Die National Security Agency schloss im Kalten Krieg eine Vereinbarung mit dem Heeresnachrichtenamt und finanzierte dessen Horchposten bei Hainburg. Im Krieg gegen den Terror haben Österreich und die USA das Abkommen erneuert.
Es ist eines der großen Geheimnisse der Republik, aber wirklich gut gehütet ist es nicht: Das neutrale Österreich hat mit dem US-Nachrichtendienst NSA (National Security Agency) einen Vertrag abgeschlossen. Darin sind die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen der US-Überwachungsbehörde und dem Heeresnachrichtenamt HNaA, dem Auslandsnachrichtendienst des österreichischen Bundesheeres, festgelegt. Seine Wurzeln hat das Dokument im Kalten Krieg, doch nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hat es der damalige NSA-Direktor, Michael Hayden, erneuern lassen. Das erfuhr „Die Presse“ aus mehreren Quellen: von österreichischen Politikern und hochrangigen Beamten im Sicherheitsbereich.
Die erste Wahl bei politischer Berichterstattung!
Für alle, die im Superwahljahr 2013 objektiv und bestens informiert sein wollen, gibt´s jetzt die “Presse” und die “Presse am Sonntag” 8 Wochen um 8 Euro. Weitere Informationen »
Michael Bauer, der Sprecher des Verteidigungsministeriums, will die Existenz des NSA-Vertrags mit Österreich weder bestätigen noch dementieren: „Ich kann dazu nichts sagen.“ Auch die US-Botschaft in Wien äußert sich nicht zu der Vereinbarung. Sie weist jedoch ausdrücklich auf die „sehr gute Kooperation mit dem österreichischen Militär und den österreichischen Nachrichtendiensten“ hin.
Minister Klug schweigt
Die NSA war zuletzt auch Thema im parlamentarischen Unterausschuss für Landesverteidigung. Doch Verteidigungsminister Gerald Klug zog es vor, über den Vertrag zu schweigen. Dass das Heeresnachrichtenamt als Kontaktstelle für die NSA fungiert, ist bekannt. Das Verteidigungsressort hat diesen Umstand nach einem Bericht der „Presse“ vom 13. Juni nicht abgestritten. Damals wie heute betont das Ministerium jedoch, dass das HNaA keinen Massenaustausch von Daten mit anderen Nachrichtendiensten betreibe.
Wie breit der Fluss österreichischer Daten in die USA ist, darüber gehen die Einschätzungen auseinander. Ein Geheimdienst-Insider gab sich gegenüber der „Presse“ überzeugt, dass die Amerikaner in der Lage sind, jegliche elektronische Kommunikation abzufangen. Allein mithilfe ihres Überwachungsprogramms Prism kann die NSA die Verbindungsdaten jeglichen Internetverkehrs aufzeichnen, der über US-Server läuft. Das gestand der US-Botschafter in Wien bei einem Treffen mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ein. Nachzuvollziehen ist ihre Empörung nicht ganz. Denn ihr Verfassungsschutz ist im Bild über die Aktivitäten der NSA in Österreich.
Die Amerikaner sind unglücklich über den Verlauf der Diskussion seit den Enthüllungen des Ex-NSA-Mitarbeiters Snowden. Denn ihre Dienste nehmen nicht nur, sie geben auch. So halfen sie jüngst bei der Befreiung der österreichischen Geisel im Jemen. Umgekehrt lieferte Österreich angeblich Informationen an die NSA, die 2007 zur Ergreifung der Sauerland-Gruppe, einer deutschen Terrorzelle, führten.
Die Partnerschaft zwischen österreichischen und US-Geheimdiensten reicht lang zurück, in die Zeit, als Europa noch geteilt war. Einer ihrer Brennpunkte war immer die Königswarte, ein Horchposten des Heeresnachrichtenamts bei Hainburg an der Grenze zur Slowakei, dort, wo früher der Eiserne Vorhang verlief. Die Österreicher waren in der Lage, von den niederen Karpaten aus tief in das sowjetische Imperium hineinzuhören. Ihre Informationen teilten sie zuweilen mit den Amerikanern.
Unterschrieb Platter das Papier?
Auch 24 Jahre nach Ende des Kalten Kriegs ist die Lauschstation des HNaA noch in Betrieb. Vor einiger Zeit wurde sie erneuert. In Militärkreisen kursieren Gerüchte, dass die teure Ausrüstung auf der Königswarte aus den USA stamme. Unter anderem das sei in einem Appendix zum NSA-Vertrag mit Hayden in den Nullerjahren vereinbart worden. Das Papier soll die Unterschrift von Günther Platter tragen, der 2003 bis 2007 Verteidigungsminister war. Im Büro des heutigen Tiroler Landeshauptmannes will man davon nichts wissen.
Michael Bauer, der Sprecher des Verteidigungsministeriums, bestreitet, dass die Amerikaner die Renovierung der Königswarte finanziert hätten. Ob sie freilich Equipment zur Verfügung stellten, kann der Oberst nicht sagen. Was er jedoch bestätigen kann, ist für das historische Selbstverständnis Österreichs brisant: „Die Königswarte war zur Zeit des Kalten Krieges ein Vorposten der Amerikaner. Sie haben die Anlage finanziell unterstützt.“ Wirklich neutral agierte Österreich schon damals nicht.
(“Die Presse” Printausgabe vom 13.07.2013)
12.07.2013 | 17:08 | VON RAINER NOWAK UND CHRISTIAN ULTSCH (Die Presse)
Find this story at 12 July 2013
© 2013 DiePresse.com