Bei den von der WAZ veröffentlichten Berichten handelt es sich um sogenannte „Unterrichtungen des Parlamentes“. Diese Papiere stellt das Verteidigungsministerium jede Woche dem Verteidigungsausschuss des Bundestages zu Verfügung. Sie sollen die Abgeordneten über die weltweiten Einsätze der Bundeswehr auf dem Laufenden halten und sind mit dem Hinweis „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ gestempelt.
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Bei “VS – Nur für den Dienstgebrauch“ handelt es sich um die niedrigste Geheimhaltungsstufe in Deutschland. Die Bundeswehr lehnte auf Anfrage eine Veröffentlichung der Berichte ab, weil aus ihnen Rückschlüsse auf „Einsatzverfahren und Einsatztechniken“ möglich sein sollen. Die WAZ-Gruppe hat trotzdem mehrere tausend Seiten dieser geheim gestempelten Berichte im Internet veröffentlicht.
Die Originaldokumente erlauben erstmals einen ungefilterten Blick auf den Kriegsverlauf im deutsch kontrollierten Gebiet am Hindukusch. Sie umspannen den Zeitraum von 2005 bis 2012. Wir haben nicht alle Dokumente, und einige sind kaum lesbar.
Trotzdem zeigen die Papiere die weitgehende Wirkungslosigkeit der bisherigen ISAF-Strategien – enthalten aber keine Informationen über „Einsatzverfahren und Einsatztechniken“ der Bundeswehr, wie von der Bundeswehr behauptet.
Mehr als 1000 Tote in 2012
Stattdessen werden in den geheimen Berichten auch Zahlen zu Opfern des Krieges genannt, die in den frei verfügbaren „Unterrichtungen der Öffentlichkeit“ von der Bundeswehr nicht verbreitet werden. So zitiert das Verteidigungsministerium etwa im geheimen Bericht 33 aus dem August 2012 eine Statistik der UNO. Demnach wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 3099 Zivilisten verletzt oder getötet, darunter 925 Frauen und Kinder; 1145 Menschen starben, 1954 mussten behandelt werden.
Laut UNO sind für 80 Prozent der Opfer die Aufständischen verantwortlich. ISAF-Soldaten und afghanische Sicherheitsdienste hätten etwa 310 Opfer verschuldet. In den öffentlichen Berichten der Bundeswehr fehlen diese Zahlen. Dabei sind auch diese Angaben nicht geheim. Die UNO veröffentlicht sie im Internet.
Keine Geheimnisse
Weiter enthalten die geheimen Berichte Informationen über Einsätze der Bundeswehr im Süden des Landes. Dort sind sie für ihre Bündnispartner aktiv. So setzt die Bundeswehr seit Jahren reguläre Soldaten des ehemaligen Fernmeldebataillons 284 aus Wesel in der Unruheprovinz Kandahar ein. Sie helfen dort den militärischen Flughafen zu kontrollieren – jeweils mit einer Ausnahmegenehmigung des gerade amtierenden Verteidigungsministers.
Diese Einsätze verschweigt die Bundeswehr in ihren erst seit 2011 wöchentlich erscheinenden „Unterrichtungen der Öffentlichkeit“. Dabei handelt es sich bei den Angaben durchaus nicht um Geheimnisse. Soldaten aus Wesel berichteten in der Vergangenheit offen in Zeitungen über ihren Einsatz in Kandahar.
27. November 2010 von David Schraven