstream-Jets. Es ist der 28. Mai 2004, und el-Masri hat die Hölle hinter sich. Fünf Monate lang war er in US-Gefangenschaft gefoltert worden, im berüchtigten “Salt Pit”-Gefängnis in Afghanistan. Er war geschlagen worden und erniedrigt, vielfach, er hat Einläufe bekommen und Windeln tragen müssen, er ist unter Drogen gesetzt und immer wieder verhört worden. Alles bekannt, alles oft berichtet. Auch, dass den CIA-Leuten irgendwann klar wurde: Sie hatten den Falschen. El-Masri war unschuldig. An dieser Stelle kam CSC ins Spiel.
Die CIA-Leute hatten mit der Firma über Jahre gute Erfahrungen gemacht, sie ist einer der größten Auftragnehmer von Amerikas Geheimdiensten. Die Aufgabe: Der falsche Gefangene sollte unauffällig aus Afghanistan herausgeschafft werden. Das Unternehmen beauftragte dafür seinerseits ein Subunternehmen mit dem Flug – laut Rechnung vom 2. Juni 2004 gegen 11048,94 Dollar – und so wurde al-Masri mit jenem weißen Jet in Kabul abgeholt, gefesselt nach Albanien geflogen, dort in ein Auto umgeladen und im Hinterland ausgesetzt. Mission erfüllt.
Schon zu dieser Zeit machte auch die Bundesregierung mit CSC Geschäfte, und sie tut es bis heute – obwohl die Rolle von CSC im Fall el-Masri ihr bekannt sein müsste. Über 100 Aufträge haben deutsche Ministerien in den vergangenen fünf Jahren an die CSC und seine Tochterfirmen vergeben. Allein seit 2009 erhielt CSC für die Aufträge 25,5 Millionen Euro, von 1990 bis heute sind es fast 300 Millionen Euro.
Besuch in der deutschen Firmenzentrale im Abraham-Lincoln-Park 1 in Wiesbaden. Ein moderner Bau, grauer Sichtbeton, wenig Metall, viel Glas. Steril, kühl, sachlich. Die Angestellten am Empfang sind höflich, aber reden? Reden will hier niemand. Den deutschen Ableger der 1959 in den USA gegründeten Firma gibt es seit 1970. Auf der Homepage heißt es nur vage, das Unternehmen sei weltweit führend in “IT-gestützten Businesslösungen und Dienstleistungen”.
Tatsächlich ist die CSC ein großes Unternehmen, allein in Deutschland gibt es mindestens elf Tochtergesellschaften an insgesamt 16 Standorten. Auffallend oft residieren sie in der Nähe von US-Militärstützpunkten. Kein Zufall. Die CSC und ihre Tochterfirmen sind Teil jenes verschwiegenen Wirtschaftszweigs, der für Militär und Geheimdienste günstig und unsichtbar Arbeiten erledigt. Andere in der Branche sind die Sicherheitsdienstleister von Blackwater (die sich heute Academi nennen), denen im Irak Massaker angelastet werden. Oder Caci, deren Spezialisten angeblich in Abu Ghraib beteiligt waren, wenn es um verschärfte Verhöre ging.
Die deutschen Geschäfte der CSC werden durch den schlechten Ruf im Nahen Osten nicht getrübt: Jedes Jahr überweisen deutsche Firmen wie Allianz, BASF, Commerzbank, Daimler und Deutsche Bahn Millionen. Meist geht es um technische Fragen, um Beratung. Aber zum Kundenstamm zählen auch Ministerien: Mit der Firma CSC Deutschland Solutions GmbH, in deren Aufsichtsrat auch ein ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter sitzt, wurden innerhalb der vergangenen fünf Jahre durch das Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums insgesamt drei Rahmenverträge geschlossen, die wiederum Grundlage für Einzelaufträge verschiedener Bundesministerien waren.
Im Geschäftsbericht der CSC ist von Entführungsflügen nichts zu finden, auch nicht auf deren Homepage. Dafür muss man schon Untersuchungsberichte lesen oder Reports von Menschenrechtsorganisationen. Was das Bundesinnenministerium indessen nicht zu tun scheint: “Weder dem Bundesverwaltungsamt noch dem Beschaffungsamt waren bei Abschluss der Verträge mit der CSC Deutschland Solutions GmbH Vorwürfe gegen den US-amerikanischen Mutterkonzern bekannt,” sagt ein Sprecher. Den ersten Bericht über die Beteiligung der CSC an CIA-Entführungsflügen gab es 2005 im Boston Globe, 2011 folgte der Guardian. Danach wurden von deutschen Ministerien noch mindestens 22 Verträge abgeschlossen, etwa über Beratungsleistungen bei der Einführung eines Nationalen Waffenregisters.
Zwar hat die CSC ihre Tochterfirma Dyncorp, die einst Khaled el-Masris Verschleppung organisierte, schon 2005* verkauft – dennoch war die CSC auch danach noch immer oder noch viel mehr in amerikanische Geheimdienstaktivitäten involviert. So war die Firma Teil jenes Konsortiums, das den Zuschlag für das sogenannte Trailblazer-Programm der NSA erhielt: Dabei sollte ein gigantischer Datenstaubsauger entwickelt werden, gegen den das durch Edward Snowden öffentlich gewordene Spionageprogramm Prism beinahe niedlich wirken würde. Das Projekt wurde schließlich eingestellt, doch Aufträge bekam die CSC weiterhin. Im Grunde ist das Unternehmen so etwas wie die EDV-Abteilung der US-Geheimdienste. Und ausgerechnet diese Firma wird von deutschen Behörden seit Jahren mit Aufträgen bedacht, die enorm sensibel sind.
Ein paar Beispiele? Die CSC testete den umstrittenen Staatstrojaner des Bundeskriminalamts. Das Unternehmen half dem Justizministerium bei der Einführung der elektronischen Akte für Bundesgerichte. Die CSC erhielt mehrere Aufträge, die mit der verschlüsselten Kommunikation der Regierung zu tun haben. Die CSC beriet das Innenministerium bei der Einführung des elektronischen Passes. Sie ist involviert in das Projekt De-Mail, dessen Ziel der sichere Mailverkehr ist – oder sein sollte. Sollte man solche Aufträge einer Firma überantworten, die im US-Geheimdienst im Zweifel möglicherweise den wichtigeren Partner sieht?
Das zuständige Bundesinnenministerium lässt ausrichten, die Rahmenverträge enthielten “in der Regel Klauseln, nach denen es untersagt ist, bei der Vertragserfüllung zur Kenntnis erlangte vertrauliche Daten an Dritte weiterzuleiten”.
*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, CSC habe Dyncorp 2006 verkauft. Es war 2005.
16. November 2013 08:00 Deutsche Aufträge für CSC
Von Christian Fuchs, John Goetz, Frederik Obermaier und Bastian Obermayer
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