Fast 1500 Menschen starben beim Giftgas-Angriff des Assad-Regimes am 21. August in Damaskus. BILD am SONNTAG erfuhr jetzt aus deutschen Sicherheitskreisen: Die Truppen des Diktators wollten schon häufiger Giftgas einsetzen.
Seit rund vier Monaten haben syrische Divisions- und Brigadekommandeure immer wieder den Einsatz von Chemiewaffen beim Präsidentenpalast in Damaskus gefordert. Das belegen Funkgespräche, die vom Flottendienstboot „Oker“ abgefangen wurden. Das Spionageschiff der Marine kreuzt vor Syriens Küste.
Vergrößern
Die „Oker“ kreuzt vor der Küste Syriens, kann den Funk- und Telefonverkehr abhören
Foto: Imago
Laut den Erkenntnissen der Abhör-Spezialisten wurden die von den Kommandeuren verlangten Giftgas-Angriffe stets abgelehnt und der Einsatz vom 21. August wahrscheinlich nicht von Assad persönlich genehmigt.
Unabhängig von einem Militärschlag der USA gegen Syrien geht der Bundesnachrichtendienst (BND) davon aus, dass Diktator Assad sich noch lange an der Macht halten kann. Nach Informationen von BILD am SONNTAG berichtete BND-Präsident Gerhard Schindler am vergangenen Montag dem Verteidigungsausschuss des Bundestages in geheimer Sitzung, der blutige Bürgerkrieg werde sich noch lange hinziehen. Schindler wörtlich: „Das kann noch Jahre dauern.“
Michael Backhaus
Kommentar
Einig gegen Assad?
Die Bereitschaft zum Einsatz von Chemiewaffen ist innerhalb der Assad-Truppen weiter verbreitet als bekannt.
mehr…
In der Geheimsitzung verglich Schindler die Gefechte zwischen Rebellen und Assad-Truppen im Großraum Damaskus mit dem „Kampf um Stalingrad“. Teilnehmer der Sitzung wollten vom Geheimdienstchef wissen, ob sich der Bürgerkrieg in einem Endkampf befindet.
Schindler erklärte daraufhin seinen ungewöhnlichen Vergleich: Für die Herrschaft der alawitischen Minderheit in Syrien, zu der Assad gehört, habe Damaskus eine ähnlich hohe symbolische Bedeutung wie Stalingrad für die Sowjetunion unter Stalin.
Vergrößern
Von einer dramatischen Machtverschiebung innerhalb der Rebellen berichtete den Ausschuss-Mitgliedern der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker. Danach hat die vom Westen unterstützte Freie Syrische Armee (FSA) ihre einstige militärische Führungsrolle eingebüßt.
Der Zusammenschluss von Deserteuren der Assad-Truppen sei – so der ranghöchste deutsche Soldat – de facto nicht mehr existent. Stattdessen werde der Einfluss der islamistischen Terrororganisation al-Qaida auf die Rebellen-Bewegung immer stärker – mit dramatischen Folgen. Laut Wieker gibt es kaum noch Überläufer aus den Reihen der Assad-Truppen. Denn Deserteure würden von den Rebellen in der Regel sofort erschossen.
Gestern haben die 28 EU-Regierungen die USA aufgefordert, mit einem Militärschlag bis zur Vorlage eines UN-Berichtes über den Einsatz von Chemiewaffen zu warten.
08.09.2013 – 00:01 Uhr
Von MARTIN S. LAMBECK, KAYHAN ÖZGENC und BURKHARD UHLENBROICH
Find this story at 8 September 2013
© www.bild.de