Die eidesstattliche, vor einem Luxemburger Notar abgegebene Versicherung des deutschen Historikers Andreas Kramer, der über die geheimdienstliche Tätigkeit seines verstorbenen Vaters berichtet, ist inzwischen online veröffentlicht worden. Johannes Karl Kramer, vormaliger Soldat zuletzt im Range eines Hauptmanns im Verteidigungsministerium, war auch hochrangiger Agent des BND gewesen. Seinem Sohn zufolge war Kramer Operationsleiter von GLADIO/Stay Behind und koordinierte Einsätze in Deutschland, den Benelux-Staaten und der „neutralen“ Schweiz. Über Kramers Schreibtisch sollen die Bombenleger-Aktionen koordiniert worden sein. Zweck der Operationen waren vordergründig Übungen für den Fall einer sowjetischen Invasion, konkret aber dienten sie zur psychologischen Kriegsführung in Friedenszeiten. So sollte die eigene Bevölkerung terrorisiert werden, um sie hierdurch auf einen Rechtsruck gegen die vermeintlichen Gegner im linken Spektrum einzuschwören.
Kramer soll alle derartigen Aktionen mit dem späteren Chef des Luxemburger Geheimdienstes SREL, Charles Hoffmann, abgestimmt haben, der das Personal ausgesucht habe. Dieser soll in den 1970er Jahren an einem noch heute existenten NATO-Objekt in Sardinien für klandestine Spezialeinsätze ausgebildet worden sein. Hoffmann, der die Vorwürfe zurückweist, soll Gründungsmitglied des Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland e.V. sein, in dem u.a. Geheimdienst-Veteranen der Öffentlichkeit bei der Interpretation der Realität behilflich sein wollen. Vor der 2003 erfolgten Gründung dieses Clubs der Spionage-Opas besorgte derartige Propaganda das damalige „Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik“, das der umstrittene Verfassungsschützer Hans Josef Horchem aufgezogen hatte. Von Anfang an dabei war der als Journalist posierende BND-Agent Wilhelm Dietl. Auch dieses Institut, das zu RAF-Zeiten die Presse mit hauseigenen „Terrorismus-Experten“ versorgte, wurde ebenfalls 2003 neugegründet, um nunmehr der Welt vom islamischen Terror zu künden.
Die Sekretärin des BND-Strategen Kramer hatte in den 1970er Jahren tragische Berühmtheit erlangt. Es handelte sich um die rechtsgerichtete Heidrun Hofer, die von einem vermeintlich deutschen „Hans Puschke“ verführt wurde, der sie scheinbar für eine in Südamerika angesiedelte Alt-Nazi-Organisation anwarb. Tatsächlich allerdings war „Puschke“ der KGB-General Jurij Ivanowitsch Drosdow. Nach ihrer Enttarnung 1976 überlebte Hofer einen Suizidversuch. Doch auch Kramer soll nach Aussage seines Sohnes seit 1973 Doppelagent gewesen sein und an Moskau berichtet haben. Dies bedeutet nichts weniger, als dass das bis heute streng geheime GLADIO-Netzwerk auf hoher Ebene verraten worden war. Die Saboteure wären im Ernstfall daher sabotiert gewesen.
Nachdem die geheimnisvollen Bombenanschläge, die seinerzeit Kommunisten und „Ökoterroristen“ in Misskredit brachten, nunmehr NATO-Geheimagenten zugeschrieben werden, bietet sich nun ein praktischer Sündenbock an. Im gestrigen Prozesstag, den das Luxemburger Wort protokollierte, wurde der einstige Waffenmeister der Luxemburger Polizei, Henri Flammang, für die übliche Rolle eines „Verwirrten“ gehandelt. Flammang soll krankhafter Waffennarr gewesen sein, der sogar sichergestellte Tatwaffen aus emotionalen Gründen nicht zerstören wollte. Bei Hausdurchsuchungen seien bei Flammang 434 Schusswaffen und über 70 kg Sprengstoff gefunden worden. Flammang soll unter wahnhaften Angstvorstellungen vor einer sowjetischen Invasion gelitten haben und sei vom Luxemburger Geheimdienst SREL als Agent angeworben worden. Flammang starb nicht durch die Hand eines Rotarmisten, sondern 1995 durch die eigene. Im Prozess wurde am Montag von einem angeblichen Abschiedsbrief gesprochen, in welchem sich Flammang als der Bombenleger zu erkennen gegeben habe. Das angebliche Dokument liegt jedoch bislang nicht vor.
Zeugenaussagen berichten von vier Tätern. In Verdacht stehen neben den beiden angeklagten Polizisten und dem verstorbenen Waffenmeister Flammang der Gründer der Spezialeinheit BMG Ben Geiben, dessen verstorbener Stellvertreter Jos Steil – sowie ein Herr namens Jean Nassau, den Zeugen am Tatort gesehen haben wollen. Herr Nassau war vom britischen Militär ausgebildet worden und brachte es in der Luxemburger Armee zum Rang eines Capitaine. Geboren wurde Herr Nassau als Jean Félix Marie Guillaume Prinz von Luxemburg, verzichtete jedoch 1986 auf sein Anrecht auf die Thronfolge.
Markus Kompa
19 – 03 – 2013
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