Die jüngsten Enthüllungen zeigen, wie umfassend das weltweite Internet überwacht wird. Einer der erfolgreichsten Kundschafter soll ein geheimnisumwittertes Atom-U-Boot der US-Amerikaner sein – die „USS Jimmy Carter“.
Am Meeresboden entlang sausen gigantische Datenmengen in Glasfaserkabeln um die Welt. Doch sicher sind sie dort keineswegs. Einer der Gründe dafür: das Atom-U-Boot „USS Jimmy Carter“. Der 138 Meter lange Koloss soll in der Lage sein, die Leitungen in der Tiefe anzuzapfen. In allen Ozeanen dieser Erde – und damit in Gebieten, die außerhalb der Hoheit der Vereinigten Staaten liegen.
Das nach dem früheren US-Präsidenten Jimmy Carter benannte U-Boot unterliegt höchster Geheimhaltung. 140 Mann Besatzung steuern das Boot durch die Ozeane, daneben kann es noch bis zu 50 Spezialkräfte aufnehmen. Von einer Multi-Mission-Platform können Taucher und Mini-U-Boote starten. Seit Anfang 2005 ist die „USS Jimmy Carter“ in den Weltmeeren unterwegs.
Angriffe auf Unterseekabel
Wie aber kommt das U-Boot überhaupt an die Daten heran? Darüber gibt es nur Gerüchte, doch mehrere Szenarien sind denkbar. So könnten die Tiefseespione in Glasfaserleitungen so genannte „Splitter“ einklinken. Diese elektronischen Bauteile schicken Kopien aller erfassten Daten über eine eigene Leitung direkt zum US-Militärgeheimdienst NSA.
Bei einer anderen möglichen Variante müssen die Unterseekabel nicht einmal aufgetrennt werden: „Es genügt, die Kabel leicht zu biegen, um an die Daten zu kommen“, erklärt der IT-Journalist Peter Welchering. Spezielle „Biegekoppler“ fangen die Lichtsignale ab und lesen sie aus. „Moderne Lauschgeräte benötigen weniger als nur zwei Prozent der optischen Leistung der Glasfaser, um dann das komplette Signal abzugreifen und in Bits umzuwandeln“, fügt Welchering hinzu.
Radarkuppeln und Satellitenspäher
Wirklich neu ist die Tatsache, dass Amerikaner, Engländer und andere Staaten internationale Kommunikationswege ausspähen, allerdings nicht. „Ich verstehe die ganze Aufregung nicht“, sagt Welchering. „Mit Echelon verhält es sich doch nicht anders, nur dass die jetzt in den Fokus geratenen Lauschangriffe in digitaler Form stattfinden.“
„Echelon“ heißt ein weltweites Spionagenetz, das mutmaßlich weit in die Zeit des Kalten Krieges zurückreicht. Seit den 1970er-Jahren gab es Gerüchte über seine Existenz. Abhörstationen und Weltraumsatelliten überwachen angeblich Telefongespräche, Faxverbindungen und Internet-Daten, die über Satellit geleitet werden. Auch Handygespräche und Funkverbindungen sollen abgehört werden. Kugelförmige Radarkuppeln wölben sich über die Antennen, die die Signale erfassen. Eine wichtige Anlage stand im bayerischen Bad Aibling. 2004 wurde sie geschlossen, nachdem bekannt geworden war, dass sie nach Ende des Kalten Krieges vor allem europäische Unternehmen ausspioniert hatte.
Betrieben wird „Echelon“ von Nachrichtendiensten der USA, Großbritanniens, Kanadas, Australiens und Neuseelands. Genau die fünf Staaten also, die auch bei der digitalen Datenspionage zusammenarbeiten.
Feind und „Freund“ hören mit
Auch Computer und Telefone anzuzapfen ist für Geheimdienste kein Problem. Um an die Daten zu kommen, bedarf es einfach einer entsprechenden Spionagesoftware. Zwar lassen sich nicht derartige Informationsmengen wie an Unterseekabeln abschöpfen, doch die Spione können gezielter attackieren. Und zum Beispiel ein bestimmtes Unternehmen ins Visier nehmen.
Der volkswirtschaftliche Schaden durch Industriespionage lässt sich schwer schätzen, weil die Dunkelziffern hoch sind. Das Beratungsunternehmen Corporate Trust geht von mindestens 4,2 Milliarden Euro pro Jahr allein in Deutschland aus.
Total verwanzt
Unter Verbündeten sollte das eigentlich ein Tabu sein: Trotzdem spähen US-Geheimdienstler auch die Europäische Union aus. Das berichtet zumindest das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Die diplomatischen Vertretungen der EU in Washington und bei den Vereinten Nationen in New York seien verwanzt worden, heißt es in dem Blatt unter Berufung auf Geheimdokumente des NSA-Enthüllers Edward Snowden. Darin würden die Europäer als „Angriffsziel“ benannt.
Die Methode, die Räume – angeblich oder tatsächlich – gegnerischer Nationen zu verwanzen, war schon im Kalten Krieg sehr beliebt. Der sowjetische Geheimdienst KGB entwickelte zum Beispiel so genannte passive Wanzen, die keine Batterie brauchten, sondern ihre Energie durch von außen eingestrahlte Mikrowellen erhielten. Die Sowjets konnten den US-Botschafter in Moskau auf diese Weise jahrelang abhören, ohne dass dies entdeckt wurde.
Der Mann mit dem Schlapphut hat noch nicht ausgedient
Trotz aller Hightech-Methoden, auf die Geheimdienste heute setzen: Nach wie vor ist der klassische Spion nicht aus der Mode gekommen. Für Aufsehen sorgt derzeit in Deutschland der Prozess gegen ein russisches Agentenehepaar, das 25 Jahre lang ein filmreifes Doppelleben geführt hatte. Jetzt müssen beide für mehrere Jahre hinter Gitter. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte den Ehemann zu sechseinhalb Jahren und seine Frau zu fünfeinhalb Jahren Haft.
Auch im Bereich der Wirtschaftsspionage sind Informanten ein wesentlicher Faktor. Denn in vielen Fällen sind es die eigenen Mitarbeiter einer Firma, die Betriebsgeheimnisse verkaufen.
Dienstag, 02.07.2013, 18:51 · von FOCUS-Online-Autor Harald Wiederschein
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